laut.de-Kritik

Von der Pop-Prinzessin zur Lust-Göttin.

Review von

Drei Jahre sind seit ihrem letzten Glitter-Album "X" ins Großraumdissen-Land gegangen. Genügend Zeit also, die Welt in erneutes "Kylie ist zurück"-Geschrei verfallen zu lassen. Die Pop-Prinzessin erfreut die Discokugel-Anbeter mit "Aphrodite" und gibt ihr gefühltes zillionstes Comeback.

Diese Zahl kommt einem auch in den Sinn, wenn man sich die endlose Liste der von Kylie für ihre elfte Scheibe angeheuerten Songschreiber und Produzenten reinzieht: Sage und schreibe 27 Autoren werkelten an den insgesamt zwölf Songs, neun Produzenten teilten sich das Mischpult (unter anderem Calvin Harris und Starsmith). Das Ruder übernahm dabei Stuart Price, der bereits Madonna, Seal und The Killers in seinem beachtlichen Produzenten-CV auflistet.

Vorabsingle "All The Lovers" macht schnell klar: Kylie appeliert an die Lust. Im Musikvideo präsentiert sie sich zu schmalzigem Electro-Pop als über einem fleischigen Berg aus lauter halbnackten schönen und knutschenden Menschen thronende Aphrodite. Anders als Lady Gaga packt sie dabei nicht die S/M-Peitsche aus, sondern zelebriert kuscheligen Blümchen-Sex (und hat dabei noch die meisten Kleider an).

Entgegen den alle Jahre wieder auftauchenden Kylie-Hits ("Can't Get You Out Of My Head", irgendwer?) fehlt dem Song das gewisse mitreißende Etwas. Zu oberflächlich säuseln die Gummibären-Synths im Wind, Kylies hauchende Zurückhaltung hilft da nicht weiter. Zweifelsohne jedoch werden die Aerobic-Studios dieser Welt ihre schwitzende Kundschaft mit diesem Lied dauerbeschallen.

Midtempo und stetes 4/4 ist eindeutig Programm, auf der Platte findet sich keine einzige Ballade. "You're getting boring / you're all so boring / and I don't recognize the zombie you turned into", trällert Kylie in "Get Outta My Way" selbstbewusst. Den gleichen Slogan möchte man ihr jeweils nach der Hälfte der meisten Songs auf einem großen Poster entgegenhalten.

Zwar verfügen einige Kompositionen durchaus über Potenzial ("Get Outta My Way", "Put Your Hands Up (If You Feel Love)"), dümpeln nach einem überzeugenden Refrain jedoch meist leblos vor sich hin wie die Fischerboote im verseuchten Golf von Mexiko. Zu beliebig wirken die Synth-Lines, zu repetitiv die Melodien, zu unüberzeugend Kylies Gesangsleistung.

Steckt da noch irgendein Rest Herzblut drin? Ist das überhaupt möglich, wenn soviele Leute die Arbeit für einen übernehmen? Kylie hat einzig an drei Songs ("Illusion", "Too Much" und "Looking For An Angel") mitgeschrieben. Die Feststellung, dass sie somit eigentlich nicht viel mehr als mit dem Arsch zu wackeln und rumzuträllern hat, ist durchaus berechtigt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die "Pop-Prinzessin" kaum von jedem x-beliebigen Castingopfer.

Einzig "Cupid Boy" lässt aufhorchen. Der Song stampft überraschend düster und erinnert im minimalistischen Intro und Outro gar an She Wants Revenge. Zum ersten Mal auf der Platte nimmt man in Kylies Stimme so etwas wie ein bisschen Seele wahr, der Refrain gerät gar richtiggehend euphorisch.

Nach "Looking For An Angel", das locker in ein Set der Spice Girls gepasst hätte, und der klassischen Disco-Nummer "Can't Beat The Feeling" mit massig Cowbells (!) kann man Kylie am Ende gar nicht richtig böse sein. Wie sollte man auch, bei so viel sauberfraulicher Harmlosigkeit? Leider kann man von der Musik - einmal mehr - nichts anderes behaupten.

Trackliste

  1. 1. All The Lovers
  2. 2. Get Outta My Way
  3. 3. Put Your Hands Up (If You Feel Love)
  4. 4. Closer
  5. 5. Everything Is Beautiful
  6. 6. Aphrodite
  7. 7. Illusion
  8. 8. Better Than Today
  9. 9. Too Much
  10. 10. Cupid Boy
  11. 11. Looking For An Angel
  12. 12. Can't Beat The Feeling

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