23. September 2021
"Wir haben immer noch einen scheiß CO2-Fußabdruck"
Interview geführt von Magnus FranzIm August kündigten sich Milky Chance auf den Picknick-Konzerten in Konstanz an. Magnus Franz und Michelle-Marie Aumann trafen die Jungs vor dem Konzert.
Seit inzwischen fast zehn Jahren ist das Pop-Duo Milky Chance um Clemens Rehbein und Philipp Dausch in der Musikwelt unterwegs. Bis heute sind die Jungs aus Kassel nach wie vor eine der wenigen deutschen Bands, die sowohl hierzulande als auch in Amerika und unzähligen anderen Teilen der Welt Stadien und Festivalbühnen bis zum Rand füllen. Vor ihrem Picknick-Konzert im Konstanzer Bodenseestadion treffen wir die Musiker und quatschen knapp eine Stunde lang über Nachhaltigkeit, die Veröffentlichung und über eine spontane 50€-Wette. Als wir vor Ort ankommen, stehen die Jungs bereits gut gelaunt bereit.
Hattet ihr schon ein bisschen Gelegenheit euch hier mal umzuschauen?
Clemens: Leider eher weniger, aber das ist ja meistens so.
Ist es nicht schade, so wenig Eindrücke zu bekommen, obwohl man so viel in der Welt rumkommt?
Philipp: Ja schon, allerdings darf man auch nicht vergessen, in welchem Rahmen wir unterwegs sind. Daher ist es schon okay und auf längeren Touren gibt es ja auch mal Off-Days, da ist man dann auch immer mal an nicen Orten. Selbst wenn die Eindrücke nur klein sind, sind sie jeden Tag verschieden.
Wie gefällt euch Konstanz, von dem, was ihr bisher erspähen konntet? So auf einer Skala von eins bis zehn?
Clemens: Elf (lacht). Nee, für ein Picknick-Open-Air-Konzert eignet sich das hier glaube ich schon gut. Es ist auf einer Wiese, das ist schon ganz nice. Gestern hatten wir zum Beispiel mehr so eine Art Parkplatz.
Habt ihr schon mehrere Picknick-Konzerte gegeben, wo die Leute auch ihr eigenes Essen mitbringen und mit euch dann so einen kleinen Freizeit-Abend verbringen?
Philipp: Ja, wir haben dieses Jahr acht gespielt und letztes Jahr eins. Das ist echt super. Für das, was grade möglich ist, ist das die beste Möglichkeit. Das hat alles so einen ganz entspannten Vibe, sowohl für die Leute als auch für uns. Dass überhaupt etwas stattfindet ist einfach mega.
Das ist interessant, da es ja auch einige Künstler*innen gibt, denen es fehlt, dass die Leute so richtig abdancen und steilgehen.
Philipp: Dancen tun sie eigentlich doch auch immer viel (lacht).
Stimmt, immer auf den Decken.
Clemens: Das ist schon okay so. Innerhalb der Quadrate wird dann erstmal gemosht.
Sieht bestimmt auch von der Bühne herunter ganz lustig aus.
Philipp: Manchmal hat es was von einem Schachfeld.
Clemens: Die Stimmung war auf jeden Fall immer sehr nice.
Hoffen wir mal, dass das Wetter heute einigermaßen mitspielt. Wir waren ja gestern auch schon hier und ihr könnt euch wirklich darauf einstellen, dass es heute wieder ...
Clemens: Regnet?
Nee, dass die Leute wieder gut Bock haben. Das war richtig schön zu beobachten: Anfangs sind alle noch dagesessen und waren so ein bisschen schüchtern wegen des neuen Konzepts und dem ganzen Drumherum, aber nach und nach sind alle aufgetaut.
Clemens: Ja voll, das war auch unsere Erfahrung. Eigentlich mussten wir die Leute erst einmal zum Aufstehen animieren. Oder vielleicht auch zweimal.
Philipp: Aber ist ja auch nicht schlimm, wenn man erstmal ein bisschen sitzt.
Vor Pandemiebeginn habt ihr gut durchgehustlet und dann kam dieser Cut. Was ging da in euch vor? Wart ihr deshalb auch einfach mal sauer, weil man machtlos war?
Philipp: Das hat schon sehr doll auf die Bremse gedrückt, ein bisschen wie eine Notbremse. Am Anfang war gar nicht so richtig klar, was hier eigentlich los ist. Sauer waren wir nicht, eher so "Huch, was passiert hier eigentlich?" Rückblickend war es für uns aber eine richtig gute Bremse, die man von sich aus nicht gemacht hätte. So gab es mehr Raum, Platz und Zeit für andere Sachen, wie eben die Musik.
Ihr hattet in der Vergangenheit gesagt, dass ihr es durchaus auch genossen habt, für "Mind The Moon" etwas mehr Zeit zu haben und im Vorlauf dazu ein paar Monate nicht auf Tour zu sein. War es in der Lockdown-Zeit auch wieder cool, so viel Zeit zu haben, oder hat es dann irgendwann auch mal gereicht?
Clemens: Ich glaube es war schon eher Ersteres. Jetzt, wo man so ein bisschen angefangen hat zu spielen, ist einem dann wieder klar geworden, wie viel Spaß das macht und dass es einen großen Teil von dem ausmacht, was wir tun.
Kreativität ist ein gutes Stichwort. Die Pause vor eurem letzten Album war ja eine selbst bestimmte Pause, Corona war eine Zwangspause. Hat sich die Art und Weise der Pause auf eure Kreativität ausgewirkt?
Philipp: Der große Unterschied war, dass die Pause einfach kein Ende hatte. Das hat allerdings auch viel Raum freigeschaufelt, was gut war. Einen direkten Einfluss auf unsere Kreativität hatte das aber nicht. Man muss sich wahrscheinlich ohnehin fragen, was Kreativität überhaupt ist, da haben wir auch öfter drüber geredet. Ich finde Kreativität hat viel mit Momentum zu tun. Du kannst in einer totalen Tristesse am Nichtsmachen sein und es kann trotzdem irgendeine Art Gedankengut geben, das dich kreativ stimmt. Genauso kann es sein, dass es im Trubel einer Tournee passiert.
Manche lassen sich von dieser oder jener Sache inspirieren, aber bei euch klingt es wirklich mehr danach, als würdet ihr grübeln und überlegen, bis ein gewisser Moment kommt und eben dieses Momentum hervorbringt. Spielen bei euch trotzdem auch äußere Einflüsse eine Rolle, was das Sammeln von Inspirationen angeht?
Philipp: Wenn man Inspirationen mit Eindrücken gleichsetzt, hatten wir höchstwahrscheinlich weniger akute Eindrücke, aber dafür nachhallende Echos vieler Eindrücke, die wir gesammelt haben. Ich glaube, Inspirationen sind Eindrücke und der kreative Moment dazu kann auch erst später kommen. Es kommt auf die Produktivität an, bei der es wiederum gut ist, wenn viel Platz da ist und du wenig Ablenkung hast.
Ich weiß natürlich nicht, wie lange ihr im Lockdown mal am Stück zusammen oder auseinander wart, aber war es dann nicht schwerer, unter diesem Umständen eine produktive Atmosphäre zu schaffen?
Philipp: Wir haben viel mit Zoom gearbeitet, uns Sachen hin- und hergeschickt und so teilweise auch gemerkt, dass das ein ganz produktives Tool sein kann. Aber wie gesagt nur teilweise, weil es trotzdem auch einen lack of Vibe hat. Ich glaube, dass man immer noch effizientere Produktivität erreicht, wenn man in einem Raum ist. Das ist schon geiler für den Flow.
Wie war das dann zum Beispiel bei "Don't Let Me Down" zusammen mit Jack Johnson? Der Song kam ja wahrscheinlich auch in dieser Zeit zustande.
Clemens: Der Song ist auf jeden Fall vor dem Lockdown entstanden.
Philipp: War das vor 2020?
Clemens: Jaja. Aber trotzdem über Zoom und über Telefon, der wohnt ja auf Hawaii und wir sind jetzt nicht extra nach Hawaii geflogen. Das war nicht mehr drin. Wobei doch, eigentlich war das schon noch drin (lacht).
Philipp: Im Lockdown haben wir ja unsere Stay Home-Sessions gemacht, unter anderem auch mit ihm. Als wir das dann zusammengewurschtelt haben, hatte ich auch mal eine Zoom-Session mit ihm in der Nacht um eins oder zwei, was bei ihm dann morgens war. Das war schon lustig. Ich meine, da sitzt du nachts um eins in deinem Wohnzimmer, zoomst einfach mit Jack Johnson und sagst Sachen wie 'Ja das ist geil' oder 'Lass das mal so und so machen'. Das war schon ein krasser Moment. Wir haben nicht gedacht, dass das mal möglich sein wird. Wir haben Jack Johnson schon gehört, als wir 14 waren und dann sitzt du da in deinem Zimmer und bastelst mit ihm an einem Song.
"Komm wir wetten jetzt um 50€!"
Im Zuge eurer Stay Home-Sessions sind die Veranstalter von "One World: Together At Home" mit Lady Gaga, Taylor Swift und Co. auf euch aufmerksam geworden und wollten euch dabeihaben. Früher habt ihr ja hin und wieder mal erzählt, dass das schon alles sehr schnell ging mit dem Erfolg. Ist das in solchen Situationen auch manchmal noch so? Dass ihr sagt 'Okay wow, was passiert hier grade'?
Clemens: Auf jeden Fall! Da waren wir schon geflasht, dass die uns gefragt haben und wir dann mit dabei waren. Wir waren ja auch der einzige deutsche Act und sonst wirklich krasse Namen am Start. Also ja, solche Momente kommen auf jeden Fall immer wieder vor. Wäre irgendwie auch ziemlich traurig, wenn es nicht so wäre.
Also nicht schon voll abgebrüht?
Clemens: Ne, auf gar keinen Fall. Ich meine wir fliegen diesen Monat ja auch wieder nach Amerika und spielen da. Das wird mit Sicherheit auch wieder richtig krass.
Stimmt, die erste Show in Kalifornien ist ja auch schon restlos ausverkauft.
Philipp: Ist auch voll nice, dass wir auf dem einen Festival (Anm. d. Red.: BottleRock Festival in Napa Valley, Kalifornien) da spielen.
Clemens: Jaja genau, da waren wir auch schon mal.
Philipp: Nee.
Clemens: Doch doch, da waren wir schon mal. Klar, in Napa Valley.
Philipp: Da schon, aber wir haben noch nicht gespielt.
Clemens: Doch! Komm wir wetten jetzt um 50€! (lacht)
Philipp: Okay warte, dann rufe ich mal ganz kurz Rob (Anm. d. Red.: Milky Chances Tourmanager), dann kommt gleich das entscheidende Nee! Hey Rob? Rob? Kacke der ist nicht da. Rob? (schreit)
Jetzt geht es um alles.
Philipp: Robbie?
Clemens: Wir haben schon mal die ... (überlegt) ... Aftershow-Party gespielt.
Philipp: Clemens, wir haben noch nicht am BottleRock gespielt.
Clemens: Doch, Mann!
Philipp: (schreit) Hey, Rob?!
Clemens: Sonst wären wir doch nicht in Napa Valley gewesen.
Philipp: Der kommt einfach nicht.
Clemens: Ja komm, dann ruf ihn jetzt an!
Das müssen wir jetzt schon klären.
Philipp: So verdiene ich eigentlich mein Geld!
Clemens: Was ist, wenn ich jetzt recht habe?
Philipp: Na dann gebe ich dir 50 Euro direkt auf die Hand. Mann Rob, der geht einfach nicht ran.
Der will nicht der Entscheider sein, der ahnt das schon.
Clemens: Wir können das auch einfach nach dem Interview rausfinden. Ist vielleicht besser. Wobei, wir können es ja auch einfach googeln (lacht).
Philipp: Ja komm, google es. Wir waren noch nie auf dem BottleRock!
Clemens: Aber wir müssen ja dann auf irgendeinem anderen Festival gewesen sein?
Philipp: Ja.
Clemens: In Napa Valley.
Philipp: Nö. Wir haben halt einfach in Napa Valley gespielt, Clemens.
Clemens: Nee, ich ... (seufzt).
Vielleicht einfach mal so ein normales Konzert.
Philipp: Jap.
Clemens: Ja ja das sind dann so Fragen, mit denen wir uns beschäftigen (lacht).
Philipp: Nee das Ding ist, ich weiß das auch sicher, weil ich es total krass finde, dass wir da spielen. Das ist ja wirklich ein krasses Festival. Das ist so neben Coachella das renommierteste Festival dort.
Clemens: (gedanklich abwesend) Das wäre 2018 gewesen oder?
Schon überzeugende Argumente hier von einer Seite. Also ich merke langsam erste Zweifel?
Clemens: Nee jetzt sag mal, warum bist du dir da so sicher?
Philipp: Weil das immer so ein Thema war. Weil wir neben Coachella immer gemeint haben: BottleRock müssen wir unbedingt mal spielen. Wir haben da auch so oft mit Heather drüber geredet, weil die da voll die gute Connection hat. Das war immer so 'Ihr müsst mal beim BottelRock spielen' und wir dann natürlich 'Ja, auf jeden Fall'. Und dann ist es aber nie passiert.
Clemens: Aber warum waren wir denn dann in Napa Valley?
Philipp: Weil wir einfach mal in Napa Valley waren!
Clemens: Und wir haben da dann mal gespielt?
Philipp: Ja wir haben da dann mal einfach gespielt! Wir haben da einfach eine Show gespielt, eine ganz normale Show.
Clemens: Aber wir haben doch ...?
Philipp: (unterbricht) Aber du müsstest dich doch auch wirklich erinnern, wenn wir beim BottelRock gespielt hätten.
Clemens: Naja, weil wir doch da auch so eine Aftershow gespielt haben.
Philipp: Ja, aber das hat doch nichts mit dem BottleRock zu tun (lacht).
Clemens: Aber das war ja auch von irgendeinem Festival die Aftershow-Party.
Philipp: Jaja, jetzt merkst du so langsam, dass du unrecht hast, was? (lacht)
Clemens: Nenenene, ich habe nicht unrecht! Die Frage klären wir am Ende!
Aber zumindest scheint das ja so, als würdet ihr euch auf das Festival freuen (lacht).
Philipp: Ja, vor allem auch wegen dem mega geilen Line-Up! Das kommt ja noch on top, dass man einfach so viele geile Acts sieht.
Danach geht es ja bis in den Dezember rein noch weiter in Amerika. Das ist ja dann relativ aktuell, deshalb spannen wir den Bogen auch mal zu einer anderen aktuellen Sache, und zwar, wer hätte es gedacht, zu eurer Single "Colorado".
Clemens: Ach ja stimmt, da war ja was.
Seit dem letzten Release ist viel Zeit vergangen, wo bei euch wahrscheinlich viel passiert ist, aber die Außenwelt natürlich nichts davon mitbekommen hat. Und jetzt der neue Song, der immer noch nach Milky Chance klingt, aber trotzdem auch deutlich anders. Deshalb werfe ich jetzt einfach mal was in den Raum: Ist das der Auftakt zu einer neuen Ära für Milky Chance?
Philipp: Eine gewagte These! (lacht). Aber ja, auf jeden Fall, genauso würden wir das auch sagen. Es war einfach eine sehr lange Pause und auch inhaltlich hat sich für uns als Menschen noch mal viel getan. Wir haben jetzt ja doch auch zehn Jahre Erfahrung und vieles noch mal anders probiert. Wenn du sagst, dass es nach uns klingt, aber sich trotzdem neu anfühlt, ist das für mich auch eine positive Resonanz. Denn auf der anderen Seite gibt es manchmal ja diese Art von Neuerfindungen bei Künstler*innen, wo man sich nur fragt 'Was ist das denn jetzt', wo es einfach ein bisschen unnatürlich wirkt. Das wäre schade, wenn es bei uns so rüberkommen würde.
Also bei "Colorado" ist das meiner Meinung nach nicht der Fall. Man merkt schon, dass ihr in dieser großen Pause etwas verändert habt.
Philipp: Nice!
Clemens: Yeah, danke!
Philipp: Das ist lieb.
Ihr habt diesmal mit mehreren Leuten zusammengearbeitet, mit Muggelig Records euer eigenes Label gegründet und ihr meintet in Zukunft soll das wohl auch erstmal so weitergehen. Davor habt ihr alles musikalische, also Schreiben und Produzieren, alleine geschultert. Aber wieso diesen Schritt gerade jetzt machen, wo es doch im Moment noch so schwer ist, face to face zusammenzukommen?
Philipp: Da spielen auch wieder mehr Sachen mit rein. Einerseits dieses ganze Zoomen, weil man dadurch gemerkt hat, dass es mit Leuten auf der ganzen Welt doch auch irgendwie funktionieren kann. Andererseits hatten wir als Menschen und Musiker einfach Bock, alles mal ein bisschen breiter aufzuziehen. Das letzte Album ist auch mit einem Produzenten entstanden, aber da war es das Gesamtbild. Da haben wir nicht mit vielen verschiedenen Leuten zusammengearbeitet. Vielleicht wollte man jetzt sogar ein bisschen die Diversität ausgleichen, weil es zuhause weniger Eindrücke gab und wir nicht unterwegs waren.
Clemens: Wir hatten einfach den Anspruch, Sachen mal anders zu machen. Da kommt man schließlich auch auf andere Ideen und kann das alles mal ein bisschen upspicen. Zu zweit machen wir ja immer noch mega viel, aber wenn man dann manchmal in einen Trott kommt, aus dem man auch raus will, dann geht es leichter, wenn man mit anderen zusammen Musik macht.
Philipp: Das klassische Swinging in den 50ern.
Clemens: Der klassische Swing in den 50ern?
Philipp: Das klassische Swinger ...
Clemens: (unterbricht) Ach so! Moment, Swinger?
Philipp: Die Beziehungsmetapher.
Clemens: Ach so. Das meinst du (lacht).
Philipp: Na ein bisschen Spice reinbringen!
Clemens: Ah jaja okay. In welcher metaphorischen Welt warst du denn jetzt grade? (lacht)
Philipp: Bei einem Pärchen in den 50ern.
Clemens: Aber in ihren 50ern oder? Ich dachte jetzt die ganze Zeit ...
Philipp: Du meintest in den 1950ern? (lacht)
Clemens: Ja genau, damals in den 50ern, Swing, was? Ich dachte mir nur so 'Hä Bruder was, ich verstehe grade gar nichts' (lacht).
Philipp: War aber auch dolle abgebogen, gebe ich zu.
Clemens: Ja ne aber klar, wenn es im Bett nicht mehr so gut läuft, dann muss man eben ein bisschen upspicen und gucken, wie die anderen das so machen (lacht).
Philipp: Label war gerade aber schon ein gutes Stichwort, da kam auf jeden Fall ordentlich Veränderung rein. Das Label als solches gibt es ja schon länger, aber wir haben natürlich auch mit anderen zusammengearbeitet. Jetzt läuft das aber alles alleinstehend, das war dann von Anfang an natürlich viel mehr Arbeit und ist immer noch mit viel Neuem verbunden. Da ist es schon eine Herausforderung, die Balance zu halten, weil man natürlich hauptsächlich Musiker ist und das auch bleiben will, aber genauso auch selbstständiger den Rest überblicken mag. Wenn man jetzt wie beispielsweise bei "Colorado" merkt, dass es soweit ganz gut oder teilweise sogar besser als davor läuft, auch wenn alles natürlich erst in den Anfängen ist, dann ist das schon ein richtig gutes Gefühl. Vor allem bestätigend.
"Wir wollen als Band und als Projekt nachhaltiger werden."
Ich habe auf eurer Website gelesen, dass im Zuge dieses Umbruchs eines eurer Ziele ist, als Act umweltbewusster zu agieren und das Musikbusiness umweltbewusster zu gestalten. Wie soll das funktionieren und was kann man sich darunter vorstellen?
Clemens: Dafür haben wir Milky Change gegründet vor ungefähr eineinhalb Jahren, das hängt ja auch mit dem Label zusammen. Das ist quasi das gleiche, das Projekt von uns.
Philipp: Naja aber Milky Change ist ja kein Label.
Clemens: Ne, aber wir wollen als Band und als Projekt nachhaltiger werden.
Philipp: Das ist eigentlich nur die Betitelung des Versuchs, nachhaltiger zu werden.
Clemens: Wir haben seit der Gründung eine Person in unserem Team, die sich nur damit befasst. Also quasi eine Nachhaltigkeitsmanagerin, die Makii, und da ging es zunächst einfach darum, was wir als Band tun können. Um den Status Quo: Wo stehen wir, was das Touring angeht, und was bedeutet es in Bezug auf das Klima, eine Show zu spielen. Oder wie groß der CO2-Ausstoß ist und wie er sich aufteilt zwischen Anreise, Crew, Catering, Band, Anreise der Fans, Energiezufuhr für eine Bühne und so weiter.
Da hat sich vieles um Zahlen und Diagramme gedreht und wie groß die jeweiligen Anteile sind. Bei unserer Tour letztes Jahr im Januar und Februar, von der wir gesprochen haben, haben wir versucht, erste Sachen umzusetzen. Zum Beispiel, dass unser Merch nachhaltig, organic und fair in Europa produziert wird. Generell ging es auch um Transparenz, wir haben ja auch noch den Milky Change-Blog, wo Makii auch noch viel über die ganzen Themen schreibt und man mehr in die Tiefe gehen kann.
Wir wollten nicht nach außen sagen 'Jo schaut uns an, wir sind die grüne Bio-Band', wir haben immer noch einen scheiß CO2-Fußabdruck, weil wir zum Beispiel trotzdem nach Amerika fliegen. Aber wir wollten einfach das Thema auf die Agenda packen und mit Leuten kommunizieren. Seitdem haben wir mit No Music On A Dead Planet viele NGOs und Vereine kennengelernt und Netzwerke gebildet, damit es in der Musikbranche immer mehr Austausch gibt. Das ist auf jeden Fall schon sehr wichtig und nice.
Hut ab für das Engagement. Das geht absolut in die richtige und nötige Richtung.
Clemens: Das ist ja auch irgendwo das Mindeste, was man tun kann.
Gab es von außen auch schon Rückmeldung von irgendwelchen Leuten oder anderen Acts oder Musiker*innen, dass sie beispielsweise davon inspiriert wurden oder vielleicht sogar auch Kritik geäußert haben?
Philipp: Da gibt es bestimmt beides, aber es fühlt sich auch gar nicht so an, als wären wir da in einer Vorreiterrolle, sondern im Gegenteil, wir wurden auch inspiriert. Jack Johnson hat das schon gemacht, als wir noch klein waren und der Klimawandel noch nicht dasselbe Gehör gefunden hatte wie jetzt. Wie gesagt, es ist einfach mal so das Mindeste, was man tun muss. Ich glaube, es ist generell schon eine große Bewegung drin und je mehr mitmachen, desto besser.
Clemens: Es gibt natürlich auch immer die Leute, die sagen: 'Bäume pflanzen und fliegen, das passt nicht zusammen' (lacht). Aber generell glaube ich, dass das Feedback doch sehr positiv ist.
Das ist doch schön zu hören. Aber jetzt auch mal abseits von Milky Change, dem Touring und "Colorado", kann man in nächster Zeit auch noch andere 'Auswüchse' eurer Kreativität während der Pause erwarten? Vielleicht auch wieder mit Kollaborationen?
Clemens: Auswüchse, geil (lacht).
Philipp: Ja, alles in der Pipeline. Wir haben viel geschrieben, viel gemacht und wir wollen dieses Jahr auf jeden Fall noch mehr rausbringen. "Colorado" ist ja jetzt auch schon wieder eine Zeit lang her und da steht mehr an. Und auch Kollaborationen, irgendwie ein komisches Wort im Deutschen, sagen wir einfach Features (lacht). Da wird was kommen!
Nice! Ihr habt ja jetzt doch auch schon einige Features hinter euch. Deshalb haben wir uns zum Abschluss jetzt noch so eine kleine seichte Sache ausgedacht.
Clemens: Oha, okay.
Wir nennen jetzt mal ein paar eurer bisherigen Kollaborationen und ihr könnt einfach mal ein bisschen erzählen, was euch dazu einfällt.
Clemens: Alles klar (lacht).
Fangen wir doch gleich mal mit Jack Johnson an.
Clemens: Das war auf jeden Fall schon so ein kleiner Fanboy-Moment für uns, als wir den kennenlernen durften. Liegt ja jetzt auch schon ein paar Jährchen zurück. Wir haben uns in der Schweiz 2017 oder 2018 auf Tour kennengelernt und ein bisschen später in New York auf einem Festival gesehen. Und dann sind wir in touch geblieben und haben ihn dann irgendwann mal gefragt, ob er nicht Bock hätte, was zu machen. Das war voll cool und er ist auf jeden Fall auch einfach mega der nette und sweete Mensch, also er ist genauso, wie man ihn sich vorstellt.
Dann werfe ich einfach mal noch Izzy Bizu in den Raum.
Clemens: Oha, lange nicht gesehen.
Philipp: Lange nicht gesehen, lange nicht gehört, aber die bringt grade auch wieder Sachen raus.
Clemens: Auch unser erstes Feature oder?
Philipp: Ja.
Clemens: Genau das war auf "Blossom", Album zwei. Unser erstes Feature. Das ist ja echt auch schon lange her (lacht). Auch ein cooles Video, was wir damals mit ihr gedreht haben.
Philipp: Ja, Izzy ist super! Aber wir haben die echt lange nicht gesehen, das stimmt.
Clemens: Wann haben wir die denn das letzte Mal gesehen?
Philipp: Wir haben mit ihr auf jeden Fall auch mal ein paar Shows auf Festivals gespielt. Sie hat uns letztes Mal gefragt, ob wir ein Feature mit ihr machen wollen!
Clemens: Oha! Wirklich? Das habe ich gar nicht mitbekommen.
Philipp: Ja, aber das ist irgendwie ein bisschen im Sand verlaufen.
Clemens: Oh no.
Da könnt ihr ja einfach mal anrufen und sagen 'Hey, wir haben mal wieder an dich gedacht'.
Clemens: Ja stimmt, eigentlich könnten wir mit ihr mal wieder zoomen.
Gute Idee. So und jetzt zum Schluss noch einen letzten Namen, Ladysmith Black Mambazo.
Clemens: Ja also das ist tatsächlich eine dieser Sachen, das ist romantisch, aber gleichzeitig auch unromantisch (lacht). Weil wir die nicht wirklich gesehen haben.
Philipp: Wir haben die nie wirklich zu Gesicht bekommen. Ich habe zwar mit denen telefoniert, aber das war mehr so eine Hin- und Herschick-Geschichte.
Clemens: Eine Dropbox-Freundschaft. Quasi wie so ein Tinder-Match in der Musikwelt (lacht). Aber weil ich romantisch meinte: Wir waren früher in der Oberstufe im Chor und unser Chorleiter hat uns die so ein bisschen nahegebracht. Wir haben ein oder zwei Lieder von denen im Chor gesungen, dadurch haben wir die kennengelernt und fanden das damals einfach mega krass. Irgendwann sprachen wir dann mal über einen Chor und wir meinten so halb ernst: 'Stell dir mal vor, wir machen was mit Ladysmith'. Dann haben wir die irgendwann einfach angeschrieben.
Philipp: Das war aber auch geil, weil man da mehr aus einer musikalischen Richtung aus hinkam. Mit der Vorstellung, dass genau die dafür richtig wären. Alle anderen Features kamen zustande, da sich die Wege mal gekreuzt haben. Es ist auch ein sehr spezieller Chor. Die haben schon einen einzigartigen Sound.
Clemens: Das war ein krasser Moment, als die das rübergeschickt haben und wir es zum ersten Mal gehört haben, diese Stimmgewalt.
Philipp: Auch echt interessant, wenn man dann mal die einzelnen Spuren hat und hinter den Vorhang gucken kann. Bei diesem Chor ist es wirklich ein Phänomen, dass einzelne Stimmen teilweise komisch und schief klingen, aber im Gesamtbild ist es dann total krass. Also nicht so wie, keine Ahnung, die Spatzen, da klingt jede Stimme pitch perfect. Aber bei denen ist einfach ganz viel Charakter drin und da ist es faszinierend, wie sowas auch auf eine Aufnahme transportiert werden kann.
Wisst ihr das noch, wie viele Spuren ihr da bekommen habt?
Philipp: Puh das waren echt einige, ich glaube 32 oder so. Schon ordentlich viel.
Da kann man sich beim Scrollen schon mal fragen 'Wo ist denn eigentlich das, was wir aufgenommen haben'. (lacht)
Clemens: Aber echt, Kaffee leer und man ist immer noch nicht unten angekommen.
Gut, damit wäre es das von unserer Seite. Wollt ihr noch irgendwas loswerden?
Philipp: Ich glaube tatsächlich, dass wir so ziemlich alles gut durchgemacht haben. Alles drinne, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Danke euch!
Wir haben zu danken! Es hat sehr viel Spaß mit euch gemacht.
Clemens: Cool, ebenfalls!
Und jetzt freuen wir uns schon auf das Konzert, das gleich ansteht.
Clemens: Nice, wir uns auf jeden Fall auch. Danke euch und viel Spaß!
Ein paar Minuten nach dem Interview stellte sich die Suche nach dem scheinbar verschollenen Tourmanager Rob doch noch als erfolgreich heraus und das Rätsel um Napa Valley konnte gelöst werden. Die Jungs hatten bis dato tatsächlich noch nicht auf dem BotteRock gespielt, weshalb Philipp sich über souverän erkämpfte 50 Euro freuen konnte.
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