laut.de-Kritik
Pornostar goes Ballerman goes Charts.
Review von Yannik GölzOkay. Statusreport: Ein Pornostar, der schon seit Jahren versucht, ein zweites Standbein als Ballermann-Sängerin aufzubauen, steigt in den Albumcharts auf Platz zwei ein. Nur von Helene Fischer zurückgehalten. Das ist Code Rot für Musikkritiker, denn diese Frucht hängt so tief, man halte sie für eine Knolle. Lässt man aber die Vorurteile beiseite, kann man sich den Schaum vor dem Mund sparen: "Mitten In Mia" ist ein etwas knödelhirniger Malle-Crowdpleaser, aber auch keine völlige Katastrophe.
Besprechen wir erst einmal die zwei fundamentalen Probleme, die die Platte mitbringt. Zum einen ist ihr Messaging diffus. Die Verpackung und der Kontext verleiten zur Annahme, wir bekämen hier auditiven Trash-TV-Softporno wie von Katja Krasavice serviert.
Da muss man "Mitten In Mia" eindeutig Clickbait vorwerfen: Es gibt effektiv einen Song, bei dem es ums Knödeln geht (wir kommen noch dazu), und der ist ganz hinten auf der Tracklist, aber mit, hust, 'provokantem' Titel ("Ich Ficke Gern") prominent beworben. Ein bisschen wie Erotikkomödien, die glauben, mit dem wiederkehrenden Versprechen, in der Schlussszene gebe es noch den Blick auf eine nackte Brust zu erhaschen, würden sie die Aufmerksamkeit der Zuschauerschaft schon durch den Film halten. Mit Erfolg: Scheinbar gab es genug Fleischköpfe, denen der Kauf dieser Platte einfacher vorkam als die komplexe Verwendung des Codeworts "Brüste" auf der obskuren Deep-Web-Suchmaschine "Google".
Wer sich aber in der Hoffnung auf Schweinekram "Mitten In Mia" begeben hat, der muss sich auf eine ganze Menge Vorspiel einlassen. Die ganze Laufzeit des Albums besteht aus Songs über, ... über was eigentlich? Fakt ist, dass Mia Julia das Wort "leben" sehr gerne in Texten verwendet. Ein Tracktitel wie "Lebe, Liebe, Fühle" spricht Bände. Oft gibt sie sich kämpferisch, tritt dafür ein, dass sie ihr Leben leben darf, wie es ihr beliebt und dass nur sie weiß, was sie glücklich macht. Und so sehr man ihr anlasten kann, arg in den gefühlsduseligen Phrasen zu schwelgen, muss man doch konstatieren: Im Grunde hat sie ja recht.
Dass gerade eine Frau aus der Sexarbeit einen großen Impuls dafür mitbringt, der Welt entgegenzuschreien, dass sie machen kann, was sie will, leuchtet ein. Man kann sich vorstellen, wie vielen unangenehmen Menschen sie begegnet ist, die sie zurecht angekotzt haben. Vielleicht würden mehr Details über diese Großkotze und klarere Bilder ihr gut stehen, denn oft verheddert sie sich in Allgemeinplätzen. Was übrig bleibt ist dann das Bild einer Frau, die wahrscheinlich auf Facebook gerne Seiten namens "Freche Sprüche" teilt und in der Bar mehrmals pro Abend betont, dass sie auch als Frau nicht ungerne Bier trinkt, obwohl es schon beim ersten Mal niemanden gestört hat. Aber hey, auch diese Demographien brauchen ihre Musik, also wieso denn nicht?
Das andere große Problem an "Mitten In Mia" ist ein Musikalisches: Es ist auf eine sehr schräge Art und Weise viel ambitionierter, als man es Musik dieser Art zutrauen würde. Von Dorfdisco-Techno über Imagine Dragons-esken Stadion-Pop bis hin zu schmetterndem Pop-Rock probiert sich Frau Julia an jedem Genre, das den typischen Ballermann-Besucher mobilisieren könnte und ist sich nicht zu schade, frontal in jedes Genre-Klischee zu langen. Auf ihren polterenden EDM-Songs klingt sie wie Scooter-meets-Apres-Ski oder ein YouTube-Remake der Swedish House Mafia, lässt es aber bitte niemals aus, die größenwahnsinnigsten Lyrics mitzuliefern. "Licht, Licht, Licht, gebt mir jetzt Licht / Macht euch jetzt bereit / Dieses Meer aus tausend Händen / Hält für die Ewigkeit/".
In den großen Balladen gibt es für jede gedroschene Phrase das passende "Oh-Oh-Oho". Die Pop-Punk-Nummern funktionieren gruselig gut in der Katy Perry-esken "Hot N Cold"-Sparte, aber selbst wenn die Produktion irgendwie ballert, muss sie immer noch über Mia Julias bestenfalls mediokere Vocals und ihre Lyrics hinwegtäuschen. Und machen wir uns hier nichts vor, die sind: "Dann bin ich wieder hier, hier, hier / Und dann bin ich wieder ich, wieder zurück / Dann bin ich wieder hier, hier, hier / Und dann tanze ich durchs Glück", "Wir lassen unsere Herzen in die Luft fliegen / Komm, wir träumen uns zum Himmel", "Alles, alles hat irgendwann ein Ende / Doch schon bald wackeln hier die Wände". Und die Wurst hat zwei. Man spürt, Storytelling ist anders.
Wer all das durchgestanden hat, ist wahrscheinlich bei Tag 5 Promille 4 in Mallorca und stirbt gerade oder war sehr beherzt, sich zu diesem Schlusstrack durchzukämpfen. Was bietet uns Mia Julia also auf "Ich Ficke Gern"? Einen schräg zusammengestellten Pop-Reggae-Beat und einen Song darüber, dass es in Ordnung ist, Sex zu haben. "Bin im Rein'n, ich komm' damit klar, bin gern anders als du / Und weißt du was, du Unschuldslämmchen? Hör mir mal gut zu / Was du glaubst, interessiert mich 'nen Scheiß / War da in China nicht mal was mit dem Reis?". Man möchte ihr sagen, dass das Jahr 2021 ist. Sie darf. Sie möge all den Sex haben, den ihr Herz begehrt und es in alle Welt broadcasten. Sie hat den amtlich beglaubigten Stempel. Mia Julia, es ist okay. Nach all dem Vorspiel bekommen wir also einen Song, der ganz ohne Anspruch auf Sexiness über Sex spricht. Ein "Let's Talk About Sex" mehr als ein "WAP".
"Mitten In Mia" hat viele Probleme. Die Texte sind so vage repetitiv, man meint, das ganze Album bestehe aus insgesamt dreißig verschiedenen Wörtern, von denen trotzdem die Hälfte "leben" ist. Die Musik ist absolut Billo-Kirmes, die sich im Torkeln zwischen den aufgedunsenen Genre-Klischees ab und zu aufschwingt, irgendwie doch zu funktionieren. Abgesehen davon ist die Message aber eigentlich eine begrüßenswerte: Mia Julia darf machen was sie will – und ihr Mittelfinger an alle, die ihr etwas anderes erzählen wollen, steht zurecht. So lässt das Album, das so skandalös zu werden versprach, mit einem nüchternen "Joa, kann man schon so machen" zurück. Es ist keine Katastrophe, sondern bedient irgendwie kompetent seine Nische. Nach all dem Gemunkel Drumherum ist das aber vielleicht die einzige Art und Weise, wie "Mitten In Mia" doch enttäuschen konnte.
13 Kommentare mit 7 Antworten
Jonny Zahngold regelt! Ich kann den kameraden nur empfehlen, wenn man eine zünftige sause mit viel alk feiern möchte.mia julia regelt auch (1x monat) aber trotzdem hat sie sich sehr verdient gemacht und einige sehr gute filme veröffentlicht. dabei sollte es dann auch belassen werden
Boah ist das übel
Dass der Kernschrott mit dem von Helene die Charts anführt, stimmt schon traurig dann doch lieber K-Pop!
Nö, ist doch alle Nase lang Kernschrott oben in den Charts, das ist normal, Bruder. Lass Dich davon nicht runterziehen!
laut.de hingegen ist sich für wirklich nix zu schade.
"Es ist keine Katastrophe, sondern bedient irgendwie kompetent seine Nische." Und das ist ein Grund für 2 Sterne – in einer Musikkritik?
Bruder, das ist hier immernoch laut.de
Bruder ihc dene das latu.de ime frage vorher bei raggizz Wege seine wisdom er weis viele bescheide. ihc wurde auhc make wen ich ware luta.de
Ich hab' mir die Platte angehört! Komplett verschenkte Lebenszeit! Welcher Vollhonk hat die Tussi ans Mikro gestellt? Texte? Fehlanzeige. Dem Typen am Mischpult sollte man das Lehrgeld wiedergeben....
Bitte Mia: Du kannst auch beim ALDI an der Kasse Karriere machen! Lass' das "singen"......
Das finde ich eine kreative Review, die gut funktioniert und sich sehr mit dem Album auseinandersetzt. Vor allem in letzter Zeit ist der Grad an Selbstinszenierung größer geworden und der Anteil an brauchbarer Review geringer. Hier finde ich die Auswahl der besprochenen Themen gut und die Analyse schlüssig. Warum es für zwei Punkte reicht ist mir dennoch schleiierhaft, ihr hättet längst auch mit halben Werten arbeiten sollen