laut.de-Kritik
Ein Trost in schweren Zeiten.
Review von Philipp KauseEs ist Krieg, und "um uns brennt die Welt / alles, was noch zählt / ist die Hand, die einen hält". Deswegen ist Laith Al-Deen "Dein Begleiter". Der heute 52-Jährige fand früh seinen charakteristischen Stil. Deutschsprachige Texte, die jede:r versteht, die einigermaßen abstrakt sind und sich damit für viele denkbare Situationen eignen, mit einem Hang ins Alltagsphilosophische. Rundherum soulig angehauchter Pop. Oft, so auch jetzt in "Taumeln", orchestral-pompös und pathetisch. Aktuell versetzt Laith seinen Sound gerne mit Überbleibseln aus Synth-Schlager ("Neu Geboren"), 90er-Eurodance ("Geschichte Schreiben"), Chris de Burgh-Ballade ("Hör Auf") und Handclap-Folktronic ("Paket Hoffnung").
Der Singer-Songwriter aus dem Raum Mannheim/Karlsruhe pflegt für gewöhnlich ein negativ geprägtes Weltbild, in dem "dunkle Wolken" ("Dein Begleiter"), "Schatten" ("Mosaik", "Taumeln") und der kälteste Sturm ("Kennst Du Das Auch") regieren, außerdem Ängste ("Geschichte Schreiben", "Taumeln") und speziell "Angst, Sachen anzufangen" ("Alles Anders"). "Ich seh nur Ich, ich seh kein Wir", konstatiert "Paket Hoffnung" angesichts von "Menschen, die über Leichen gehen". In "Kennst Du Das Auch" fragt er in einem Schlüsselsatz der Platte, ob man das auch kennt, "wenn das Leben so weh tut, dass man denkt / es ist alles zu spät?!" - Um so auffälliger wirkt ein rundum positiv gestimmtes Lied, "Dafür Lohnt Es Sich Zu Leben", ein schmissiges Stück Nonstop-Handclap-Plug-In.
Mit den Elementen 'einander helfen und verzeihen' und einem repräsentativen 'Otto-Normalmensch'-Alltag baut der Gitarrist, Percussionist und Sänger seine Song-Kulissen. Der Titeltrack profitiert von einer massiven und bezaubernden Orgel. Sie umschmeichelt effektvoll Laiths modulationsreiche Vocals, die wieder mal einen Hang ins Falsetthafte verfolgen. "Ich bleib solange / bis der Scheiß hier vorbei ist / In schwierigen Zeiten bin ich dein Begleiter / der an deiner Seite (...) Fühlst du dich einsam, weil alles schwer und nichts leicht wirkt / bin ich dein Begleiter / ich halte dich fest."
Das Klavier-getragene "Taumeln" erzählt melodramatisch, wie Person A, der Ich-Erzähler, gerne Person B "Halt geben" will, ein häufiges Motiv dieses Albums. Beim "Paket Hoffnung" bezieht es sich auf den öffentlichen Raum und die aktuelle Kriegs-Szenerie. Da könnte "die Hand, die einen hält" vielleicht eine Art Helmut Schmidt statt Olaf Scholz sein. "Doch dieses Paket Hoffnung wurde noch nicht zugestellt."
Al-Deen referiert auf die Generation seiner Eltern, Ostermärsche und Friedensbewegung. Noch mehr Halt sucht "Kennst Du Das Auch": "Wir sind nur manchmal wie Kinder / nur keiner da, der uns hält." - In "Taumeln" also geht die Geschichte so weiter: Während Person A gern "deine Richtung, wenn du nicht weißt, wohin" wäre, übernimmt Person B die Rolle des Haltgebens. "Du nimmst mir meine Ängste / bist meine Zuversicht / Ich schwör, sobald ich kann / bin ich all das auch für dich." - Stoff, nach dem deutsche Radio-Morning-Shows lechzen.
Die andere Klavierballade "Familie" wäre für dieses Setting fast schon zu anspruchsvoll und ist ein weiterer Anspieltipp. Sie ist wie eine Rede formuliert, wohl mit Gedanken zum 'Eindringen' eines neuen Stiefpapas in eine bestehende "Familie". "i>Ich werde Fehler machen, und sicher gibt es auch Streit / Wir wachsen zusammen und lernen zu verzeihen." - Laith hat viel Content, bringt viel Gefühl ein, wechselt zwischen verschiedenen musikalischen Schattierungen und bleibt dem treu, was er seit je her macht. Manch seichte Stelle müsste nicht wirklich sein. Doch mit gut der Hälfte der Tracks liefert Laith neue Perlen für seinen stattlichen Song-Katalog.
2 Kommentare mit 7 Antworten
Liebe Redaktion, gönnt dem Bild auf der Portrait-Seite des Künstlers doch mal ein Update. Ich habe erst gedacht, das wäre jemand ganz anderes.
Vielen Dank!
Wieso "Vielen Dank"? Jetzt ist da Doug Heffernan. Wer war es vorher, Frasier Crane?
Eher so ein alternder James Dean.
Sorry, James Al-Deen meinte ich.
"Laith hat viel Content, bringt viel Gefühl ein, wechselt zwischen verschiedenen musikalischen Schattierungen und bleibt dem treu, was er seit je her macht" - Dem ist nichts hinzuzufügen. Bin seit 2004 Fan von Laith al Deen und als treuer Konzertgänger (dein Begleiter) kann ich nur empfehlen, sich mal einen Abend live mit der Band zu gönnen. Das ist nochmal eine neue Welt, die richtig Spaß macht. - Ein tolles neues Album!
Top Nick!
Wuppi, Allah, ich grüße dich!
Seht, es ist Michael Wuppertal! Gleich neben Dorian Düsseldorf!