laut.de-Kritik

Fröhlich? Nein, verführerisch.

Review von

Allein schon mit dem Cover ihres vierten Albums beweist die Engländerin Mut: Statt ihr durchaus hübsches Gesicht vorteilhaft in Szene zu setzen, wie es wohl viele junge Singer/Songwriterinnen getan hätten, zeigt sie ihre Rückenansicht in einer merkwürdigen Pose, sodass nur ihre ausgestreckten, nackten Arme und ihre blondgefärbte Mähne zu sehen sind. Dazu noch im Blitzlicht und vor schwarzem Hintergrund, nur um noch gespentischer wirken. Dabei ähnelt sie eher einer Taube, der Ozzy Osbourne gleich den Kopf abbeißt, als dem im Plattentitel zitierten Adler.

So verletzlich Laura Marling vielleicht erscheint, so stark gibt sie sich in ihren Texten. Die Lieder entstanden vor dem Umzug nach Los Angeles in London, in einer kleinen Dachwohnung, deren winzige Terrasse den Blick auf die Dächer der Stadt freigab. In Gesellschaft eines Plattenspielers habe sie sich Gedanken über den Sinn des Lebens im Allgemeinen und ihre Daseinsberechtigung als Musikerin im Besonderen gemacht, erklärt Marling.

Die Lieder erzählen die Geschichte einer jungen Frau namens Rosie, die sich in Begleitung eines Vogels durchs Leben schlägt. Ob Marling dabei die Beziehungen zu Verflossenen wie Charlie Fink (Noah And The Whale) oder Marcus Mumford verarbeitet, bleibt zweitrangig. Ihre Musik begibt sich jenseits der persönlichen Ebene und hat eher einen philosophischen Charakter.

Zwei Wörter fallen auffällig oft: "Ich" und "naiv". Wobei die Naiven meist die anderen sind, und die Hauptdarstellerin eine verletzliche, dennoch starke Frau bleibt. "I will not be a victim of romance / I will not be a victim of circumstance / Chance or circumstance or romance / or any man", stellt der Titeltrack gleich zu Beginn des Albums klar.

Mit 16 Stücken und 63 Minuten fällt es ungewöhnlich lang aus. Ungewöhnlich war auch die Herangehensweise im Studio. Marling steuerte Gitarre und Gesang bei, Produzent Ethan Johns übernahm fast alles andere, darunter Klavier, Tablas oder Streicher. Dazu streute er Geräusche, die den Stücken Verträumtheit und zugleich eigenwillige Bedrohlichkeit verleihen. Denn eines bietet die Platte sicherlich nicht: fröhlichen Folkpop.

Marlings Stimme ist hoch, ruhig, verführerisch. Doch verzichtet sie auf Refrains sowie herkömmliche Songstrukturen. Eher als an ihr großes Vorbild Joni Mitchell erinnert ihr minimalistischer Zugang immer wieder an Lou Reed, der es geschafft hat, sein philosophisches Lebenswerk auf kaum mehr als einem Akkord aufzubauen.

Verzerrungen gibt es bei Marling gleichwohl keine, die Auseinandersetzungen finden in den Texten statt. "You wanna a woman who will call your name / It ain't me babe / No no no it ain't me", erklärt sie in "Master Hunter". Und zitiert nebenbei Bob Dylan. Die erste Singleauskopplung aus einem Album, das keine Singles enthält, wie sie stolz erklärt. Aber so ist es nun mal, steht man bei einem großen Label wie Virgin/ EMI/Universal unter Vertrag.

Das instrumentale "Interlude" ist so etwas wie der Scheitelpunkt des Albums. Der Einfluss traditioneller britischer Musik, der sich schon in "Devil's Resting Place" zeigte, wird nun stärker. "Undine" könnte mit seinen zwei gezupften Gitarren fast als klassisches Folk-Stück durchgehen, wie auch "Where Can I Go", "Once" oder "When Were You Happy?". In "Pray For Me" sorgt gar eine verstärkte Gitarre für etwas Tempo.

Schließlich kommt es zum entscheidenden Gespräch. "Why did you run / from everyone? / Who only tried to love you / Rosie, only tried", fragt der Vogel in "Little Bird".

Love is the answer, natürlich. Nicht, dass Rosie in die Arme eines hübschen Prinzen fällt, doch sieht sie in menschlicher Nähe den Ausgang aus ihrer Misere. "Life is heavy / When you're no master's son / When you're ready / Into my arms come", heißt es im abschließenden "Saved These Words".

Ihren Kopf behält Laura Marling am Ende fest auf ihren Schultern. Mehr noch: Mit "Once I Was An Eagle" schuf sie ein Album mit zeitlosem Charakter. Und vielleicht ist ihr Ozzy gar schon mal über den Weg gelaufen, schließlich leben beide in derselben Stadt. Außerdem dürfte Marling ihr neues Alben ungefähr zeitgleich mit Black Sabbath aufgenommen haben. Wobei es in diesem Fall Ozzy gewesen sein dürfte, der angesichts von so viel Gedankentiefe und künstlerischem Mut schreiend davon gelaufen ist.

Trackliste

  1. 1. Take The Night
  2. 2. I Was An Eagle
  3. 3. You Know
  4. 4. Breathe
  5. 5. Master Hunter
  6. 6. Little Love Caster
  7. 7. Devil's Resting Place
  8. 8. Interlude
  9. 9. Undine
  10. 10. Where Can I Go?
  11. 11. Once
  12. 12. Pray For Me
  13. 13. When Were You Happy? (And How Long Has That Been)
  14. 14. Love Be Brave
  15. 15. Little Bird
  16. 16. Saved These Words

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