laut.de-Kritik
Wahnsinns Comeback der Mutter aller Elben-Musik.
Review von Ulf KubankeDie Musikwelt anno Domini 2018: Zwölf lange Jahre dauert mittlerweile die Abwesenheit der "Ancient Muse". Verwaist lag das Land danieder; leichte Beute für Gaukler und Scharlatane, die alle Magie in Schlagerkitsch verwandelten. Endlich und mit Macht kehrt nun die Mutter aller Elbenmusik zurück und weist sämtliche Thronräuber in verdiente Schranken. "Lost Souls" bietet erstmals seit 2006 wieder ein vollwertiges Studioalbum und Loreena McKennitt pur.
Im Grunde betrug die Wartezeit sogar zwei volle Dekaden. Das letzte wirklich gute Album "The Book Of Secrets" erschien 1997. Und in ihren allerbesten Momenten, wie dem Überalbum "The Visit" (1991) war sie die keltische Schwester von Lisa Gerrard/Dead Can Dance. Genau an diesem Punkt knüpft "Lost Souls" endlich wieder konsequent an.
Da trifft die warme keltische Harfe auf charakteristische Perkussion und Orient auf anglo-irischen Folk. Ganz besonders stark gerät McKennitts Gesang. Im Gegensatz zu vielen Genre-Kolleginnen drängt sie den Liedern ihre Stimme nicht auf, sondern gibt sich ganz und gar hin.
Als Meisterin des kraftvollen Hauchens portioniert sie dramaturgisch notwendiges Anheben und Abebben. Fast unheimlich scheint in diesem Zusammenhang die vollkommen alterslose Energie ihres Vortrags. Obwohl sich die Sängerin mittlerweile längst jenseits der 60 befindet, klingt6 sie auf den aktuellen Aufnahmen keine Stunde älter als auf frühen Kulttracks wie "Bonny Portmore" oder "The Lady Of Shallot".
"The Lady Of Shallot" erschien vor knapp 30 Jahren als kongeniale Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Alfred Lord Tennyson. Hier nimmt Loreena den Faden erneut auf. William Butler Yeats' "The Ballad Of The Fox Hunter" sowie John Keats' "La Belle Dame Sans Merci" bezaubern in McKennitts anmutiger Deutung.
Geschickt entzerrt sie die hochkulturellen Zeilen durch Beigabe rein atmosphärisch fungierender, graziösarrangierter Instrumentals ("Manx Ayre", "Sun, Moon And Stars"). Der Albumtitel selbst reflektiert übrigens nicht - wie oft vermutet - die momentane Weltlage, sondern nimmt Bezug auf ein paar Grundideen McKennits aus den frühen 90ern. Jene Skizzen passten nicht zu den Konzepten späterer Alben, gingen ihr gleichwohl nie aus dem Kopf. Drei, vier Fragmente arbeitete sie für diese Platte aus und entriss die Lieder ihrer Verlorenheit.
Zwei dieser Stücke eignen sich besonders als Anspieltipps. "Spanish Guitars And Night Plazas" besticht mit zum Crescendo anschwellenden Flamenco-Gitarren. "Ages Past, Ages Hence" glänzt mit berückendem Cello zwischen Elgar und Elrond sowie einnehmend gesungener Melodie.
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