laut.de-Kritik
Klingt, als liege man angeschossen in der Ecke.
Review von Sven KabelitzLucinda Williams ist sauer. Nein, das trifft es nicht wirklich. Sie ist angepisst. Von unserer Welt angewidert, spuckt sie ihre Wörter mehr aus, als das sie sie singt. Dabei fanden die Aufnahmen zu "Good Souls Better Angels" noch VOR der Covid-19-Pandemie statt. Kaum auszumalen, wie das Album jetzt klingen würde.
Kein Geheimnis, dass sich die einst so klare Stimme der Sängerin in den 41 Jahren seit ihrem Debüt "Ramblin'" stark verändert hat. Doch diesmal liegt sie in Trümmern. Aus diesem Rümpelhaufen sprechen nun 67 Jahre geballte Lebenserfahrung. Roh und ungefiltert.
Auch musikalisch hat sich einiges geändert. Bestimmten Country, Folk und Roots Rock 1998 noch ihren Meilenstein "Car Wheels On A Gravel Road", so kniet "Good Souls Better Angels" tief im staubtrockenen Blues-Rock. Mit Gitarrist Stuart Mathis, Bassist David Sutton, Schlagzeuger Butch Norton und Organist Mark T. Jordan bekommt die Sängerin und Gitarrist dabei Unterstützung von ihrer Stammband. Zusammen erringen sie ein erdrückendes Album, gezeichnet von verkrusteten Narben. Eine düstere Atmosphäre bestimmt den Longplayer.
Die wütenden Texte handeln von häuslicher Gewalt, Depression, Drogenmissbrauch und rechnen mit der Politik in den Vereinigten Staaten ab. "Grundsätzlich fällt die Welt auseinander", erklärt Williams. Durch ihren direkten Zorn bleiben leider die gut erzählten Geschichten der Vergangenheit nun auf der Strecke.
Sie nennt zwar den Namen nicht, trotzdem wird schnell deutlich, an wen sie "Man Without A Soul" richtet: "You bring nothing good to this world / Beyond a web of cheating and stealing / You hide behind your wall of lies / But it's coming down". Er, dessen Name nicht genannt werden darf, scheint durch jede Zeile des sich wie ein angeschossenes Tier voran schleppenden Songs. Eine bittere Abrechnung, die Williams wie die meistens Songs mit ihrem Ehemann und Produzenten Ray Kennedy schrieb. Deutlich kommt hier das an Neil Young erinnernde Gitarrenspiel zum Tragen.
Im zerlumpten "Wakin' Up" erzählt Williams in einer zersplitterten Klanglandschaft eindringlich von häuslicher Gewalt. Ein brutaler Track, durch den sich Williams, jederzeit bereit zum Angriff, knurrt. "Pray The Devil Back To Hell" sticht durch Stuart Mathis Geige hervor.
Die ruhigen Stücke, allen voran das abschließende "Good Souls", geben Raum für ihre ebenso beidruckende wie lädierte Stimme. Nach einem unerbittlichen Album liegt sie angeschossen in der Ecke, findet aber Trost bei Freunden, die ihr zur Seite stehen. "Keep me with all of those / Who help me find strength / When I'm feeling hopeless / Who guide me along / And help me stay strong and fearless." Ein getragenes, würdevolles Finale.
Mit dem in fünfzehn Tagen live in einem Studio in Nashville aufgenommenen "Good Souls Better Angels" gelingt Lucinda Williams zwar nicht ihr bestes, aber ein sehr intensives Album. Anstatt es sich gemütlich zu machen, bleibt sie weiter auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. So gelingt ein unerwartet schmutziges Werk, das deutlich aus ihren bisherigen Veröffentlichungen heraus ragt.
1 Kommentar
Gefällt mir gut. Athmosphärisch dicht und super instrumentiert.