laut.de-Kritik
Er scheißt auf unsere Meinung - angeblich.
Review von Simon ConradsLieber Matthias Schweighöfer,
Ich nenne Dich bewusst nicht "Schweigi" oder "Matze", denn dem Opener Deines neuen Albums entnehme ich, dass Du das nicht so gerne hast. Du singst in "Anfang" auch: "Jeder, der mich nicht kennt, fragt: 'Wieso muss er übertreiben, statt einfach nur beim Film zu bleiben? Schuster bleib' bei deinen Leisten!'" Ich gebe zu, ich bin einer von denen, die genau das denken. Aber nicht, weil ich Leuten nicht gönnen würde, dass sie mal neue Dinge ausprobieren, oder dass Du als Schauspieler nicht auch einfach mal Dein "Hobby", die Musik, auslebst. Eines der Probleme ist, glaube ich, für viele Leute nicht, dass Du das machst, sondern was dabei herauskommt.
"Nimm mir nicht die Musik, sie ist meine Therapie / Deshalb entflieh' ich in Worte und Melodie / Das alles muss raus, darum nehm' ich's auf / Egal ob Filme oder Mukke, alles Kunst und Kunst muss raus", singst Du weiter. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer begraben: Du hast anscheinend einfach ein anderes Verständnis von Kunst. Nehmen wir mal den Song "Lauf" als Beispiel. Nicht nur, dass Du im Refrain den groovenden Sound von Parcels auf öden Deutschpop übersetzt, was wenig inspiriert wirkt. Auch der Text kommt über unpräzise und witzlose Schwärmerei vom Ausbruch nicht hinaus.
Wenn in "Motten" Dein bester Vergleich "Es ist wie es ist / Die Motten fliegen ins Licht" ist, dann sind Deine Vergleiche einfach nicht sonderlich gut. Die Musik dazu klingt ein bisschen schläfrig, aber gar nicht übel, das gestehe ich Dir gerne zu. Die schweren Klavieranschläge kommen in den besten Momenten an die schönsten Stücke von Fynn Kliemann heran. In den schlechteren Momenten, etwa auch in "Ping Pong", erinnern Deine Tracks aber auch an die Überproduktion von Kliemanns Zweitwerk "Pop". Nur weil es Vocal-Effekte wie Autotune gibt, muss man die nicht immer verwenden, Matthias – und für viele Leute sollte ein Album übrigens auch ein wenig Kohärenz aufweisen.
"Eifersucht" ist musikalisch, abgesehen von seiner Glattheit, ebenfalls gar nicht schlecht, aber das darauffolgende "Türkis" macht mit seinem übermäßigen Kitsch alles Wohlwollen, das sich vorher aufgebaut hat, wieder vergessen. "Lass Uns Gehen" zementiert das mit seinen Billo-Clap-Beats noch einmal. Stellenweise fühlt sich die Platte tatsächlich so an, als hättest Du mit findigen Producern mal schnell die Charts analysiert, gecheckt, was gerade populär ist (mehrmals integrierst Du Trap-Beats), um dann lieblose Texte voller Gemeinplätze drüber zu rotzen, etwa in "Schatten", wo es heißt: "Wo du nicht bist, bin ich nicht ich / Wo du nicht bist, da brennt kein Licht / Wo du nicht bist, will ich auch nicht sein."
Für viele Leute ist das keine Kunst, Matthias, sondern weckt er den Eindruck, dass hier jemand seine Plattform nutzt, um mit bestenfalls halbgaren Tracks das schnelle Geld zu machen. Da kannst Du in "Anfang" noch so sehr beteuern: "Ich bin auch nur auf der Suche, so wie jeder."
Am Ende des Tages bist Du nun mal, anders als "jeder", ziemlich reich und berühmt, und wenn Du ein Album aufnimmst, ist Dir Aufmerksamkeit garantiert. Aufgrund Deiner Berühmtheit interessieren sich auch Produzenten wie Nisse für Dich. Mit Deinem Debüt-Album "Lachen Weinen Tanzen" bist Du 2017 auf Platz fünf der Charts geklettert, wo sitzen also die Leute, über deren Kritik Du Dich beschwerst? Hast Du es tatsächlich so schwer mit Deiner Karriere als Sänger? Oder verkennst Du vielleicht eher, dass Dein Einstieg in die Musikwelt, im Vergleich zu vielen anderen Künstlern, eigentlich ziemlich einfach war?
Übrigens muss ich gestehen, dass "Anfang" mein Lieblingstitel von "Hobby" ist, auch wenn ich nicht alle Deine Aussagen toll finde. Aber da wirkst Du trotzdem mal recht ehrlich, ein bisschen wie ein Mensch, der Schwächen eingesteht. Da kaufe ich Dir sogar ab, vielleicht auch weil Du so ruhig flüsterst, dass Du Musik echt gerne magst, dass irgendwo in Dir tatsächlich eine Leidenschaft für Musik existiert. Aber wieder ist es schon der nächste Track, "BEEM", der diesen Eindruck kaputt macht. Der musikalische Tiefpunkt kommt mit dem schrecklich pompösen "Melodie", bei dem man nicht weiß, ob Du das alles eigentlich ernst meinst.
"Wenn du's nicht magst, dann mach doch aus", singst Du in "Anfang" auch noch. Und ganz zum Schluss: "Nenn' mich Kopie, von der Kopie, ey, ich scheiß' auf deren Meinung". Irgendwie glaube ich Dir das nicht so ganz, immerhin klangst Du kurz vorher noch beleidigt. Es ist auch gar nicht so, dass ich alle Deine Musik schlecht finde, Matthias, ich sehe nur eklatante Schwächen, oft aber auch Potential. Wenn Du in Zukunft aufhörst, auf die Meinung Deiner Kritiker zu scheißen, wirst Du mit dem Feuilleton und Musikmagazinen eventuell irgendwann noch grün. Die Bedingung wäre natürlich, dass Deine Stücke nicht nur aus Wiedergekautem bestehen, und dann würdest Du wahrscheinlich weniger Geld damit verdienen.
Liebe Grüße,
Simon
14 Kommentare mit 51 Antworten
Schauspielen kann er übrigens auch nicht.
man muss ihm zu gute halten, dass er auch nie den eindruck erweckt hat, als wolle er das können.
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
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Kann auch sein. Er wirkt auf mich eher wie so ein Ingo, der auf eine sehr penetrante Art von allen gemocht werden will und dafür alles versucht - ob Talent für etwas oder nicht. Deshalb fand ichs auch nie sehr rücksichtsvoll von Leuten, daß sie ihn auch noch tatsächlich mögen.
wollte darauf hinaus, dass er till schweiger 2.0 ist...
In der Hinsicht, wie hemmungslos er sich Scheißrollen in Kackfilmen und der Drecksmusik verschreibt schon. Ich würde ihm aber - im Gegensatz zu Schweiger - noch einräumen, daß er zumindest eine leise Ahnung davon hat, was für einen Müll er abliefert und wie sehr sich die Leute über ihn lustig machen.
stimmt. dann eher schweiger light
dann lieber eher Schwinger light
Fand Kammerflimmern net schlecht - guter Soundtrack, gute Besetzung. Denn Rest vom Till 2.0 kenne ich nicht. Hab ich scheinbar auch nix verpasst.
Hat der Mann eigentlich keine Freunde, die ihm sagen, dass er das lassen soll? Es kann mir doch NIEMAND erzählen, dass der seine eigene Musik hören würde!
Das denke ich mir bei so vielen dieser austauschbaren Schmuse-Bullshitartists. Der kann doch nicht im Studio sitzen, DAS hören und denken:"Gute Arbeit, ich. gute Arbeit."
Gibt es nen Beitrag vom Neo Magazin zu, der ganz interessant ist, auch wenn wenn man ambivalent zu Böhmermann stehen kann. Die 4-5 gleichen Nasen schreiben alle deutschen Formatradioplatten, darum klingen sie auch alle austauschbar. War jetzt aber keine Riesenüberraschung, hat man sich eh schon gedacht. Lustig aber, dass der Sohn von Rolf Zukowski darunter ist, dass sagt viel über die Klientel aus...
das
Chris wird vmtl Newcomer das Monats!
Objektiv betrachtet: Solange es catcht, gut abgemischt ist und sich verkauft, ist es auch gute Arbeit von Produzentenseite. Ich glaube, mehr wollen die auch nicht erreichen.
Chris beschreibt schön, daß er hier für die Rolle des supersympathischen Deutschpopsängers gecastet wurde. Genau so fühlt sich das Produkt an.
Ich erkenne im Video zu "Lauf" tatsächlich sowas wie Selbstironie. Vielleicht tun wir Matze ja unrecht und das Ganze ist nur als Parodie auf diese ganzen Deutschpoeten gemeint. Glaube, so insgeheim ist der einfach eine coole Sau, nur völlig talentlos.
Er hat tolle Haare.
Du auch.
Ist das nicht der Nachbar vom Drachenlord?
Bitte, bitte nicht. Ich möchte so etwas nicht hören.
Geil, mit Alben kann man 'schnelles Geld verdienen'. Da ist einer aber stark in den 90ern hängen geblieben.