laut.de-Kritik

Sinnlichlichkeit und Sexyness.

Review von

Es macht keinen Sinn, der Kunst von Melody Gardot rein rational beikommen zu wollen. Ein Dichter ist immer klüger als ein schlichter Alben-Rezensent, in diesem Falle der Romancier Walter de la Mare. Er schrieb dereinst die Zeilen: "Die Blüte der wilden Kirsche ist empfindlich wie Rauhreif, und so kühl und schön wie Schnee". Er kann damit nur Melody gemeint haben.

Doch beim Opener "Baby I'm A Fool" beschleicht mich eine dunkle Furcht: Sind das nicht diese elenden Allerwelts-Easy Listening-Streicher, die auf Remember-Platten von Natalie Cole, Rod Stewart oder Diana Krall erbarmungslos und klebrig ihr teuflisches Dasein fristen? Entwarnung nach Sekunden, wenn Melodys Stimme erklingt und der Song sanft anschwingt. Die Aufforderung "Kiss me now, don't ask me, how" am Ende des Songs beschreibt vielleicht am besten die noch immer neugierig tastende, fragende und dabei doch stets selbstbewusste Haltung der Künstlerin.

Eine leicht perlende Gitarre entführt ins flirtende "If The Stars Were Mine", und das Song-Ende ist in funkelndes Sternschnuppen-Geflitter getaucht. Spätestens hier wird bereits der Unterschied zum grandiosen Debüt-Album "Worrisome Heart" deutlich. Handelte es sich vor rund einem Jahr noch zumeist um düstere Stimmungen und melancholische Ahnungen, was fraglos der persönlichen Biografie Melody Gardots geschuldet war, springen nun heitere Sonnenstrahlen in den Songs umher. Etwa in einer Jazz-Nummer wie "Who Will Comfort Me": Zu dezenter Orgel und fingerschnippendem Rhythmus erklingt zum Schluss ihr Lachen.

Zwar ist "My One And Only Thrill" weit davon entfernt, auf einmal eine durchweg beschwingte und heitere Melody Gardot zu präsentieren. Die Moll-Töne und der Blues dominieren oft nach wie vor. Doch da sind innerhalb eines Jahres eine Menge sonniger Glanzmomente durch Melodys Kompositions-Gespür gerutscht. Mit beschwingtem Gang schlendert "Les Etoiles" über den Pariser Boulevard der zwanziger und dreißiger Jahre.

Intimität und Fragilität im Verbund mit Leidenschaft gehen einher im verführerischen "Love Undercover". Als schnurrende, willige, doch auch wachsame Blues-Katze streunt Melody in "Your Heart Is As Black As Night" um nächtliche Häuserecken. Bereits mit nur 23 Jahren präsentiert sich die Amerikanerin als selbstbewusste, entspannte Jazz-Lady.

Lustvoll - und hungrig - kostet sie Nuancen und Akkorde, sei es in der Instrumentierung oder Vokalarbeit, aus. An Ausdruckskraft und Variantenreichtum hat Melodys Stimme dazugewonnen. Sanft rollt das Vibrato, und das Ausloten der Möglichkeiten zwischen Höhen und Tiefen erscheint unangestrengt und mühelos.

Noch einmal, zum Ende des Albums, lasse ich erneut Walter de la Mares zu Worte kommen. "Wir wärmen unsere alternden Hände immer wieder an irgendeinem kleinen Feuer, das vielleicht schon vor dreißig, vierzig oder auch sechzig Jahren erloschen ist." Melody weiß das, hat de la Mares Botschaft aufgenommen und verstanden. Und verleiht so Judy Garlands "Over The Rainbow" aus dem alten Zelluloid-Märchen "Der Zauberer Von Oz" einen frischen, duftenden Lebenskuss. Er ist trotz Bossa Nova-Elementen nicht von einem lärmenden Copacabana-Strand erfüllt, sondern verführt fernab allen vorlauten Trubels in eine lichtdurchflutete, versteckte Bucht.

Natürlich erfindet Melody Gardot auch auf ihrem zweiten Album den Jazz nicht neu. Doch wie sie ihn belebt, alten, scheinbar verkrusteten Strukturen neues Leben einhaucht, versehen mit einer ganz besonderen, ganz persönlichen Note: Im Verbund mit ihrer atemberaubend betörenden, sinnlichen Stimme ist das schon ein nicht alltäglich Ding.

Trackliste

  1. 1. Baby I'm A Fool
  2. 2. If The Stars Were Mine
  3. 3. Who Will Comfort Me
  4. 4. Your Heart Is As Black As Night
  5. 5. Lover Undercover
  6. 6. Our Love Is Easy
  7. 7. Les Etoiles
  8. 8. The Rain
  9. 9. My One And Only Thrill
  10. 10. Deep Within The Corners Of My Mind
  11. 11. Over The Rainbow
  12. 12. If The Stars Were Mine (Orchestral Version)

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