laut.de-Kritik

Dem romantischen Schönklang fehlt die Abwechslung.

Review von

"Californian Soil" punktete vor drei Jahren mit clever inszeniertem Indie-Electro-Pop, der Überraschungen parat hielt und sich sehr flexibel zeigte. London Grammar überzeugten auf ihrem dritten Werk. Bei "The Greatest Love" halten sie dieses Niveau nicht ganz, was vor allem daran liegt, dass sie alles in einen melancholischen Sepiafilter tauchen und immer noch zweifelsohne tolle Songs schreiben, jedoch in romantischem Schönklang versumpfen.

Die Hälfte der zehn Tracks schaffen es nicht über dieses Prädikat hinaus. Das fängt schon im mediokren 2Step-Ambient "House" an, bei dem es um das Ziehen von eigenen Grenzen sowie Selbstbestimmung geht. Später treiben die restlichen vier ziellos den Musikfluss entlang. Beim langweiligen "Ordinary Life" ist der Name Programm: Gewöhnlich, unspektakulär, generischer Beat.

"Santa Fe" lässt die Ohren spitzen dank lieblichem Dancehall gemischt mit Folk-Pop, schunkelt sich dann aber rasch in alltagstaugliche Gefilde und lullt eher ein. Der sanfte Upbeat "Kind Of Man" erzählt von Misogynie und Sexismus in Hollywood, mischt noch ein wenig Distortion unter, erzeugt jedoch nicht die Strahlkraft, die es für solche Themen benötigt. "Rescue" wiederum serviert ebenjene und evoziert eine gewisse Sogwirkung, diametral gegenüber stehen jedoch seltsam repetitive Lyrics, die sich wie ein Mantra durchziehen. Sicherlich ungewohnt, wenngleich irritierend im Gesamtkontext des Albums.

Die andere Handvoll malt hingegen die passenden Klanglandschaften für Hannah Reids nach wie vor wundervolle, einnehmende Stimme. Die melancholisch-düstere Ballade "Fakest Bitch" kokettiert mit Akustikgitarre, Piano sowie zaghaften Synthies und unterstreicht die zynisch-resiginierten Lyrics: "People don't change, people stay the same / We are what we are, when you're falling apart / Don't turn to me with the driest, with the driest tears / That you've been fakin', fakin' for years." Die Klaviermelodie hört sich stark nach Coldplay an, was nicht verwundert, da sie lange zusammen auf Tour spielten.

Der romantischer Dreampop "You And I" erinnert an die frühen Massive Attack, mit pittoresken Harmonien schmiegt er sich dem Hörer an. Vor allem der Streicher-Part gen Ende mit Chor wirkt wie die warmen Sonnenstrahlen im Spätsommer. Zudem spielt das Trio die Rhythmus-Sektion live ein. Im erhabenen Indie-Pop "LA" berichtet die Fronfrau von einer schmerzhaften Trennung und die damit verbundene Suche nach einem Abschluss: "Now that I'm here in Los Angeles / I'm in the land of the gods / There's nothing here for me / And if I stay / The pain will only carry on." Ätherisch und mit eleganter Dynamik gespickt, entfaltet sich eine feinsinnige Komposition.

Das glasklare Highlight kommt fast am Schluss: Das tieftraurige "Into Gold" beherbergt zunächst lediglich dunkle Synthies, zur zweiten Strophe gesellen sich loopende Vocals, Beat und Schlagzeug hinzu, gefolgt von einer elektronischen, experimentellen Bridge, was sich zu einer beeindruckende Soundwand aufbaut. Eine Hannah in Bestform verarbeitet Verlustängste und Herzschmerz. Bezaubernd und kraftvoll.

London Grammar gehen mit einem Knall: Der Titeltrack mimt den Closer mit verträumten, großen Gesten und vielen sich überlagernden Tonspuren, die sich einer gewissen Epik nicht entziehen. "The Greatest Love" bietet viel Ästhetik, sie nutzen sie nur nicht so divers wie sonst. Das größtenteils behäbige Tempo, die überaus gefälligen Melodien und die konsistente Weichzeichnung passen zwar zum nahenden Herbst, untergraben ein wenig die Fähigkeiten des Trios. Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Songs auf alten Demos fußen und man sich dann auf einen Sound einigen musste.

Trackliste

  1. 1. House
  2. 2. Fakest Bitch
  3. 3. You And I
  4. 4. LA
  5. 5. Ordinary Life
  6. 6. Santa Fe
  7. 7. Kind Of Man
  8. 8. Rescue
  9. 9. Into Gold
  10. 10. The Greatest Love

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