laut.de-Kritik
Soloalbum statt Neu!-Reunion.
Review von Michael Schuh"Erinnern (das große Abenteuer)", nennt Michael Rother sein neues Album. Das klingt ein bisschen nach Einführung in die Wahrnehmungspsychologie, aber auch nach einem Erlebnisbericht. Michael Rother hat zweifellos einiges erlebt als Musiker. Dass der Mann sich nun aber zu einer nostalgischen, ja sogar harmonieseligen Rückschau aufrafft, war nicht unbedingt zu erwarten.
Zu nah sind da noch die Geschehnisse in Erinnerung, in denen ausgerechnet Herbert Grönemeyer eine tragende Rolle spielen sollte. Dem Mann aus Bochum gelang vor drei Jahren, woran unzählige Labelvertreter vor ihm hilflos scheiterten: Er brachte die notorischen Zankäpfel Rother und Klaus Dinger wieder an einen Tisch, natürlich nur bildlich gesprochen, und erwirkte von den Ex-Bandkollegen die Erlaubnis, ihre legendären Neu!-Platten aus den 70er Jahren wieder neu! auflegen zu dürfen. Menschen, auf die Deutschrock bis dato so abstoßend wirkte, wie auf Rother und Dinger ein gemeinsames Dinner, verehren Grönemeyer seither für dieses historische Verdienst.
Um eine Reunion bettelte allerdings auch Herbert vergebens. Zum Abendessen trifft sich Rother heute lieber mit Neu!-Fans wie John Frusciante, der auf seiner jüngsten Promoreise im Februar eigens einen Trip zum Lehrmeister nach St. Pauli einschob. Vielleicht durfte der Gitarrist bei der Gelegenheit schon in Rothers Demos hinein lauschen, für eine Beteiligung hat es nachweislich nicht gereicht, obwohl man ab und an das entrückte Jauchzen Frusciantes zu vernehmen glaubt.
"Remember (The Great Adventure)" ist ein sanftes Album geworden, für das sich Rother insgesamt sieben Jahre Zeit nahm. Perlende Elektroniksounds und die für Neu! typischen Endlosgrooves bestimmen das Klangbild. Mit Sophie Williams ist beinahe durchweg eine Sängerin dabei, deren helles und federleichtes Organ die Tranceartigkeit der Songs noch unterstützt, ab und an darf auch Grönemeyer im Hintergrund brummeln.
Der Eindruck einer esoterischen Ambient-Reise, den der Opener mit exotischem Männerjaulen ankündigt, wie man es im schlimmsten Fall Enigma zutrauen würde, verfliegt rasch. Nur im arg lauen "Morning After (Loneliness)" wünscht man sich zum Abtauchen in Rothers Unterwasserwelt den auf dem Cover sichtbaren Schnorchel. Ansonsten schwimmt man recht leger in Rothers Klangstrom. Dass die Akkorde von "He Said" denen von Rod Stewarts Wasser-Hymne "Sailing" ziemlich nahe kommen, sicher ein dummer Zufall.
Auf Rothers Reise in seine Vergangenheit atmet man wie einst das Gefühl der Schwerelosigkeit, das mit abgeschlossenen Drei-Minuten-Songs kaum erreicht werden kann. Ob er in "Aroma Club B3" eine verzerrte Gitarrenschleife einsetzt oder in "Sweet Sweat" alte "Autobahn"-Sounds integriert, alles dient der Ganzheitlichkeit. Und ist nicht genau das auch der Wunsch, den vom Alltag gestresste Arbeitstätige nach Feierabend verspüren, wenn sie eine Norah Jones-CD zum Relaxen einlegen? Michael Rother wäre eine gute Alternative.
Noch keine Kommentare