laut.de-Kritik

Sommer 2008? Der MySpace-Durchbruch für Metronomy.

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Es federt wie immer, es prickelt und flowt, aber das Verstörende an "Summer '08" ist die Erkenntnis: Es ist nicht das beste Metronomy-Album. Verstörend deshalb, weil es Kreativbolzen Joseph Mount bisher immer gelungen ist, sich selbst zu toppen. Vom 2006er Debüt "Pip Paine (Pay The $5000 You Owe)", das bis heute kein Mensch kennt, über den Nerd-Nachfolger "Nights Out" (2008), der nur bei selbigen Anklang fand, hin zum Mercury Prize-Quantensprung "The English Riviera" (2011), für das Mount plötzlich richtige Hits schrieb, und schließlich gipfelnd in "Love Letters" (2014), dessen Songs einem auch einmal an der Supermarktkasse begegneten. Shoop doop doop aahh, macht sieben zweiundfuffzig.

"Summer '08" heißt die nach nur zwei Jahren nachgeschobene Platte deshalb, weil Mount inne hält und sich an die eigenen Anfänge zurückerinnert. Wie war noch gleich dieser Sommer 2008, als seine Band auf MySpace so richtig durch die Decke ging und er im Zuge dessen die lästigen Klaxons-Vergleiche begann loszuwerden, weil das Geklacker auf "Nights Out" auch diverse Frickler-Zirkel in Kontinentaleuropa und sogar in Brasilien erreichte?

Mount: "Ich lebte in East London und bildete mir ein, dass es in West London total abgehen würde. Es ist schwachsinnig, aber für mich war es damals der privilegierte Teil der Stadt, in dem alle Musiker reiche Eltern haben und in Notting Hill oder Ladbroke Grove wohnen." Die Erinnerung an diese Zeit der Eifersucht mündete in "Old Skool", den Track-Killer des Albums: "You keep your friends, I'll keep my friends / Have a party in the West End / Make some money, make more money / With your new friends throw a party."

Menschen, die Mounts Abwendung von kristallinen Dancetracks in den letzten Jahren bedauerten, kommen hier voll auf ihre Kosten. "Old Skool" rückt das Diktat der Melodie wieder in den Hintergrund. Getreu dem Motto "My spine is the bass line" der alten New Waver Shriekback zäumt Mount das Pferd von hinten auf: erstmal ein fetter Bass mit scheppernder Cowbell, und dann mal sehen, was noch so geht. Behilflich war ihm ausgerechnet Beastie Boys-Partner Mix Master Mike, ein Kindheitsidol des britischen Turntable-Anhängers, der das 80er-Feeling der Nummer auf die Spitze treibt.

"Back Together" funktioniert als Opener ebenfalls hervorragend und geleitet die "Love Letters"- Motownismen mit slappenden Funkbässen, Analogsynths und High Energy-Disco zur Tür. Insgesamt ist "Summer '08" eine Mischung aus den verrückten "Nights Out"-Nächten und dem geruhsamen Aufwachen an der "English Riviera". Was prinzipiell gut ist, den Spannungseffekt aber auch entsprechend mindert. "Miami Logic" klingt wie ein "Nights Out"-Song, eingespielt in der "Riviera"-Phase.

Wie er für "16 Beat" den legendären Auftakt von Human Leagues "Don't You Want Me" nachbaut, später mit "love triangle" noch auf "Bizarre Love Traingle" von New Order anspielt, dabei aber 100 Prozent nach Metronomy klingt, sowas macht Mount so schnell keiner nach. Manchmal tönt "Summer '08" aber so derart nach Reißbrett, dass man es kaum mehr bemerkt. Es fehlen die Peaks.

"My House" bündelt das "Riviera"-Erfolgsrezept zu plakativ, das seltsam flache "Love's Not An Obstacle" hätte erst gar nicht sein müssen. Bei "Night Owl" denkt man jedoch nur am Anfang an den Nachtclub aus "L.A. Confidential", der starke Refrain spielt seine Stärken nach mehrmaligem Hören voll aus (groß auch: "And on their breakfast shows all the FM radio hosts keep playing 'Paparazzi' / I think I loved you most when we were in my Capri.")

Mounts regelmäßig geäußerte Verehrung für Bowie könnte im schwerelos wabernden "Mick Slow" durchschimmern, das die halluzinogenen "Low"-Momente mit interessantem Falsettgesang kombiniert. Mounts Verehrung für Robyn hätte er allerdings besser auf einem ihrer Alben ausgelebt: "Hang Me Out To Dry" lebt von der raumgreifenden Präsenz der 37-jährigen Schwedin und unterbricht die bei Metronomy-Alben stets durchdachte Gesamtstruktur.

So bleibt die überraschende Erkenntnis: Auch ein Joseph Mount kann einmal an einer Hürde hängen bleiben. Selbst schuld, wenn er sie so hoch hängt. Dass uns "Summer '08" im Summer '16 insgesamt trotzdem lässig reinläuft, spricht natürlich für seine Disco-Skills. Get into the groove.

Trackliste

  1. 1. Back Together
  2. 2. Miami Logic
  3. 3. Old Skool
  4. 4. 16 Beat
  5. 5. Hang Me Out To Dry
  6. 6. Mick Slow
  7. 7. My House
  8. 8. Night Owl
  9. 9. Love's Not An Obstacle
  10. 10. Summer Jam

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4 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 7 Jahren

    Text und Wertung vertragen sich nicht.

    Album wird natürlich angehört. Shoop doop doop aahh

  • Vor 7 Jahren

    Die Kollegen von Plattentests inklusive deren Publikum zeigen sich (rein von der Wertung) ebenfalls euphorischer. Hab jedenfalls ungehört zugeschlagen in der Hoffnung, dass Love Letters sein mMn Totalausfall bleibt.

  • Vor 7 Jahren

    Bis jetzt durchwachsen, mal sehen wie es sich entwickelt. Es ist zu aufgedreht um "Love Letters" zu sein, wirkt aber auch nicht so ausgefeilt wie ein zweites "English Riviera".

  • Vor 7 Jahren

    Ich kann mir das nicht lang geben, klingt für mich durchweg einigermaßen langweilig. Was meinen die anderen, ist das ein Grower oder einfach nicht mein Fall? 'Love Letters' hatte sich mir dann doch irgendwann noch erschlossen, aber hier kommt da vorerst gar nichts.

    • Vor 7 Jahren

      Ich hatte noch 3 Durchgänge nach meinem ersten Kommentar hier. Ich finde sie nicht so schlimm misslungen wie die M83, aber wie Du sagst: Weitgehend egal. Als Toni dann die Mitski-Scheibe vorstellte schwand mein Interesse an der aktuellen Metronomy vollends, auch wenn das musikalisch ne ganz andere Kiste ist...