laut.de-Kritik
Akustischer Ambient-Pop, so zart wie frisch gefallener Schnee.
Review von Kerstin KratochwillIst solche Musik Schnee von gestern? Ob der österreichische Komponist und Perkussionist Manu Delago gedanklich mit diesem deutschen Sprichwort kokettierte, als er den Titel für sein neues Album auswählte, ist nicht bekannt. Aber "Snow From Yesterday" ist eines der seltenen Konzeptalben, die sich einem Thema spielerisch und sensibel widmen, ohne dabei sperrig zu sein. Zusammen mit dem Vokalensemble Mad About Lemon, bestehend aus den drei Tiroler Sängerinnen Heidi Erler, Mimi Schmid und Anna Widauer, widmen sich die elf Tracks dem übergeordneten Thema Wasser in all seinen Formen von Gletscherbergen über Flüsse bis hin zum kleinsten Tropfen Aquarell.
Die Songs fließen ineinander über und weisen intime Melodiebögen oder rhythmische Strukturen auf. Delagos Spezialität ist dabei das ungewöhnliche Instrument Handpan, eher Klangskulptur denn normale Perkussion. Dieses charakteristische musikalische Mittel macht Delago zum faszinierenden Experten in diesem Bereich, so dass er beispielsweise von der exzentrikverliebten Björk für ihre "Cornucopia"-Tour engagiert wurde. Das Konzept der Platte erinnert derweil an eine andere große Künstlerin, die sich dem Thema Natur und Elemente verbunden fühlt, nämlich Kate Bush, die 2011 mit "50 Words For Snow" eine ähnliche Idee verfolgte. Wo Delago im Track "Little Heritage" die Stimme seiner neugeborenen Tochter verarbeitet, verwendete Bush den Gesang ihres damals 12-jährigem Sohnes Albert McIntosh auf dem Song "Snowflake".
Der Klang von "Snow From Yesterday" scheint leicht und oberflächlich harmonisch, doch unter luftig-sanften Songs wie "Ode To Earth" und "Oxygen" liegen Ängste und Sorgen um unsere Erde und die Klimakatastrophe, die am nicht allzu fernen Horizont drohend lauert. Mit traurigen Blechbläserklängen und natürlich der Handpan schafft Delago einzigartige Klänge, die er mit zarter ambientlastiger Electronica und sparsam eingesetzten Field Recordings anreichert.
So entsteht ein Sound, tosend und treibend wie eine endlose Meeresfläche, in deren Tiefe sich Geschichten von Jahrtausenden verbergen und die mit diesem folkig fließenden Album für die Hörer*innen geborgen werden. Der Mensch erscheint in dieser zeitlosen Musik als Teil eines größeren Ganzen und als einzelner Fluss – der ja schließlich ins Meer mündet.
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