12. Dezember 2000

"Vor 40 Jahren, das war gerade gestern!"

Interview geführt von

Würde er gute Laune haben? Würde er auf Fragen, die ihm seit Jahrzehnten gestellt werden, patzig reagieren? Einem Mann, dem die Welt den Höhenflug von Reggae-Stars wie Bob Marley und Jimmy Cliff zu verdanken hat, begegnet man eben nicht jeden Tag. Doch alles Bangen erwies sich als unbegründet: entspannt und interessiert beantwortete Aitken all unsere brennenden Fragen ebenso routiniert, wie er nachts um ein Uhr als Headliner des Straßburger Ska-Festivals die Bühne betrat.

LAUT: Wie fühlst du dich heute, Laurel?

Alright, alright, alright.

LAUT: Läuft die Tour bislang gut und ohne Zwischenfälle ab?

Bis jetzt schon. Bei mir gab's auf Tour noch nie Probleme. Ich hoffe, es wird so weiter gehen.

LAUT: Dein neues Album "Laurel Aitken Meets Floyd Lloyd And The Potato 5" stammt ja bereits aus den Achtzigern, ist also ein Re-Release. War das deine persönliche Entscheidung?

Nein, das kam nicht von mir. Aber da die Nachfrage nach dem Album seit langem immer größer wurde, hat sich Grover Records entschieden, die Scheibe wieder zu veröffentlichen.

LAUT: Seit deinem neu eingespielten Greatest Hits-Album "The Story So Far" von 1995 werden wieder verstärkt alte und verschollene Aufnahmen von dir wieder veröffentlicht. Da wollen wir doch wissen, ob auch neue Kompositionen aus deiner Feder zur Veröffentlichung in Planung sind.

Haha, wir sind gerade mit einem Album fertig geworden. Es heißt "Jamboree" und meine Band ist diesmal die Court Jester's Crew. Letzte Woche war das Ding im Kasten. Und ich glaube, nächste Woche kommt es schon raus. Da sind dann auch neue Songs drauf. Ok, da mögen ein oder zwei alte Sachen mit dabei sein, weil die Leute das hören wollen, aber dann gibt es ja immer noch zehn neue Songs.

LAUT: Hast du die Songs alle selbst komponiert oder hat da auch die Band Mitspracherecht?

Nein, nein, das sind meine Songs.

LAUT: Sowohl textlich als auch musikalisch?

Ja, obwohl einer der Songs von ihnen ist. Also, wie heißt der noch gleich? (überlegt) "Cockroach", genau, so heißt er. Sie haben mich gefragt, ob ich ihn für sie singen würde, und so habe ich ihn eben gesungen. Da ging's aber nur rein um den Gesang. Das ist, wie wenn du mich fragen würdest, ob ich einen von deinen Songs singen würde, you get what I mean? Aber die Court Jester's Crew hat viele Arrangements beigesteuert, sie spielen definitiv eine große Rolle auf dem Album.

LAUT: Einer meiner Lieblingstracks von dir ist der Song "Benwood Dick" aus den frühen Siebzigern. [Textauszug: "Benwood Dick is a man with a long, long cuckoo mackastick"] Worum geht es da eigentlich?

Haha, es geht um einen Mann, der Frauen liebt. (alle lachen) Also, dieser Mann möchte am liebsten mit allen Frauen Liebe machen, die ihm begegnen.

LAUT: Warum spielst du diesen Song nie live?

Ach, ich mag diesen Song nicht mehr aufführen. Vor allem in Jamaica gab es damals eine Zeit, in der die Leute ab und an diese Art von Songs hören wollten, diese sogenannten "rude songs" waren sehr beliebt. Aber diese Zeit ist vorbei, you get what I mean? Ich behaupte nicht, dass ich der beste Sänger auf der Welt bin, aber ich möchte einfach nicht, dass die Leute denken, ich könne nur solche rude songs singen. Denn heute muss ich sie nicht mehr spielen.

LAUT: Wenn du auf deine lange, über 40 Jahre andauernde Karriere zurückblickst, ...

40 Jahre? Du meinst wohl, über 50! 40 Jahre, das war gerade gestern! (lacht) Ich bin jetzt 73 und singe seit ich acht bin. Ich bin in Kuba geboren und verließ Kuba mit elf. Deine 40 Jahre reichen also nicht ganz, haha.

LAUT: Na gut, aber gibt es da vielleicht eine besonders schöne Erinnerung, die vielleicht auch wichtig für dich und deine Karriere war?

Nein, da gibt es nichts Spezielles. Mein Grundsatz war und ist: das Leben, das ich lebe, ist das, das ich liebe. Und das ist alles.

LAUT: Du lebst heute in England. Warst du mal wieder in Jamaica?

Ja, vor zwei Jahren. Und im März gehe ich wieder hin. Vorher toure ich noch einmal Europa im Februar und dann geht's los. Ich werde dort einige Musiker treffen und vielleicht bringe ich sie mit hierher, um etwas Promotion zu machen. Leute wie Theo Beckford, ich weiß nicht, ob du ihn kennst, er komponierte den Ska-Klassiker "Easy Snappin'".

Das war ein Riesenhit in den 50ern. Der hat jetzt gerade ein neues Album in Jamaica draußen und will auch einmal hierher kommen. Aber ich werde außer ihm auch andere Freunde treffen, die ich alle mitbringen will ...

LAUT: ... um ein Album einzuspielen?

Yeah, yeah, das wäre doch toll.

LAUT: Bist du eigentlich auch mit anderen Ska-Legenden wie Toots Hibbert von den Maytals oder Desmond Dekker in Kontakt?

Everybody, everybody. Vergiss nicht die Skatalites. Natürlich sehen wir uns nicht jede Woche, aber wenn wir uns dann treffen oder telefonieren, sind wir immer froh, vom anderen zu hören.

LAUT: Gibt es auch Überlegungen dahingehend, mit anderen Legenden eine Aufnahme zu wagen?

Well, mir ist schon klar, dass die Leute auf so etwas warten. Aber wer weiß es schon, verstehst du? Es könnte bald passieren oder auch nicht.

LAUT: Was macht Laurel Aitken zuhause, wenn er nicht im Studio und nicht auf Tournee ist?

Ich mache immer Musik. Immer, verstehst du? Ich trinke nicht und ich rauche nicht, also beschäftige ich mich immer mit Musik. Ich beginne einen Song zu schreiben und beende ihn fünf Monate später, fünf Wochen später oder fünf Tage später. Musik ist, was mich glücklich macht. Obwohl, da fällt mir ein, ich habe auch Spaß am Sprachen lernen. Im Moment lerne ich gerade deutsch.

LAUT: Oh, was hast du denn bereits für Wörter gelernt? Verrate uns doch mal etwas.

Oh no!!! My german is very bad, hahaha. Very bad, I can tell you. Aber ich werde es schon bald lernen. (lacht)
Ich spreche auch französisch, spanisch und italienisch.

LAUT: Stimmt, ich finde deinen spanischen Exkurs auf dem Album "En Espagnol" sehr witzig. Ich mag es.

Oh, du hast es gehört? Gut, schön, es macht mich sehr glücklich, dass es dir gefällt.

LAUT: Laurel, wirst du auch in zehn Jahren noch für uns singen?

Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in zehn Jahren noch das singen und live umsetzen kann, was ich heute tue. Denn in zehn Jahren bin ich 83 Jahre alt. Ich weiß nicht, ob mein Körper das noch mitmacht, you get what I mean? Aber ich wünsche mir, so lange zu singen, wie es eben geht.

LAUT: Es wäre vielleicht einfacher, sich auf's Platten machen zu konzentrieren, um den Strapazen einer Tournee zu entgehen.

Nein, ich muss nach Deutschland kommen. Ich müsste es wirklich tun. (lacht) Ich habe hier einfach so viele Freunde. Ich würde zwar nicht mehr so oft losziehen, aber immer mal wieder müsste ich eben, denn die Deutschen heißen mich immer willkommen. Ganz egal, was passiert.

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