laut.de-Kritik

Neue Frische im Schmalspurformat.

Review von

Fans nehmen Best Of-CDs häufig zwiespältig auf. Die Künstler hätten sich nicht die Mühe gemacht, neue Songs einzuspielen, kassieren aber dennoch ab. Ebenso regieren die kritischen Augenbrauen, wenn sich Bands nach längerer Abstinenz mit einer EP zurück melden.

Sie hätten sich nicht die Mühe gemacht, ein vollwertiges Album einzuspielen - ist gar die Luft so weit raus, dass die Kreativität zu mehr einfach nicht gereicht hat? Matchbox Twenty wollten 2003 aus einem ähnlichen Grund nicht mehr gemeinsame Sache machen, gehen jetzt aber einen interessanten dritten Weg: "Exile On Mainstream" verbindet die Best Of mit der EP. Ob es sich nun um eine diabolische Kombination von Best-Of-Geldscheffelei und LP-Luft-raus handelt, oder einfach um ein nettes Lebenszeichen an den geneigten Hörer? Vom musikalischen Standpunkt aus gesehen, gibt es an der Neu-Alt-Koalition wenig zu kritteln.

"Exile On Mainstream" ist ein selbstironischer Wink mit dem Zaunpfahl: In einer wabernden Zwischensphäre von Alternative-Rock und Vormittags-Radio spielten sie sich zu einer "großen Ausnahmeerscheinung in der Rockmusik" hoch, wie es der Pressetext formuliert. Die Singleauskopplung "How Far We've Come" rechtfertigt diesen Ruf allemal. Neu-Drummer Ryan McMillan (Push Star) gibt einen schnellen Rhythmus vor. Eine leichte Klaviermelodie, ein bisschen Gitarre und Rob Thomas' Gesang halten Schritt und fabrizieren so schlicht einen Hit. Fast kommt die Lässigkeit von Bloc Party auf. Was den einen freut, ist womöglich des treuen Fans Leid.

Denn fast überall schmeichelt der neue Stoff mit einer britpoppigen Lockerheit und weniger mit raubeinigen Gitarren. "I'll Believe You When" nötigt mit seinen "Oh Oh"-Einwürfen im Refrain nahezu zum Mitsingen. Dazu eine süße, mit einem Xylophon flankierte Melodie, und fertig ist der Zwiespalt. Nett gemeint, harmlos anzuhören, aber der ein oder anderen alte Fan erschaudert. Er oder sie hat Matchbox Twenty gerade für ihre leicht dreckige Saitenschwere und Rob Thomas' beherztes Nuscheln geliebt. Ein 'Badadada' im Hintergrund von "All Your Reasons" macht die Sache nicht besser. Nun ja, eigentlich doch: Denn auch hier hat die Streichholzschachtel objektiv ein feines Stückchen gezimmert, mit einem ordentlich rhythmischen Refrain und etwas weniger Klavier und mehr Stimmen-Reibeisen.

"Can't Let You Go" sechsachtelt sich im typischen Balladentrott dahin. Streicher, ein Drummer-Boy-Rhythmus und eine elektronisch leicht verzerrte Bridge machen aus der recht gewöhnlichen Grundmelodie indes eine ansehnliche Ballade. So ist der nahtlose Übergang zum Best Of-Teil als geschickter Schachzug der Band lesbar. Klassiker wie das countryeske "3 am" oder die Banjo-Ballade "Unwell" stellen sich genau auf die andere Seite des musikalischen Repertoires von Matchbox Twenty.

"Höret und staunet, wir haben uns weiterentwickelt", scheint die Band mit dieser Song-Konstellation proklamieren zu wollen. Und tatsächlich ist es durchaus spannend, sich von zehn Jahren Bandgeschichte beschallen zu lassen. Insofern ist "Exile On Mainstream" womöglich tatsächlich als nettes Lebenszeichen gemeint. Bleibt zu hoffen, dass demnächst wieder eine ganze LP folgt. Für den womöglich enttäuschten Fan wiederum bleibt zu wünschen, die Band finde zu alter Frische zurück, wobei ihr die neue eigentlich auch nicht schlecht steht.

Trackliste

  1. 1. How Far We've Come
  2. 2. I'll Believe You When
  3. 3. All Your Reasons
  4. 4. These Hard Times
  5. 5. If I Fall
  6. 6. Can't Let You Go
  7. 7. Long Day
  8. 8. Push
  9. 9. 3 am
  10. 10. Real World
  11. 11. Back 2 Good
  12. 12. Bent
  13. 13. If You're Gone
  14. 14. Mad Season
  15. 15. Disease
  16. 16. Unwell
  17. 17. Bright Lights

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3 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    was, sonst keiner? nach so langer zeit?

    also ich bin seit der ersten platte dabei, und ich muss sagen, dass mir die bisherige entwicklung und die sich abzeichnende richtung zusagt. solange keine einflüsse aus Robs solo-sachen einströmen. die find ich nämlich echt mainstream. und furchtbar.

  • Vor 17 Jahren

    MB20 hat ne neue scheibe draussen? hui... ich bin zwar aus meiner matchboxtwenty-phase schon etwas raus, bin allerdings auch seit der ersten scheibe dabei und empfinde den sound als feinen poprock, der ganz klar etwas eigenständiges ist. die lyrics sind grossartig für liebeskummer oder den besten fick deines lebens :D muss ich mal reinhören.
    thx torti fürs raufholen :)

  • Vor 17 Jahren

    Hab die Platte leider noch nicht gehört, aber Rob Thomas' Stimme :smug: Hab gerade heute Nacht die "Yourself And Someone Like You" gehört und muss sagen, ich mag sie einfach :)