laut.de-Kritik
Das Quartett trotzt weiter stilsicher allen Rockismen.
Review von Hardy FunkEin den, das ist im amerikansichen Sprachgebrauch ein Hobby- oder Arbeitsraum, eine von Kindern gebaute Spielhöhle, oder aber der Bau eines Fuchses oder Bären. In allen Fällen also Rückzugsgebiete, private Sphären. Das steht im Gegensatz zum Panzer, nach dem das letzte Kreidler-Album "Tank" benannt war. Heißt das also, dass das Quartett aus Düsseldorf (und Berlin) jetzt kantenlosen Ambient fürs Cocooning in den eigenen vier Wänden macht? Mitnichten.
Lediglich etwas wärmer klingt die neue Platte, das Schlagezug nimmt eine weniger prominente Rolle ein als zuletzt. Ansonsten ist der Sound der gleiche geblieben: leicht, transparent, und, so blöd das klingt, schön ist auch das elfte Album wieder geraten. Der Opener "Sun" vereint all diese Eigenschaften. Kurz bevor dieses freundliche Sounddesign allzu einbalsamierend werden könnte, bricht der Song allerdings ab... und startet von Neuem, diesmal mit dem Schlagzeug von Thomas Klein. Und schon groovt das Stück.
Oft ist in diesem Zusammenhang ja von 'echten' und 'synthetischen' Klängen die Rede. Denn bei Kreidler entspringen nicht nur das Schlagzeug, sondern auch der Bass und die Gitarre von Alex Paulick der klassischen Rock-Besetzung. Die Synthesizer und Sampler von Andreas Reihse und Detlef Weinrich hingegen entstammen der elektronischen Musiktradition. Ein wenig schwingt bei diesem Gerede jedoch immer die rockistische Geringschätzung der vermeintlich 'unechten' synthetischen Töne mit. Wären deshalb derlei Unterscheidungen nicht schon lange obsolet, man müsste sie spätestens angesichts einer derart organischen Fusion von akustischen und synthetischen Tönen, wie Kreidler sie vollbringen, ad acta legen.
Doch nicht nur das organische Zusammfügen dieser angeblichen Gegensätze, auch das Songwriting haben Kreidler nach wie vor im Griff. Viele der wieder ausschließlich instrumentalen Songs haben einen ähnlichen Aufbau wie "Sun". Nach relativ ruhigem Anfang verwandeln sie sich etwa zur Hälfte, um gegen Ende wieder zur Anfangsstruktur zurückzufinden. So scheint "Cascade" ungefähr auf halber Strecke die Puste auszugehen, bekommt etwas Zweifelndes, nur damit die helle, an Kraftwerk erinnernde Synthesizer-Melodie erlösend wiederkehren kann.
Das Gleiche beim mit asiatischen Melodien angereicherten "Deadwringer". Das Stück beginnt zaghaft und verträumt, hält dann kurz inne, bevor es mit straightem Rock-Schlagzeug und bouncenden Synthies so richtig Fahrt aufnimmt. Auf diese Weise bleiben die Instrumentals trotz ihres zeitweiligen Ambient-Feelings spannend. Das gilt auch für das abschließende "Winter". Nach einlullenden, sphärischen Synthie-Sounds wecken einen MG-Schüsse, die kurz darauf von einem groovenden Basslauf und undefinierbaren Maschinen- oder Tier-Geräuschen überformt werden. Stärker - und dystopischer - hätten Kreidler ihr Album nicht beschließen können.
Trotz der MGs am Ende ist "Den" aber ein freundliches und schönes Album geworden. Trotz aller Schönheit gerät es nie zu einlullender Hintergrundmusik. Denn obwohl teilweise recht üppig instrumentiert, klingen die Lieder nie breiig, im Gegenteil: Die Band hat das Material derart präzise und transparent eingespielt und abgemischt, dass man jedes einzelne Element klar heraushören und verfolgen kann. Kreidler schreiten auch mit Album Nummer elf stilsicher auf ihrem antirockistischen Weg voran.
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