laut.de-Kritik
Der Soundtrack für alle John Shafts des 21. Jahrhunderts.
Review von Daniel StraubDen Film im Kopf der Zuhörer hat Laurent Garnier mit "The Cloud Making Machine" in Gang gesetzt. Doch während damals eine Ambient-Wolke den bildhaften Charakter seiner Musik verschleierte, küsst der Franzose nun das visuelle Potenzial seiner Arbeit mit "Tales Of Kleptomaniac" wach.
Mit seinem Genremix aus Hip Hop, Soul, Electro, Dubstep, Breakbeat, House und Techno ist das Album eine einzige Hymne an die kreative Kraft der Urbanität. In den stets präsenten Bläsersätzen ist "Tales Of A Kleptomaniac" zugleich eine tiefe Verbeugung vor Isaac Hayes' "Shaft"-Soundtrack.
Das mag zunächst ein wenig weit hergeholt erscheinen. Schließlich hat sich Laurent Garnier als großer Techno-DJ und -Produzent in den vergangenen 25 Jahren seinen Eingang in die Geschichtsbücher der Popmusik gesichert. Sei es als DJ in der legendären Hacienda in Manchester oder als Produzent von Klassikern wie "Coloured City", "Acid Eiffel", "Crispy Bacon", "Sounds Of The Big Baboo" oder "The Man With The Red Face". Wer über Clubkultur spricht, spricht auch über Laurent Garnier.
Wer sich aber die Mühe macht, die große Legende für einen Moment zu vergessen und stattdessen den leidenschaftlichen Musikliebhaber zu sehen, der tut sich leichter mit der Vorstellung, dass der Franzose hier den Soundtrack für den modernen Großstadtdschungel, für alle John Shafts des 21. Jahrhunderts geschrieben hat.
Die Tanzfläche der Clubs ist dabei nur ein Ort, an dem sich Urbanität abspielt. Ihrer Magie huldigt Laurent Garnier mit dem rätselhaften "Gnanmankoudji", der unterkühlten House-Nummer "Desireless" und der bereits vorab veröffentlichten und sofort in den Status eines Klassikers erhobenen Maxi "Back To My Roots".
Das wars dann aber schon mit offensichtlichen Angeboten an die Fraktion der Four-To-The-Floor-Freunde. Mindestens genauso charakteristisch für "Tales Of A Kleptomaniac" ist das nervöse Flimmern von "Last Dance @ Yellow", der orgiastische Breitwand-Sound von "Pay TV", das unruhige Breakbeat-Gezappel von "Bourre Pif" oder der dunkle Rap von "Freeverse". Das große Kunststück, das Laurent Garnier auf gelingt, ist den unterschiedlichen Einflüssen gerecht zu werden und sie sich dennoch unüberhörbar zu Eigen zu machen.
Während sich die allermeisten Produzenten an Nuancen von Subgenres-Definitionen abarbeiten, geht Garnier den entgegen gesetzten Weg. Sein Album funktioniert wie ein großer Fusionsreaktor: zwei unterschiedliche Elemente verschmelzen miteinander und setzen dabei Energie frei.
Als großer Fusionator sieht sich Laurent Garnier auch, wenn er seiner Lieblingsbeschäftigung, dem DJ-ing, nachgeht. Eine Set-Dauer von mehreren Stunden ist für ihn deshalb nicht anstrengende Arbeit, sondern die einzige Möglichkeit seiner Leidenschaft für Musik angemessen Ausdruck zu verleihen. Wer nicht die Zeit für einen mehrstündigen Clubbesuch hat, der bekommt mit "Tales Of A Kleptomaniac" Laurent Garnier in komprimierter Form.
3 Kommentare
Schöne Review, ein sehr vielschichtiges und abwechslungsreiches Werk vom Meister, obwohl es nicht ganz an die Genialität und das düstere Großstadtfeeling von "The Cloud Making Machine" herankommt. Sicherlich aber eines der besten elektronischen Alben in diesen Jahr.
Hängt immer noch im Kopf fest. Ein fantastischer Genre- Mix mit viel Liebe zum Detail, tollen Beats, unterschiedlichen Stimmungen und Atmosphären, gekonnt in Szene gesetzt. Mein Album des Jahres bis jetzt.
Wirklich gut, das Album.