laut.de-Kritik

Die verlorene Tochter von Missy Elliott und Eminem - gezeugt auf Speed.

Review von

Wer es fertig bringt, in Jay-Zs Büro zu marschieren, ihm in Gegenwart von Usher und L. A. Reid auf Kommando ein bisschen was vorzutragen und sich dabei nicht vor Angst in die Hosen zu machen, hat Respekt verdient. Wer ein derart wahnwitziges Album wie "Public Warning" einrappt, dem gebührt ein Vertrag beim Traditions-Label Def Jam. Und wer dabei gerade einmal gute eineinhalb Meter misst, der (oder besser: die) trägt den Titel "the biggest midget in the game" vollkommen zu Recht. "Make way for the S-O-V!"

"Love Me Or Hate Me", diese Frage stellt sich mir erst gar nicht, wenn Lady Sovereign zum Mic greift. In vieler Hinsicht steckt die Kleine aus Wembley einen Großteil der männlichen Kollegen und so gut wie alle mir bekannten aktiven Ladies tief in die Tasche ihres Kapuzenpullis. Für den Vergleich bekomme ich vermutlich ein britisches Brett über den Schädel, denn: "But hear what I'm a different kinda specimen." Doch wenn Lady Sovereign losschnattert, meint man, mit der verlorenen Tochter von Missy Elliott und Eminem konfrontiert zu werden - gezeugt auf Speed.

"I can't dance, I can't sing. I can only do one thing, and that's be Lady Sovereign." Aus dem gleichen Munde wie diese Flows tönt die gnädige Erlaubnis an die Konkurrenz, ihre Spucke vom Trottoir schlürfen zu dürfen, süß wie triefender Honigseim. Wenn, wie in "Random", mädchenhafter Gesang auf fiese Raps trifft, wird überdeutlich: In dem kulleräugigen, bezopften Girlie-Jeckyll steckt eine ausgewachsene Mrs. Hyde. "Smoking kills, and so do my lyrics."

Lady Sovereign spielt mit unzähligen Zitaten und Anspielungen, "from ABBA to Shabba, hip hop, grime and ragga". Aufmerksame Hörer begegnen "Brown Girl In The Ring", Genesis, "Waterloo", und nicken in "9 To 5" den Kopf zu einem Beat, der sogar Kollegen Oriwall zu scharfsinnigen "Das ist doch, das ist doch ... !"-Ausbrüchen trieb. Erkennen Sie die Melodie? "If you happy and you know it clap your hands." Klatsch, klatsch.

Durch all diesen Irrwitz führt eine großartige Entertainerin, wie selten eine britischere vor ein Mikrofon trat. Wenn Lady Sov, in ihren Hoodie gewandet, einen dampfenden Haufen auf das Mode-Diktat setzt, wenn sie in "Those Where The Days" eine typische Hip Hop-Jugend skizziert (nur, dass sich diese nicht in Brooklyn oder der South Bronx, wohl aber in London abspielte), und wenn sie dann grandios komisch diejenigen verarscht, die sich einen vermeintlich angesagten US-Akzent zuzulegen versuchen, dann gilt: "This is my England, I'm letting you know now."

In der Rap-Suppe findet sich kein einziges Haar. Nur für einen Part im Remix zu "Love Me Or Hate Me" schaut (und ich sag' noch!) Missy Elliott vorbei. Abgesehen davon schaukelt Lady Sovereign ihr Baby alleine. Auf die Hilfe von Feature-Partnern ist sie ebenso wenig angewiesen wie auf jemanden, der ihr zeigt, wo's lang geht: "And who taught me? Nobody! I did it all by myself, you can't stop me."

Das einzige, das den Spaß an "Public Warning" (leider erheblich) schmälert: Ich hätte dieser tollen Frau mächtigere musikalische Rückendeckung gegönnt. Die Tracks bersten schier vor guten Einfällen. Dicke Bässe erreichen Dancehall-Qualität. Schräge Bläser, Gitarren, Spuren von 80er-Synthiepop, New Orleans-mäßige Trauermärsche inklusive Rührtrommel, Claps, Drums, weichmachergetränkte Plastik-Sounds, zuweilen finster knarzende Bässe, eine Spur Punk und ein Computerspiel-Rodeo: eigentlich mehr als genug für drei Alben.

Verglichen aber mit bedrohlichen Grime-Monstern, wie sie beispielsweise Virus Syndicate an den Start brachten, bleiben die Beats hier eher wenig packend bis zahnlos. Die Vorstellung, wie Lady Sovereign erst abgehen könnte, steckte man sie in ein beliebiges Instrumental von BC400s "The Antidote" ... hrrr!

Trackliste

  1. 1. 9 To 5
  2. 2. Gatheration
  3. 3. Random
  4. 4. Public Warning
  5. 5. Love Me Or Hate Me
  6. 6. My England
  7. 7. Tango
  8. 8. A Little Bit Of Shhh
  9. 9. Hoodie
  10. 10. Those Were The Days
  11. 11. Blah Blah
  12. 12. Fiddle With The Volume
  13. 13. Love Me Or Hate Me (Remix) ft. Missy Elliott

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30 Kommentare, davon 10 auf Unterseiten

  • Vor 17 Jahren

    Die Anonymität des Internets erlaubt mir unverschämterweise anzumerken, dass Missy nicht beim Remix von "9 to 5", sondern bei dem von "Love Me Or Hate Me" vorbeischaut.
    Ansonsten sehr gute Review, war grad heute im Laden, um mir nach 3 Monaten endlich mal wieder ein Album zu holen, komme nach Hause, gucke auf laut.de und merke, dass genau dieses gereviewt wird. Sehr geil!
    Aber wieso wird man erst jetzt auf dieses schon länger erhältliche Teil aufmerksam?

  • Vor 17 Jahren

    STOP IT RIGHT THURRR, sophisticator :D Don'tcha f**k wid da DAN!

    Und zu dir, du überfliegerische Boombox mit bestem Geschmack: Geiles Review! Make way for da S-O-V, süss und gewitzt, hell yeah baby!!! Thx for dat, freddy!

  • Vor 17 Jahren

    Lady s-o-v ist super! :ill: endlich.

    "See you've got to do some items for Channel U"
    Channel Who? I'm in Hertford for a snooze
    "Ohhhhh! Channel U!"
    The ones who made me huge! Like Katie Price's boobs!
    Oops I'm being rude! Where's my Red Bull and my sand-a-wich? I need food!
    I can't handle this I'm getting pissed like pampers throwing a tantrum