laut.de-Kritik

Der Unterhalter am Klavier.

Review von

Unter dem unscheinbaren Titel "Saint-Saëns" eröffnet der Pianist Lang Lang seiner zahlreichen Hörerschaft fast zwei Stunden Musik. Er unternimmt einen klanglichen Streifzug in das Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts und interpretiert Werke der französischen Romantik.

Ihren Charme verdanken sie den anmutigen Melodien, die damals so vielen Komponistinnen und Komponisten unseres Nachbarlandes in die Feder flossen. Noch faszinierender ist aber ihre Neigung zum Experiment: Die romantische Kunst wendet sich gegen starre Konventionen. Man lehnte ein musikalisches Regelwerk ab, das die Einfälle immer wieder nur zum Einlenken in vertraute Bahnen zwang. Dabei stieß man auf unerhörte Klangfarben und neue, vielschichtige Harmonien. Diesen Erfindergeist, diesen Esprit hört man den Kompositionen auch heute noch an.

Zum Namenspatron und Leitstern hat Lang Lang sich Camille Saint-Saëns gewählt. Der Komponist, der von 1835 bis 1921 lebte, hat seine Epoche durch ein phasenübergreifendes und facettenreiches Werk mitgestaltet. Diesen Facetten geht der chinesische Pianist weiter nach, indem er sein Programm um einige Stücke anderer Tonkünstler ergänzt. Ravel, Fauré, Debussy und Delibes finden darin Platz. Außerdem lenkt Lang Lang die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Komponistinnen Lili Boulanger, Louise Farrenc, Charlotte Sohy und Mélanie Bonis – ein sehr begrüßenswertes Unterfangen.

Dass der Pianist mit diesem einigermaßen speziellen Programm erfolgreich ist, verwundert kaum. Es liegt nicht nur an seiner technischen Perfektion. Über eine solche verfügen viele ausgebildete Musikerinnen und Musiker. Lang Lang ist ein gern gesehener Gast in Konzertsälen und Talkshows, weil er sein Publikum bestens unterhält. Das merkt man auch dem vorliegenden Album unverkennbar an. Der 'Star-Pianist' sorgt für Abwechslung: Er agiert in Begleitung des renommierten Gewandhausorchesters, im Klavier-Duo mit seiner Ehefrau Gina Alice und als Solist. Zu Gehör bringt er Saint-Saëns' populäre Phantasie "Karneval der Tiere", die mit humorvollen Tonbildern durch die zoologische Welt schweift. Anschließend erklingt das äußerst virtuose Klavierkonzert Nr. 2.

Ein Hang zur Unterhaltung muss auch in den heiligen Hallen der Hochkultur nichts Schlechtes bedeuten. Der übertriebene Ernst ist – wie überall sonst – auch hier sehr lächerlich. Jedoch wird die Unterhaltung, so scheint es mir, für Lang Lang zum musikalischen Verhängnis.

Oft interpretiert er die ausgewählten Stücke zu grell: Er reizt ihr klangliches Geschehen im Übermaß aus. Lyrische Stellen werden durch Rubato und Kunstpausen zerdehnt. Unter großzügigem Einsatz des Pedals plätschert und säuselt es. Dagegen prasseln virtuose Passagen mit aller Wucht auf Hörerinnen und Hörer ein. Dieses Manko, das besonders in der Aufnahme des Klavierkonzerts hörbar wird, zieht sich durch die gesamten Einspielungen des Albums. Das geht auf Kosten der Raffinesse und Leichtigkeit, der verspielten Ironie, die hier stets hinter der Oberfläche lauert. Es wäre besser gewesen, die Kompositionen nicht gar so sehr beim Wort zu nehmen, zu ihren Effekten stärker auf Distanz zu gehen und einen eigenen Ansatz zur Interpretation zu entwickeln. Unterhalten hätten die ausgesuchten Stücke dennoch – auf ihre ganz eigene Weise.

Trackliste

  1. 1. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - Ia. Introduction
  2. 2. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - Ib. Royal March of the Lion
  3. 3. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - II. Hens and Cocks
  4. 4. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - III. Wild Asses
  5. 5. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - IV. Tortoises
  6. 6. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - V. The Elephant
  7. 7. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - VI. Kangaroos
  8. 8. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - VII. Aquarium
  9. 9. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - VIII. Personages with Long Ears
  10. 10. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - IX. The Cuckoo in the Depths of the Woods
  11. 11. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - X. Aviary
  12. 12. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - XI. Pianists
  13. 13. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - XII. Fossils
  14. 14. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - XIII. The Swan
  15. 15. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - XIV. Finale
  16. 16. Saint-Saëns: Piano Concerto No. 2 in G Minor, Op. 22 - I. Andante sostenuto
  17. 17. Saint-Saëns: Piano Concerto No. 2 in G Minor, Op. 22 - II. Allegro scherzando
  18. 18. Saint-Saëns: Piano Concerto No. 2 in G Minor, Op. 22 - III. Presto
  19. 19. Ravel: Pavane pour une infante défunte, M. 19
  20. 20. Debussy: Petite Suite, CD 71 - I. En bateau
  21. 21. Debussy: Petite Suite, CD 71 - II. Cortège
  22. 22. Debussy: Petite Suite, CD 71 - III. Menuet
  23. 23. Debussy: Petite Suite, CD 71 - IV. Ballet
  24. 24. Fauré: Requiem, Op. 48 - VII. In paradisium (Arr. Naoumoff for Piano)
  25. 25. Delibes: Lakmé - Flower Duet (Arr. Naoumoff for Piano)
  26. 26. Saint-Saëns: 6 Etudes, Op. 111 - No. 6, Toccata d'après le cinquième concerto
  27. 27. Fauré: Pavane, Op. 50 (Version for Piano)
  28. 28. Farrenc: 30 Etudes, Op. 26 - No. 10 in F-Sharp Minor. Adagio
  29. 29. Sohy: 4 Pièces romantiques, Op. 30 - No. 4, Romance sans paroles
  30. 30. Tailleferre: Valse lente
  31. 31. Bonis: Miocheries, Op. 126 - No. 13, La toute petite s'endort
  32. 32. Boulanger: D'un jardin clair
  33. 33. Saint-Saëns: Carnival of the Animals - XIII. The Swan (Arr. Naoumoff for Piano 4 Hands)

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15 Kommentare mit 24 Antworten

  • Vor 9 Monaten

    Belanglanglos: max. 2/5 2/5

    • Vor 9 Monaten

      Kommt selbstredend nicht an die Relevanz von Bushido ran, meinst du? Immerhin scheinst du reingehört zu haben.

    • Vor 9 Monaten

      Das Relevanzometer hat bei Bushido genau einmal 5/5 auf der nach oben durch den Leibhaftigen gedeckelten Torch-Skala angezeigt: als er in dem Song Saint-Savant (einer Hommage an den frühen Socken-in-die-Hosen-so-wie-die-Franzosen-Rap)
      "Lang Lang" (warum auch immer: englisch ausgesprochen) auf
      "Gangbang"
      reimte. Mehr kann ich dazu ungehört beim besten Willen nicht beitragen.

  • Vor 9 Monaten

    Deutschraphörer bewerten Klassik. Genau mein Humor.

  • Vor 8 Monaten

    Ah das ist ja süß. Da schreiben Leute Kommentar die sich nie klassische Musikanhören würden. Und erzählen sie wären angeblich in einem Konzert von ihm gewesen.
    Solche Kommentare sind auch sehr Lang Langweilig.

    • Vor 8 Monaten

      "Ah das ist ja süß."

      So süß wie deine verzweifelten Versuche, sarkastisch zu sein?

      "Da schreiben Leute Kommentar die sich nie klassische Musik anhören würden."

      Woher weißt du das? Ich persönlich als versnobter Snobsnob hab durchaus schon einiges an Klassik gehört. Und selbst wenn nicht, kann man sich doch trotzdem über seinen Namen ein bisschen lustig machen.

      "Solche Kommentare sind auch sehr Lang Langweilig."

      Jop, man merkt, wie sehr es dich lang langweilt und gar nicht auf aufregt.

    • Vor 8 Monaten

      Ja, richtig unwahrscheinlich, dass man in der 10. Klasse so ein Konzert besuchen muss, mit der Schule :rolleyes:
      Hast meine Hochstapeley galant offenbart.