laut.de-Kritik
Mit der Leidenschaft der jungen PJ Harvey.
Review von Toni HennigDie in Japan geborene Musikerin Mitski Miyawaki gehört zu den großen Hoffnungsträgerinnen des Indie. Trotz ihrer noch jungen 25 Jahre besitzt sie eine sehr lebhafte Geschichte, die sie vom Kongo nach Malaysia, China und in die Türkei führte. Die Weltenbummlerin M.I.A. gilt Mitski vor allem aufgrund ihrer politischen Aktivitäten als Vorbild.
Beeinflusst von Folk und der japanischen Popmusik ihrer Eltern, spielte Mitski vier Alben zwischen zärtlicher Pianomusik und schroffen Rockklängen ein. "Puberty 2" verbindet die ambivalenten Gefühlsspektren zwischen Glück und Traurigkeit. Der Albumtitel klingt wie ein Sequel zu einem noch nicht gedrehten Film.
"Happy" ist gleich zu Beginn der ungewöhnlichste Song des Albums. Ausgehend von einem pluckernden elektronischen Fundament, gesellt sich ein quäkendes Saxophon im Bowie-Stil dazu, bevor sich der Track zu einer rockigen, euphorischen Nummer entwickelt, die man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Das anschließende "Dan The Dancer" erhält massiven Orgeleinsatz.
Ganze sechs Songs überschreiten die 3-Minuten-Marke nicht, was über weite Strecken an die Indie-Senkrechtstarterin Courtney Barnett erinnert, jedoch lässt sich "Puberty 2" wunderbar am Stück hören. Die Ohrwürmer treten im Unterschied zu Barnett zugunsten einer in sich geschlossenen Atmosphäre etwas zurück.
"Once More To See You" reduziert ein wenig das Tempo und versetzt den Hörer in einen traumwandlerischen Zustand. In "Fireworks" agiert Mitski dagegen wunderbar lässig zu wavigen Keyboardflächen in der Cure-Tradition. Der beste Song ist "The Best American Girl": Ein ironischer Blick auf das Stereotyp des weißen amerikanischen Mannes, das als ruppiges Gitarrenungetüm daherkommt. Ein hymnischer Song, der das leidenschaftliche Feeling der frühen PJ Harvey in sich trägt.
"Crack Baby" widmet sich mit dramatischen Keyboardflächen und sanften Pianotupfern den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens. Mitski, die von Heimatlosigkeit geprägt ist und sich halb-japanisch, halb-amerikanisch fühlt, verhandelt erfrischend ehrlich die Unzulänglichkeiten einer jungen Generation, die nicht weiß, was sie will. Dezente elektronische Klangflächen umhüllen die sphärische Nummer, die ähnlich wie ein Portishead-Song emotional und federleicht vor sich hin gleitet.
Ein Langspieler, so reinigend und belebend wie ein erfrischender Wind nach einem sommerlichen Wärmegewitter. Mitskis Album besitzt ein paar herrlich naive Hooks, macht aber insgesamt einen recht erwachsenen, runden Eindruck und dürfte auch außerhalb der USA auf offene Ohren stoßen.
5 Kommentare mit 11 Antworten
Ihr hattet mich bereits bei "der jungen PJ Harvey".
Große Worte. Hoffe wirklich, dass ihre Musik die durch die Rezi geweckten Erwartungen erfüllen kann. Gleich mal bissl digital stöbern.
Mach das mal. Lohnt sich. Ein paar eher ruhige Songs sind aber auch mit oben, wie schon beschrieben.
Hab die Hälfte der Platte schon durch. Die werde ich mir definity in physischer Form holen.
Witzig. Verdeutlicht mir gerade wie "dragged out" (Danke, Chelsea Wolfe) ich lange Zeit war. Muss Jahre her sein, dass ich was für mich Neues erst durch den offiziellen Teil von laut.de kennenlerne (die fruchtbareren userthreads der üblichen Verdächtigen natürlich ausgenommen).
*definitiv
Cool. Das freut mich. Bin da auch eher zufällig drüber gestolpert, aber aufgrund der sehr guten Bewertungen auf Pitchy und Co. musste ich mal ein Ohr riskieren und sie hält für mich die Vorschusslorbeeren durchaus stand. Sehr schöne Entdeckung, die ich auch in weiterer Zukunft weiterverfolgen werde.
Bei (halb-)japanischen Sängerinnen denke ich zumindest ja zu häufig und reflexhaft an überdrehte, aufgeregte Timbres, die ganz ohne nach Overkill-Highpitch klingen. Auch dahingehend bietet Mitski ja leidenschaftlich Contra.
Nee, wirklich guter Tip und deine Worte sind keinesfalls zu hoch gegriffen. PJ-Vergleich ist durchaus angebracht. Im zweiten Absatz meintest du, dass dies schon die fünfte Platte ist? Werde mich da sehr sicher auch mal an ihre musikalische Vergangenheit wagen.
*ohne Technik...
Verflixt, Edit.
Die ersten beiden Platten sind ja durchaus kunstvoller Art-Pop mit Piano und Streichern. Etwas völlig anderes. Auf den letzten beiden Alben lässt sie aber auch die Gitarre laut schrammeln. Dazwischen gab es noch eine Liveplatte.
gratulation zur ersten rezi, lieber toni das wurde ja zeit
Danke. Waren drei Tage intensive Arbeit.
Hab aber auch das Portrait dazu geschrieben.
schon klar den wortlaut lese ich morgen in ruhe
Wer von euch korrigiert eigtl. seine Kasus-Schwaechen? XD
Die werden halt ganz schnell wieder ausgemerzt.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
tonitasten jetzt der neue betriebspraktikant ?