laut.de-Kritik
Die Techno-Mami feiert ihr Comeback.
Review von Daniel StraubZehn Jahre sind eine lange Zeit. Ziemlich genau so lange ist es her, da war die Welt noch bunt wie ein Lollipopp, und Marusha hüpfte mit gefärbten Augenbrauen und schrill leuchtenden Klamotten ganz vorneweg ins Raveland. Sie war das Püppchen der neuen Bewegung schlechthin, das weibliche Pendant zum Frankfurter Techno-Harlekin Sven Väth. Heute sind die bunten Augenbrauen längst Geschichte, und Marusha schwört schon lange nicht mehr auf Rave-Fanfaren-Techno, sondern setzt mit "Offbeat" eine Duftmarke, die nach astreinem Electropop riecht.
Damit führt sie eine Berliner Tradition fort, die Westbam bereits Ende der 80er Jahre in der Mauerstadt etablieren half. Später leisteten Tok Tok mit Soffy O. ihren erfolgsverwöhnten Beitrag zum Berliner Electro-Hype. Und nun profiliert sich das Szene-Urgestein Marusha als den Clubs entwachsene, laszive Chanteuse. Längst vorbei sind die Zeiten von "Over The Rainbow". Zum Glück, muss man sagen. Sonst stünde Marusha vor einem ähnlichen Schicksal wie Scooter, der zwar bei der Grandprix-Vorausscheidung singen darf, sich aber musikalisch schon seit Jahren in einer Endlosschleife dreht und vor aller Welt zum Deppen macht.
Diesen Fehler begeht Marusha nicht. Sie bekundet mit "Offbeat" den Willen und die Fähigkeit, sich auch nach über zehn Jahren im Musikgeschäft noch neu zu erfinden. Zusammen mit den vor Jahren zu Harthouse-Ehren gekommenen Produzenten Tom Wax zog sie sich ins Studio zurück und kam mit zwölf Tracks wieder zurück, die zwischen straighten Floorfillern wie "What Made You Wild" und eher chilligen Ambient-Nummern im Stile von "Erdenlicht" gekonnt den Bogen spannen.
Der dominierende Einfluss auf "Offbeat" sind jedoch klassische Discoelemente, die sie aus ihrer Zeit bei Low Spirit herüber gerettet hat. Gebrochene Electro-Beats wabbern gleich mit dem Opener "Offbeat" aus den Boxen und finden in "We Can Make It" gar ihren Lehrmeister. Viel erstaunlicher als die musikalische Frische, die "Offbeat" auszeichnet, ist die stimmliche Präsenz der Radiomoderatorin Marusha Gleiss. Nichts erinnert mehr an das piepsige Stimmchen vergangener Tage. Längst ist Marusha erwachsen geworden und vertraut wie die Chicks On Speed oder Miss Kittin auf sloganhaft vorgetragene Sprechgesangseinlagen oder flüstert zu dunklen Flächen ihre Liebesbotschaften ins Mikrofon ("Whisper Of Love").
Dass Marusha auch vor Drum'n'Bass-Grooves keine Scheu kennt, wird spätestens mit der Breakbeat-Nummer "Disco-Very" klar, die die stilistische Vielfalt des Albums weiter auflockert und "Offbeat" zu einem abwechslungsreichen Elektronik-Album macht. Mit ihrem ersten Longplayer seit dem 98er Album "No Hide No Run" bringt sich Marusha auf unpeinliche Weise wieder ins Gespräch. Das konnte man nach den plakativen Huldigungen der 'Raving Society' in der Vergangenheit nicht unbedingt erwarten.
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