laut.de-Kritik
Endlich erwachsen: Zwischen Lipgloss und Bums-Metaphorik.
Review von Anne NußbaumBauchnabel raus, Lederkluft an, Mund lasziv geöffnet. So begrüßt uns Miley Cyrus auf dem Cover ihres neuen Albums. Hilfe, die ist doch noch ein Kind! Nein nein, Miley Cyrus ist erwachsen. Vor uns steht nun eine reife, selbstbestimmte Frau. Logisch.
Mit ihrem neuen Werk will die 17-Jährige kritische Distanz einnehmen, sowhl zu ihrem rockig-poppigen Sound aus Kindertagen, aber auch zu ihrem pausbäckigen Alter Ego Hannah Montana, das sie bekannt machte. Denn nun möchte auch sie als Künstlerin ernst genommen werden und sich von Bevormundung und Fremdbestimmung lösen.
Die vermeintlich Wiedergeburt soll "Can't Be Tamed" einleiten. Und vor dieser Message gibt es kein Entrinnen: Im Video zur Single emanzipiert Miley sich sinnbildlich vom Kindchen-Image.
Plump übermittelt der Clip die Botschaft: Ich bin nicht aufzuhalten! Ich befreie mich von den Fesseln des Kinderstar-Daseins! Ich trällere nicht mehr nur Melodien nach, die mir vogesetzt werden! Den goldenen Käfig reißt sie nieder, die Kreatur Cyrus, die so rar ist, dass sie als ausgestorben galt.
Besonders rar machte sie sich pünktlich zur Veröffentlichung ihrer neuen Platte natürlich nicht. Im Gegenteil: Mit aufreizenden Auftritten hottet sie über die Bühnen der Welt und gibt sich zügellos - angedeutete Knutscheinlagen mit ihren Tänzerinnen inklusive.
Dem penetranten Medienoverkill entspricht dann auch das Album: Ordentlich Pop-überproduziert, mit Synthie und Dance-Einlagen schmeckt "Can't Be Tamed" wie zu viel künstlicher Farbstoff in der Gummibärchen-Tüte. Davon bekommt man Zahnschmerzen.
Sirenen eröffnen "Liberty Walk", mit dem Miley die neu entdeckte Freiheit abfeiert. Mit Rap-Einlagen und viel "Alright", "Yeah yeah" und "Oh oh" torkelt sie auf dem schmalen Grat hin zur Peinlichkeit. Der Lipgloss zieht Fäden zwischen den geöffneten Lippen.
Die neue Hymne für den Autoscooter auf der Dorfkirmes liefert sie gleich mit. "Who Owns My Heart" erinnert zwischenzeitlich an 90er Eurodance. "So come on baby / Keep provokin' me / Keep on ropin' me / Like a rodeo". Die eher unsubtile Bums-Metaphorik in der Bridge tut in den Ohren weh.
Selbiges gilt für besagte Single "I Can't Be Tamed": Zu obligatorischem Poparrangement und Stampfbeats vom PC kultiviert Miley ihr Schlampenimage: "I go through guys like money flyin' out the hands". Promiskuität ist doch nichts, woraus die 17-Jährige einen Hehl machen müsste.
Zwingend notwendig sind darüberhinaus mindestens zwei Schnulzen: "Forgiveness And Love" und (Achtung, Platitüden-Alarm) "Every Rose Has Its Thorn". Erstere zieht sich schleppend und zäh wie Kaugummimasse über erhellende Erkenntnisse wie "'Cause in the end / No one loses or wins".
Die zweite folgt einem ebenso simplen Muster: Piano plus E-Gitarre plus "Although we both lie close together / We feel miles apart inside" ergeben eine solide Lost-Love-Nummer, die sich im Genre nicht entscheiden kann. R'n'B? Rock? Pop? Definitiv ein Smasher für die Wohnzimmer-Tanzfläche einer Sweet-16-Party.
Ein paar trashige David Guetta-Anleihen, mit denen man zurzeit grundsätzlich auf der sicheren Seite steht, und Reminiszenzen an Jefferson Starship - schon ist "Two More Lonely People" fertig. Wenn Miley "Well you know my heart is aching / You don't have to break it" singt, will man den Song unweigerlich mit "Nothing's Gonna Stop Us Now" fortsetzen.
Zu eklig-fiesem Autotune und housigen Billigbeats besingt das All American Girl auf "Permanent December" ihre persönlichen Miseren. Zugleich distanziert sie sich von der unterstellten Vielmännerei: "I met a boy in every city no one kept me amused / But don't call me a Lolita 'cos I don't let 'em through". Die Hose bleibt also zu. Gut zu wissen.
Streicherpathos und Klavergesülze auf "Stay", rockige Gitarren bei "Scars" - die Mischung könnte man optimistisch als abwechslungsreich bezeichnen. Eine Ballade hier, ein Hit für den Dancefloor da, schon ist die Scheibe fertig. In immergleichen Rhythmen reproduziert Miley sich selbst und behauptet dabei dreist, sich neu zu erfinden.
Die Mechanismen ihrer eigenen Marketingtechnik verwurstet sie auf "Robot" in abgedroschenen Bildern: "Stop telling me I'm part of the big machine / I'm breaking free can't you see". In derselben Maschine läuft Miley natürlich fleißig und dumpf wie ein Hamster durchs Rädchen, damit hinten Ruhm rauskommt.
Genauso überkandidelt wie der volle Name der Sängerin (Destiny Hope Cyrus? Wtf!) ist die neue Platte geraten. Zu durchweg primitiven Beats und einfachen Melodien bitcht sich Miley auf zwölf Tracks durch die Klischees eines Kinderstars auf dem Selbstfindungstrip.
Auf Sexmonster getrimmt, aber trotzdem noch züchtig genug, um im konservativen Amerika sowohl kleine Mädels als auch postpubertierende Jungs zu begeistern, schleudert Miley sich und ihren Sound durch den Weichspüler-Waschgang.
Nicht die Melodien oder die Texte bleiben im Ohr ("Can't Be Tamed" ist angeblich ihr letztes Album, danach möchte sich Miley ausschließlich der Schauspielerei widmen). Was wirklich hängen bleibt, ist die Frage: Was haben freier Bauchnabel, enge Jeans und ein Übermaß an Sexualisierung eigentlich mit Erwachsensein zu tun?
20 Kommentare
1 punkt = kommerziell erfolgreich = mainstreamprodukt
@xca: Ich will nicht bestreiten, dass laut sehr beschränkt in ihrer Rezensionsarbeit sind, aber, mein Gott, ES IST MILEY CYRUS! Da gehts um Kohle und nicht um Musik. Billy Ray hat sie ins Rampenlicht gebracht und Miley versucht ihre Schäfchen ins trockene zu bringen.
Ich fand das Laut Interview mit der i-wie.... bestätigend... aber trozdem merkwürdig. Album scheint aber wohl genau so geworden zu sein, wie es jeder erwartet hat.
was los?! Diese Musik wird von vielen Menschen gehört. Da ist es doch gut, dass denen jemand sagt, wie kacke sie ist.
nichts für ungut, aber ich finde, dass einige der neuen Songs gut produziert wurden. :-P
du bist super und deine Musik ist einfach klase mach weiter so Mausixd