laut.de-Kritik

Mit der Halbwertszeit einer Snapchat-Nachricht.

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Vom Reiterhof ins Tonstudio: Bibi-Blocksberg-Darstellerin Lina Larissa Strahl, oder der Catchyness halber jetzt einfach nur Lina, steigt vom Pferd und begibt sich auf musikalische Solo-Pfade. Mit der ersten Verfilmung der Hörspielserie "Bibi & Tina" gelang Lina bereits mit 16 Jahren der Durchbruch als Schauspielerin. Doch schon vor ihrer Karriere als Zauberkünstlerin machte Lina musikalisch von sich reden, als sie 2013 den KiKa-Song-Contest "Dein Song" mit dem Titel "Freaking Out" gewann. Zuletzt ließ das Rap-Battle "Mädchen Gegen Jungs" aus dem dritten Teil die Views auf YouTube in den zweistelligen Millionenbereich steigen.

Mit "Official" legt Lina nun ihr Debüt vor, und ein Blick in den Text der Promo-Beilage verrät bereits, welche Inhalte die 18-Jährige in den 15 Songs verarbeitet. Kein Absatz kommt ohne Emojis aus, die Linas Werdegang mit ihren quietschig bunten Grimassen unterstreichen. Man ahnt: Das ist Musik für die Generation Z, bei der der Selfie-Stick noch vor der Zahnbürste im Reisekoffer landet. So dreht sich Linas Welt vor allem um die Themen Jungs, Chillen und "Kein Bock" auf etwas haben. Vor allem aber Jungs.

Der Opener "Ohne Dieses Gefühl" lädt mit wummernden Herzschlag-Beat und Wohlfühl-Riff zur klanggewordenen WhatsApp-Konversation. Das bitte nicht im übertragenen Sinne verstehen, denn Lina soll große Teile ihrer Texte auf "Official" als Nachricht und als Voicemail per Messenger an ihren Produzenten geschickt haben. Aus den einzelnen Versatzstücken entstanden dann eingängige Tracks über das Verliebtsein, das unglücklich Verliebtsein und darüber, dass die andere Seite unglücklich verliebt ist.

Dabei darf auch das Lästern nicht fehlen, das Lina zusammen mit ihrem Leinwandpartner und ehemaligem Y-Titty-Komiker Phil Laude in "Sie Reden Ja Eh" thematisiert. Die beiden drehen den guten Rat aus dem Ärzte-Song "Lass Sie Reden" einfach um: "Komm wir geben ihnen endlich einen guten Grund zu reden / Denn sie reden ja eh". Am Ende landet sowieso alles in irgendeinem sozialen Netzwerk. Was Lina und Phil hier jedoch als Reime durchgehen lassen, schrammt schon hart am lyrischen Grundschulniveau vorbei. Mit einem zugedrückten Auge lassen sich Wortkombinationen wie "schlecht / echt" und "dran / daran" bestenfalls als zweckmäßig bezeichnen. So haben Text und Musik die Halbwertzeit einer spontanen Snapchat-Nachricht. Linas Konzept als Smartphone-Songwriterin geht voll auf.

Vielleicht sollte man sich aber nicht den Kopf über die Inhalte zerbrechen. "Wir sind immer dann am besten, wenn wir aufhören, nachzudenken", stellt Lina in "Das Beste (Geht Ohne Überlegen)" fest. Ratschlag angenommen. Ohne weiteres Grübeln sitzt der Denkapparat doch gleich viel leichter auf den Schultern und nickt entspannt zu exakt dem Bums-Rhythmus, der schon im ersten Song Verwendung fand. Lina und ihre Produzenten liefern jedenfalls unverkrampften Pop ab, der nach vorne prescht und sich dann doch im Kopf festsetzt.

"Der Beweis" dafür, dass es auch anders geht, ist die gleichnamige Ballade auf dem Album. Gut, der Text strotzt nicht gerade vor Raffinesse ("Du bist der Beweis / Dass ich noch längst nicht alles weiß"), aber die langsame Gangart steht der Niedersächsin deutlich besser als Sprechgesang-Duette mit YouTube-Stars. Das gilt auch für "Unser Platz" mit ihrem Schauspielkollegen Tilman Pörzgen, das mit auf Akustikgitarre und Drums reduziertem Sound die traute Zweisamkeit gut rüberbringt. Vor allem Linas Stimme kommt hier besser zum Vorschein, da sie nicht gegen etliche Tonspuren bestehen muss.

Inhaltlich gibt es ab diesem Punkt keine Überraschungen mehr. Entweder läuft es mit den Jungs, oder eben nicht. Liebesgeschichten verpackt zwischen Hashtags und Likes, die in Linas Alter noch so kurzweilig daherkommen wie ihr Songwriting selbst. In Songs wie "Strahlst Du Schon?" stöpseln die Männer an den Reglern auch mal eine Gitarre an einen Amp, was das immer gleiche Klangbild aus dem Pop-Baukasten ein wenig aufbricht. "Ich Brauch Kein Happy End" scheint Lina am Schlusspunkt der LP wirklich ernst zu meinen. Nach einem gruseligen Vocoder-Effekt reißt der grölende Singsang-Chorus jeden um, der nicht kreischend Smartphone-Videos auf den Konzerten ihrer geplanten Tour macht. #einherzfuereltern.

Linas Debüt bewegt sich im Kosmos ihrer Generation. Filme wie der YouTube-Klamauk "Kartoffelsalat" oder Lionts unsäglicher Rap-Fail "Löwenkind" lassen die meisten Menschen, die die 20-Jahre-Marke schon etwas länger überschritten haben, kopfschüttelnd zurück. Von diesem Trash hebt sich "Official" dann aber doch durch eine zwar glattpolierte, aber auch professionelle Produktion ab. Den effektivsten Konter gegen diese Kritik hat Lina schon selbst auf dem Song "Wie Ich Bin" abgeliefert: "Und wenn dir das nicht reicht / Dann tut's mir leid / Dann bist du mir leider zu alt". Treffer.

Trackliste

  1. 1. Wie Ich Bin
  2. 2. Ohne Dieses Gefühl
  3. 3. Sie Reden Ja Eh
  4. 4. Mädchen Mag Das Feuer
  5. 5. Das Beste (Geht Ohne Überlegen)
  6. 6. Kein Bock
  7. 7. Der Beweis
  8. 8. Unser Platz
  9. 9. Idiot
  10. 10. X
  11. 11. Strahlst Du Schon?
  12. 12. Egal
  13. 13. Der Komet
  14. 14. Fliegen
  15. 15. Ich Brauch Kein Happy End

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