laut.de-Kritik

Authentizitätsfixiert und ein gutes Ohr für melodische Hooks.

Review von

"Tausend Nächte voller Hass und ich pack' sie auf mein Tape." Luvre47 klingt verbittert. Dabei hat der einst zögerliche Feuilleton-Liebling des Straßenraps gerade sein zweites Album innerhalb eines Jahres vorgelegt. "1000 Nächte" bedient sich gleich zu Beginn den althergebrachten Topoi des Genres. Der Berliner erzählt von kleinen und großen Sünden, Karma und Rauschmittel, während die Akustikgitarre seine Nachdenklichkeit unterstreicht. Und auch Enttäuschungen und Vertrauensbrüche nehmen eine bedeutende Rolle ein: "Fühl' mich, wie vom Glück verlassen. Verlass' mich nur auf mich selbst."

Obwohl die großen kommerziellen Erfolge im besten Fall noch vor ihm liegen, verfällt er bereits der genretypischen Paranoia, die bereits Akteure wie Kollegah oder PA Sports fest im Griff hat. "Verrat und Lügen um mich 'rum. Fällt immer schwerer, was zu glauben", berichtet er aus dem "Sumpf". Stets auf den eigenen Vorteil bedacht kriechen die abtrünnigen "Schlangen" aus dem Schilf. "Ich hab' gesehen, wie sie verraten, wie Schlangen die Seiten wechseln", erzählt Luvre47 zu einem Instrumental, das Bedauern transportiert: "Jeder Zweite draußen falsch, ich mach' um die ein' weiten Bogen."

Lieber widmet der Neuköllner allen Machern, Traumjägern und Aussagenverweigerern die Hymne "Für Alle". Deren Arbeitsmoral nimmt sich der angenehm allürenfreie Rapper in "L Blatt" selbst zum Vorbild. "Jeden Tag ackern, nein, kein Stopp, nein." Wie Arbeit klingen dummerweise auch die meisten Texte, die sich ganz auf Rap-Versatzstücke rund um Suchtmittel, die Staatsgewalt und den Steigflug dank der Musik verlassen. Chefproduzent DTP steuert die dazu passende grundsolide Trap-Ware bei, mit der er bereits Nimo, Olexesh oder Celo & Abdi beliefert hat.

Besagter DTP lässt dann auch in "VLC" die Harfe erklingen, um die behauptete Reinheit zu unterstreichen. "Industrie an mei'm Arsch, wollen Seele für Geld, weil L-U ist echt. Man erkennt das", versteift sich Luvre47 wie so viele vor ihm auf Wahrhaftigkeit. Ganz so, als steigere es die Qualität eines Albums, weil es "echt" ist - was auch immer das heißen mag. "Dreh' keine Videos an 'nem Block, an dem du mich nicht siehst", schränkt er sich auch in "Jetski" künstlerisch ein. Der denkbar größte Vorwurf lautet "Jungleboys" gemäß folgerichtig: "Du machst auf Straße in Liedern."

Die Fixierung darauf, besonders authentisch aufzutreten, schadet dem Südberliner gleich doppelt. Denn seine Stimme klingt einzigartig verwechselbar. Zwar beweist er in "Für Alle", "L Blatt" oder "Frei Sein" wiederholt ein gutes Ohr für melodische Hooklines, doch der bemerkenswert geringe Wiedererkennungswert seines Organs erzwingt förmlich eine ausgefallene Inszenierung. "It's mostly tha voice, that gets you up. It's mostly tha voice, that makes you buck", wussten schon Gang Starr, "A lot of rappers got flavor and some got skills. But if your voice ain't dope then you need to chill."

Einzig in "Zeiger Drehen" wagt sich Luvre47 zumindest inhaltlich aus der Komfortzone. Nachvollziehbar schildert der Berliner, wie er seinen Zielen hinterherrennt, während die Zeit unbarmherzig voranschreitet und er seinen Liebsten womöglich nie das Erhoffte bieten können wird: "Nichts bringt mich ab von meinem Weg. Und Dad wird älter im Gesicht. Ja, ich würd' gern' am Zeiger drehen." Trotz klischeehafter Klavierbegleitung gelingt ihm ein kleines Highlight, das sich von seinem konventionellen Straßenrap abhebt, der sich aus falsch verstandener Authentizitätspflicht jede Extravaganz verbietet.

Trackliste

  1. 1. 1000 Nächte
  2. 2. Für Alle
  3. 3. L Blatt
  4. 4. Frei Sein
  5. 5. Ride Or Die
  6. 6. VLC
  7. 7. Jetski
  8. 8. Räuberleiter
  9. 9. Zeiger Drehen
  10. 10. Jungleboys
  11. 11. Stürzen Ab
  12. 12. Sumpf
  13. 13. Dirty South
  14. 14. Traumata
  15. 15. Schlangen

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