14. Juni 2011

"Berlin ist die Stadt, in der Künstler leben wollen"

Interview geführt von

18205 Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem Städtchen Christchurch in Neuseeland und der vermeintlichen Weltstadt Berlin.Wer eine solche Strecke überwunden hat, um zumindest vorübergehend in der Hauptstadt Deutschlands zu leben, den stören auch die rund 480 Kilometer Luftlinie zwischen Berlin und Köln nicht.

Dort treffen wir bei herrlichem Sonnenschein auf eine gut gelaunte Ladi6, die im wahren Leben auf den Namen Karoline Tamati hört. Im Rahmen ihrer Promotour für das neue Album "The Liberation Of ..." steht am Abend ein Halt im Club Bahnhof Ehrenfeld auf dem Programm. Zuvor nehmen sich Ladi, ihr Produzent und Partner Parks sowie Drummer Julien Zeit für ein Interview mit laut.de

Ihr scheint ein gutes Verhältnis zu Deutschland zu haben. Ihr seid jetzt schon zum zweiten Mal für einige Monate nach Berlin gezogen, ein Titel auf dem Album heißt "Köln". Was läuft da zwischen Euch und Deutschland?

Ladi6: Wir kamen hier mit unserem ersten Album "Time Is Not Much", um das Mastering hier zu machen. Wir haben uns einfach in Berlin und das ganze Umfeld verliebt. Es ist ein ganz spezieller Ort und fühlt sich an, als würde man da als Künstler unbedingt leben wollen. Wir kamen im letzten Jahr zurück und blieben für sechs Monate. Wir haben "The Liberation Of …" in Berlin aufgenommen, also mussten wir natürlich wieder kommen und zeigen, was wir da eigentlich gemacht haben.

Parks: Der Titel "Köln" heißt so, weil ein paar Freunde von mir und Julien hier ein Studio in der Red Bull Music Academy haben. Sie waren so nett und überließen und das Studio für eine Woche oder so. Einen der Beats musste ich einfach "Köln" nennen, weil die Stadt sich einfach einbrannte. Ich war natürlich inspiriert von der Zeit hier und habe auch ein paar Platten gesampelt, die ich hier gekauft habe.

Was ist denn das Besondere an Berlin, an Köln und Deutschland? Worin unterscheidet sich Deutschland von Neuseeland beispielsweise?

Julien: Ich glaube der Unterschied ist, dass wir nicht in der südlichen Hemisphäre sind. In Berlin zu leben erlaubt uns, hier im Norden zu sein und durch Europa zu touren. Berlin ist von den Lebenshaltungskosten her eine vergleichsweise günstige Stadt und hat einen sehr schönen Vibe. Wir mögen außerdem die Deutschen, ihre Arbeitsweise ergibt Sinn. Alles ist sehr rational, sehr effizient aber gleichzeitig auch entspannt, was sehr reizvoll für uns ist.

Andere nennen das Langweilig.

Julien: Nein, auf keinen Fall. Das ist für mich eher erfrischend, nachdem ich schon an anderen Orten der Welt war. Es ist schön, Leuten zu begegnen, die Manieren haben und wo zu sein, wo die Dinge pünktlich geschehen.

Ladi6: Außerdem gibt es in einer Stadt wie Berlin genügend interessante Abschnitte, viele interessante Kunstgalerien aber auch Clubs und alle möglichen Arten von Musik. Leute kommen nach Berlin, um bestimmte Musik zu machen. So hatten wir die Möglichkeit, einige Künstler zu sehen, die wir in Neuseeland niemals hätten sehen können, weil es einfach zu weit weg für sie ist.

Ich glaube Deutschland hat noch einen weiteren kleinen Vorteil. Ich habe in der neuseeländischen Presse oft gelesen von „Ladi6, die Cousine von Scribe“, der ein berühmter Rapper in Neuseeland ist. Hier in Deutschland bist du nur Ladi6.

Ladi6: (lacht) Absolut, und das ist auf jeden Fall etwas, was uns auch gereizt hat. Der Fakt, dass wir hierher kommen können und in gewisser Weise neu anfangen können. Einerseits natürlich in der Art, welche Musik wir machen wollen, andererseits aber auch in der Form, wie wir wahrgenommen und dargestellt werden. Hier zu sein fühlt sich wie eine Möglichkeit an, etwas Neues, etwas Frisches zu machen.

Du magst diese Assoziation also nicht ...

Ladi6: Doch, natürlich. Er ist mein Cousin, wir sind miteinander aufgewachsen und sind sehr eng miteinander. Aber es ist auch schön, selbstständig zu sein und das Label, seine Cousine zu sein abzustreifen.

"Blumentopf ist eine großartige Band"

Abgesehen von den Städten habt ihr auch mit einem deutschen Produzenten zusammengearbeitet: Sepalot von Blumentopf. Wie kam die Kollaboration zustande?

Parks: Sepa und Ladi haben schon vorher auf Neuseeland an einem Stück gearbeitet. Wir haben gemeinsam mit Sepalot und Omegah Watts eine Show in Australien gespielt, wo wir uns kennengelernt haben. Er hat dann später in Neuseeland Urlaub gemacht. Er hatte einen Track, von dem er dachte, dass Ladi perfekt passen würde: "Go Get It". Als wir dann nach Deutschland kamen hat er uns geholfen, das Album aufzunehmen. Er hat viel zum Album beigetragen, hat produziert, aufgenommen und das ganze Album gemischt und uns sein Studio benutzen lassen. Auch bei der Veröffentlichung haben er und sein Partner Deirdre von Eskapaden (Sepalots Label, Anm. d. Red.) uns in Deutschland und anderen Teilen von Europa geholfen. Er hat einen wichtigen Anteil an "The Liberation Of ..."

Ihr habt auch mit Blumentopf zusammen gespielt, oder?

Ladi6: Ja, wir haben ein paar Shows gemeinsam gemacht. Unter anderem auch auf dem Splash Festival vor einer riesigen Menschenmasse. Sie waren sehr gut zu uns, wir haben uns gut verstanden. Blumentopf sind eine großartige Hip Hop-Band.

Lasst uns etwas über dein Album sprechen. Du hast in der Vergangenheut einige Tragödien erlebt, wie der Tsunami in Samoa oder das Erdbeben in deiner Heimatstadt Christchurch. Hatten diese Erlebnisse Einfluss auf das Album?

Ladi6: Nein, nicht direkt. Aber natürlich hatten diese Dinge eine gewissen Effekt. Musik ist natürlich generell eine Art, zu entfliehen und ich bin sicher, dass diese Tragödien in einer gewissen Art auf herauskommen. Aber wir haben nicht speziell dazu Songs geschrieben.

Ich hatte den Eindruck, dass "The Liberation Of …" etwas fröhlicher ist als "Time Is Not Much"

Ladi6: Ja, auf jeden Fall. Diesen ganzen Tragödien zu entkommen und hierher zu kommen fühlte sich in gewisser Weise befreiend an. Nicht nur wegen der Tragödien, sondern eben auch, diesem Umfeld zu entfliehen und seine kreative Seite zu entdecken.

Parks: Ja, die Platte hat ein paar mehr Uptempo-Beats verglichen mit dem ersten Album. In der Zeit, in der wir in Neuseeland lebten, spielten wir eben nur in Neuseeland und Australien. Das ist irgendwie ein ewiger Kreislauf, wo du auch nicht so häufig spielen kannst. Wir kamen dann in ein neues Land, wo wir so viel arbeiten mussten, um das Album fertig zu kriegen und den Leuten mitzuteilen, dass Ladi6 da ist. Wir haben viel mehr Shows gespielt und vier härter daran gearbeitet als jemals zuvor. Das hat sich auch auf das Album ausgewirkt. Viele der Änderungen, die wir gemacht haben, sollten einerseits bei Live-Auftritten wirken und andererseits einen guten Song auf der Platte ergeben. Wir wollten, dass unsere Show sich von den anderen unterscheidet, als wir durch diese unbekannten Orte tourten und vor Leuten spielten, die uns noch nie zuvor gehört hatten.

Also ist der Umzug auch Teil der Befreiung, der "Liberation". Geht es denn eigentlich um die Liberation Of Ladi6?

Ladi6: Ich habe dem Album den Titel gegeben, weil ich damals wirklich sehr befreit gefühlt habe. Ich habe mich aus musikalischer Sicht sehr viel erfahrener Gefühlt als zu der Zeit, als ich "Time Is Not Much" gemacht habe. Damals war ich im Studio irgendwie gehemmt und schüchtern. Parks hat damals erst angefangen zu lernen, wie man Beats macht. Wir waren wirklich sehr unerfahren. Es hat vier Jahre gedauert, "Time Is Not Much" zu machen. Es war eine wahre Ausbildung, wie man ein Album macht. Und bei "The Liberation Of ..." wussten wir, wie wir genau das Album machen konnten, das wir machen wollten. Wir haben wirklich schwer gearbeitet, um dieses Album innerhalb von zwei Monaten aufzunehmen. Wenn du fühlst, dass du alles unter Kontrolle hast, was du machen möchtest, ist das ein sehr befreiendes Gefühl. Du gehst genau diesen Weg, den du gehen willst. Das Album handelt tatsächlich von der Liberation Of Ladi6, aber auch von der Liberation aller anderen, die mitgewirkt haben.

"Wir haben ein paar unglaubliche Bands in Neuseeland"

Ich hatte auch diesen Eindruck, als ich "The Liberation Of …" gehört habe. Als ich "Time Is Not Much" gehört habe, habe ich sehr viel Fat Freddys Drop herausgehört. "The Liberation Of …" ist viel direkter Soul und viel direkter Hip Hop.

Ladi6: Ja, eindeutig. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass wir damals DJ Mu von Fat Freddy's Drop als Co-Produzenten dabei hatten. Er hat natürlich seine Note auf "Time Is Not Much" hinterlassen. "The Liberation Of …" war einfach nur ich, Parks und Sepalot. Ich stimme dir zu, das hört man definitiv raus.

Die ewigen Vergleiche mit Fat Freddy's Drop stören dich also nicht? Das ist irgendwie die typische Reaktion in Deutschland, wenn man Musik aus Neuseeland hört.

Allgemeines Gelächter

Parks: Nicht nur in Deutschland, in Neuseeland ist es auch so

Ladi6: Es ist eigentlich überall so, sie sind schließlich eine sehr wichtige und entscheidende Band. Aber nein, mich stört das nicht, wenn wir in die gleiche Sparte gesteckt werden. Wir haben ein paar unglaubliche Bands in Neuseeland und ich glaube, es ist nur logisch, dass die internationalen Medien uns alle in die gleiche Schublade stecken.

Hast du das Gefühl, deine Befreiung tatsächlich gefunden zu haben?

Ladi6: In Bezug auf die Musik zweifellos. Ich fühle mich auf jeden Fall deutlich sicherer und ich glaube, dass das bei "The Liberation Of …" im Vergleich mit "Time Is Not Much" auch deutlich heraussticht.

Ich hatte den Eindruck, dass du noch immer suchst, und dass da noch immer eine Art von Sehnsucht ist. Du singst sehr oft von "Places you have never been before" beziehungsweise "I'll take you to places you habe never been before"

Ladi6: Ich glaube, dass es als Künstler wichtig ist, immer neugierig zu sein und immer zu suchen. Was passiert, wenn du damit aufhörst? Dass ist so eine progressive Sache, glaube ich. Letztlich glaube ich schon, dass es noch viel mehr zu lernen und zu gewinnen gibt. Ich glaube, deswegen rede ich so oft darüber.

Und weiß du, wo diese Orte sein könnten?

Ladi6: Ja, ich glaube, wir haben schon eine gute Idee, wohin wir zumindest musikalisch wollen und was die Zukunft von Ladi6 sein wird. Ich glaube, auch die nächste Scheibe wird einen offensichtlichen Fortschritt bringen.

Du singst einen Song über deine Cousine Jazmine, der ein wirklich schöner Nachruf ist, wie ich finde. Kannst du etwas über den Titel erzählen?

Ladi6: Ich wollte keine Ballade oder einen wirklich traurigen Song schreiben. Textlich wollte ich vielmehr an den Status erinnern, den sie in meinem Leben hatte. Sie war etwas älter und ich blickte mein ganzes Leben zu ihr auf, wie das jüngere Familienmitglieder eben machen bei den Älteren. Ich wollte ihr Leben lieber feiern als eine langsame, traurige Downbeat-Nummer zu machen.

Das ist dir gelungen, glaube ich. Ich habe noch ein paar weitere Assoziationen, wenn ich die Platte höre. Zum Beispiel höre ich definitiv De La Soul heraus, besonders bei "Goodday".

Parks: Ich habe Hip Hop während der "Goldenen Ära", wenn du das so nennen willst, mit De La Soul, A Tribe Called Quest, Slum Village und so weiter. Damals verliebte ich mich, wenn du das so willst. Bei "Goodday" beziehe ich mich auf die 80er, auf Boogie und auf Funk, Prince und George Clinton und solche Sachen. Es gibt also mehr Referenzen als De La, aber ich bin ein großer Fan und fasse das definitiv als Kompliment auf.

Außerdem höre ich Souls Of Mischief bei "98 'till Now" heraus

Ladi6: Ja, absolut. Soul Of Mischief, Pharyde, das sind so die Rapper, die ich mir angehört habe, als ich damals angefangen habe. Es ist toll, dass du das hörst, denn wenn du diesen Eindruck hast, haben wir etwas richtig gemacht (lacht).

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