laut.de-Kritik
Wertkonservativer Roots-Reggae vom Messenger.
Review von Dani FrommMancherorts handelt man ihn als neuen Propheten des Roots-Reggae, als legitimen Nachfolger Bob Marleys. Ob man wirklich den Vergleich mit der Galionsfigur des Genres zücken muss, bleibt dahin gestellt. Ohne Frage jedoch danken wir es Künstlern wie Garnett Silk oder eben Luciano, dass die ihrer Tradition verpflichtete Spielart der jamaikanischen Volksmusik im digitalen Dancehall-Zeitalter nicht völlig unterging.
Mit "Jah Is My Navigator" liefert der wie am Fließband produzierende Sänger ein weiteres rundes Stück Conscious-Reggae. Wie so oft in diesem Bereich findet sich inhaltlich kaum etwas Neues. Schon die Titel machen deutlich: Hier werden traditionelle Felder beackert.
Luciano preist Jah the Almighty, seinen lebendigen "Navigator", in jeder Hinsicht. Die Hymne an die Heimat "Sweet Jamaica" darf nicht fehlen. Wer ein tüchtiger Botschafter sein will, wird natürlich keineswegs die künftigen Generationen aus den Augen verlieren: "I'm on a mission to wise up the youth."
Dazu gesellen sich Love-Tunes sowie der obligatorische Blick in Richtung der alten Heimat auf dem Schwarzen Kontinent: "African Liberty" stellt seit jeher eins der zentralen Themen im Rastafari-Kontext. So weit, so klassisch.
Langweilig also? Beileibe nicht! Wie wohlvertraut die Inhalte auch scheinen, Luciano peppt diese mit musikalischem Einfallsreichtum auf, wie man ihm nicht alle Tage begegnet: "Music is the spirit of life." Druckvolle Drums, meist virtuos gespielt von der kundigen wie routinierten Hand eines Sly Dunbar, verleihen dem alles beherrschenden Groove unwiderstehliche Dynamik.
"Far I" bildet einen vor Zuversicht und Positivity übersprudelnden, reichhaltigen Einstieg, bevor sich der Titeltrack eine Spur nachdenklicher, entsprechend langsamer, mit markanten Bläsern und gegenläufigen Rhythmen wie mit Widerhaken ins Gehör krallt. "I give thanks for life and everything" - inklusive reichhaltiger Reggaenummern wie dieser.
In "No Evil" geht es mit vollem Bläseraufgebot funk-lastig zu, während sich "Never Give Up" mit einer Spur 60er-Kuschelsoul schmückt. Durch "Trod Out" orgeln die Keyboards, als habe Jackie Mittoo auf einen Sprung im Studio vorbei geschaut. Das unter anderem durch "Wise Up Youth" quäkende Saxophon steuert Produzent Dean 'Cannon' Fraser höchstselbst bei.
Bass und Percussion veredeln "Wish You Were Mine", in "Jah Live" groovt der Bass mit der Gitarre um die Wette. All die Instrumente, so auch die stellenweise recht üppigen Backgroundgesänge, scheinen allerdings nur ein Ziel zu verfolgen: Sie bereiten ein weiches, nie erdrückendes Bett für die fesselndes Lead-Vocals.
Wie Lucianos Gesang jeden einzelnen Nerv trifft und vibrieren lässt, zeigt sich besonders deutlich, wenn er fast für sich allein steht: zu schlichter Pianobegleitung in "Hard Herbs" etwa, oder in "Darkness". "Darkness hold me down." Möglicherweise. Diese Stimme jedoch hält nichts, aber auch gar nichts am Boden. Mehrere Hektar Gänsehaut, die er generiert, sprechen eine deutliche Sprache: Nicht umsonst gilt Luciano als einer der besten Sänger im Geschäft.
Das von Akustikgitarre begleitete Duett mit der starken Partnerin Rochelle Bradshaw gerät derart hübsch, dass einen die Idee, "Paradise Lost" könne vielleicht kitschig sein, gar nicht erst ereilt. Wenn Luciano gemeinsam mit Andrew Tosh in gut gelaunter "Hoppla, jetzt komm' ich"-Manier "I'm The Tuffest" wieder aufleben lässt und Frasers Saxophon dazu vor Lebensfreude überzuschnappen scheint, bin ich sicher: Papa Peter wäre mit dieser Interpretation seines Klassikers hochzufrieden.
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