laut.de-Kritik
Struktur und Effekte setzen wieder Maßstäbe.
Review von Alexander CordasZyniker sind bereits schnell mit hämischen Kommentaren ob der verloren gegangenen Vorreiterposition innerhalb der elektronischen Musik zur Hand. Simplizismen greifen bei den Düsseldorfer Mensch Maschinen jedoch nicht. Das hat auch die Fangemeinde erfahren müssen, die Jahre lang nach neuen Tönen aus dem Kling Klang-Studio dürstete, ohne dass sie von den medienscheuen Protagonisten erhört worden wären. Nun berauben Hütter, Schneider, Schmitz und Hilpert die Musikjournaille einer ihrer besten Pointen und veröffentlichen mit einem seltsam gedämpften und unspektakulären Pardauz! "Tour De France Soundtracks".
Seit den Siebzigern bis in die frühen Achtziger hinein weihten ihnen allerorten Musik-Schaffende wie -Hörer einen Altar nach dem anderen. Nicht wenige stießen sie in der Folgezeit fast genauso begeistert vom Thron und mokierten sich über die Unproduktivität der vier. Den Masterminds geht das selbstverfreilich am virtuellen Hintern vorbei, und Recht haben sie. Während viele nicht weniger als die abermalige Umwälzung und Erschütterung der elektronischen Musik erwarten, entwerfen Kraftwerk ein minimalistisch-geniales Stück Musik, das keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Unvergleichlich gut deshalb, weil immer noch weit und breit niemand in Sicht ist, der aus so wenig so viel zu Wege bringt. Rhythmik, Struktur und Effekte der einzelnen Songs setzen in ihrer Perfektion wieder einmal Maßstäbe. "Vitamin" und "Aero Dynamik" gehören zur Speerspitze des elektronischen Pops. Trockene Beats, Robotnik-Computerstimmen und die altbekannten Reime in Slogan-Form reduzieren alles auf die Quintessenz dessen, was Kraftwerk-Kompositionen ausmachen: weniger ist mehr.
Diese Einschätzung mag durchaus seinen Ursprung im devoten Unterwürfigkeitsreflex des Rezensenten haben. Sicher ist aber, dass das Raumschiff Kraftwerk nach wie vor den Überblick behält. Zogen die Düsseldorfer dereinst aus, um in Galaxien vorzudringen, die noch nie ein Musiker zuvor gesehen hatte, sind die "elektronischen Beatles" nun da angelangt, wo sie sich Zu Hause fühlen: im minimalistischen Elektro-Kosmos, der nicht nach effekthaschender Innovationssucht geifert, sondern seine eigene Definition von Fortschritt besitzt. Die Umsetzung dieser Definition erfolgt nach altem Rezept und unter Berücksichtigung bekannter Zutaten, doch aus ebendiesen Ingredienzien entsteht mit geringer Beimischung neuer Würze ein Titanstück wie "Elektro Kardiogramm", das mit zum Besten zählt, was je aus dem Kling Klang-Studio kam.
Möge der Spott über den Autor herein brechen, die Zeit wird den Beweis erbringen, dass dieses Album zum neuen Kraftwerk-Klassiker avancieren kann: Boing Bumm Tschak!
20 Kommentare
Ich höre sie mir demnächst bei "Blöd" an....wenn sie auch nur halb so "gut" ist, wie hier behauptet, kaufe ich sie sogar....:D
Mach dir aber keinen Kopp, Alex.....mein Thread in Sachen Robert Cray wird in ein paar Tagen mit "0" Posts auf Seite "irgendwo" landen....:D
Ich finde sie sehr gut. Hätte ich so nicht erwartet, vor allem, weil ich so eine Musik sonst nicht so höre. Kraftwerk bilden da die Ausnahme. Aber es wird wohl jetzt wirklich das letzte Album sein.
nur applemacs tun das
@negativehoney (« es ist ja nicht so, dass macs sich gross um kopierschutzmechanismen kümmern »):
Aus diesem Grund habe ich nur Raubkopien von KS CDs im Regal ...
Ist eine Frage, des Prinzips, meine Sammlung muß sauber bleiben. Unechte CDs müssen draußen bleiben und werden erst nach Entfernung des KS und liebevoll auf CD-R gebrannt aktzeptiert.
Die Hälfte der kopierten KS CDs habe ich schon durch echte CDs ersetzt, habe tiefes Vertrauen in die Industrie, das der Rest auch noch ohne KS wiederaufgelegt wird ...
Kraftwerk steht im elektronischen Bereich meiner Meinung nach immer noch unangefochten an der Spitze, dicht gefolgt von wenigen Genies wie Aphex Twin und von mehren Einzelwerken, aber kein Künstler dieses Genres hat es geschafft konstant geniale Alben wie Kraftwerk herauszubringen.