laut.de-Kritik
Neue Songs und Cover machen das Album zum Spektakel.
Review von Ulf KubankeSchon wieder eine Liveplatte von Leonard Cohen? Brachten die frühen Jahrzehnte seiner musikalischen Karriere viel zu wenig konzertante Momente hervor, ist "Can't Forget: A Souvenir Of The Grand Tour" schon die mittlerweile vierte Veröffentlichung seines Bühnenschaffens binnen weniger Jahre. Doch auch die vorliegende Aufzeichnung bietet ausschließlich Juwelen. Neue Songs, erstmals gespielte Cover und Livetracks, die auf keinem der Vorgänger vertreten sind, machen das Album zum Spektakel.
Bei näherer Betrachtung offenbart sich der musikhistorische und dokumentarische Wert der einzelnen Werke recht deutlich. "Live In London" betont die Gitarrenseite der Lieder, "Live In Dublin" hebt hingegen die Geigenarrangements hervor. Das aktuelle "Can't Forget" fokussiert sich auf Raritäten und neuen Stoff.
Auch Cohens Band klingt 2012/2013 noch homogener und mehr mit ihm verwachsen als ehedem. Ganz egal ob Alex Bublitchis Violine oder Javier Mas' Gitarre: Alle Instrumente stehen Cohens Stimme so verbunden wie Körperteile zur Seite. Das Ergebnis ist eine organische Klanglandschaft, die man höchst selten - meist nur bei uralten Jazzcombos - findet. Sogar die unvermeidbaren Co-Sängerinnen, Sharon Robinson und die Webb-Sisters, wirken deutlich weniger anstrengend als sonst. Gleichwohl bleibe ich weiterhin bei der These, das Cohens charismatische Stimme für sich allein absolut verzaubert und keine Sidekicks schmachtender Country-Elsen benötigt.
Die Aufnahmen selbst beschränken sich nicht ausschließlich auf den Vortrag vor Publikum. Stattdessen gewährt die Hälfte der Tracks dem Hörer einen Einblick in die Soundchecks. Eine ebenso seltene wie gelungene Idee. "Field Commander Cohen" etwa offenbart die obig erläuterte Perfektion der Band in herausragender Tonqualität. Alles schiebt sich so filigran ineinander, als höre man ein Studiorecording.
Die Songauswahl ist ähnlich erlesen. Das anmutige "Night Comes On" ("Various Positions", 1984) spielte er - wenn überhaupt - höchstens 1985. Hier veröffentlicht er erstmals eine offizielle Liveversion. "Joan Of Arc" stammt von seinem wohl besten Album, dem finsteren "Songs Of Love And Hate". Es ist in Cohens Katalog einer seiner Kernsongs wie "Hallelujah". Nachdem das tragische Kriegerinnenlied auf den letzten Liveplatten unverständlicherweise keine Berücksichtigung fand, erstrahlt es hier als melancholisches Duett und Hymne an Eros sowie zum Untergang verurteilte Liebe.
Ein covernder Cohen ist ebenfalls mehr als ungewöhnlich. Zwei Fremdwerke gibt er zum besten. Zum einen "Choices" von George Jones. Das Lied ist der einzige Schwachpunkt in der Setlist. Immer wenn Leonard zwischendurch seine Vorliebe für nölige Country-Schmonzetten auslebt, scheint er mehr Spaß an der Sache zu haben, als das in solchen Momenten eher höflich als enthusiastisch applaudierende Publikum. Cohen weiß das natürlich und kommentiert das Klatschen selbstironisch mit "Thank you for your generosity!" Allein für diesen lakonischen Moment der Komik lohnt sich ein Anhören des Stücks.
Weitaus mächtiger ist "La Manic", eine chansoneske Arbeiterromanze des frankokanadischen Songwriters Georges Dor. Cohen spielt das auch in Frankreich populäre Lied höchst selten. Dennoch hat es eine besondere Bedeutung. "Ich lebe in Montreal, einer sehr französischen Metropole im sehr französischen Land Quebec. Als englischsprachiger Autor befinde ich mich hier fast schon im Exil als eine Art Randgruppenschreiber. Dummerweise spreche ich nicht gut genug französisch, um nicht ein Fremder in der eigenen Stadt zu sein. Dennoch funktioniert das Miteinander. Das alles ist sehr kanadisch, ich weiß."
Die beiden neuen Songs "Got A Little Secret" und "Never Gave Nobody Trouble" zeigen Cohens deutliche Hinwendung zum Blues, die ihm und seinem Timbre im Alter so gut zu Gesicht steht. Beide hätten sich passend in "Popular Problems" eingefügt. Insgesamt bietet "Can't Forget: A Souvenir Of The Grand Tour" somit für jeden etwas und kann sogar jene Cohen-Fans reizen, die glauben, bereits alles im Schrank zu haben.
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