laut.de-Kritik
Auf Augenhöhe mit Haftbefehl, Sido, Azad u.a.
Review von Laura SprengerDass zwischen zwei Releases drei Jahre ins Land gehen, kann man im hiesigen Rap-Zirkus durchaus ungewöhnlich nennen. Doch statt den Hype ausnutzen und kein Jahr später einen zusammengeschusterten Schnellschuss vorzulegen, gönnte sich MoTrip nach seinem gefeierten Debütalbum "Embryo" eine kleine Pause. Nicht, dass er in dieser Zeit auf der faulen Haut gelegen hätte: Lieber featured er Gott, die Welt und deine Mudder, also unter anderem Genetikk, Fabian Römer, Chefket, Elmo, Ali A$, Tua, Chima Ede und, und, und.
Zwischenzeitlich schlich sich allerdings eine kleine Depression ein, sodass der 27-jährige die Musik beinahe an den Nagel gehängt hätte. Aus so einem Loch kann einem im Grunde nur eine Person heraushelfen: Die Rede ist natürlich von "Mama". Angesichts des Resultats kann man sich bei Frau Moussaoui eigentlich nur bedanken. Perfektionismus und hohe Ansprüche an sich selbst gestalteten den Entstehungsprozess zwar sicher nicht einfach. Doch das Resultat knüpft in seiner Mischung aus Selbstbewusstsein und Nachdenklichkeit nahtlos an den Vorgänger an und legt sogar noch eine Schippe drauf.
Das Beachtlichste ist, dass man "Mama" den zweifellos mühseligen Arbeitsaufwand in keiner Weise anhört. Der Aachener trägt verschachtelte Reimstafetten leichtfüßig vor, verpackt die Geschichten in unzählige Sprachbilder und versprüht im Vorbeigehen sein sympathisches Charisma. Getreu der zuerst ausgekoppelten Single "Mathematik" kann man das Album thematisch vierteln: Klassische Representer dominieren das erste Kapitel, MoTrips Sicht auf die Szene das kurze zweite. In Kapitel drei spielen die Featuregäste die Hauptrolle, während sich das letzte eher deeperen Themen widmet. Aber der Reihe nach.
"David Gegen Goliath" liefert mit wuchtiger Hook und harten Drums den perfekten Opener: Mo 'Dirty Shit' Trip, der "mit nur einer Steinschleuder das Imperium zerstört", vermittelt sein künstlerisches Anliegen mit gesundem Selbstbewusstsein. So mühelos, wie sich der "Kanacke mit Grips" durch die Welt der "Mathematik" flowt, erscheint das kaum zu hoch gegriffen. Der pfeifende und scheppernde Beat erinnert daran, dass das Produzentenduo David x Eli ebenfalls für Ali A$' "Amnesia" verantwortlich zeichnet und unterlegt den durchgehend zitierwürdigen Text perfekt:
"Egal, bring' mir die besten zehn und pack' zwanzig drauf, diese neunmalklugen Typen fliegen achtkantig raus / Wenn der Siebenschläfer wiederkommt und Sechsen verteilt, wird das fünfte Element in seinen Texten erscheinen / Früher Vierspurgerät, Bruder, jetzt mp3 - Projekt Nummer zwei zieht direkt auf die Eins!" Halleluja. "Wie Ein Dealer" dagegen übersetzt den Schreibprozess eins zu eins in den Tickerjargon: "Ich hab' jahrelang geflext und das Reinste geliefert, deshalb leg' ich jetzt meine Lines wie ein Dealer." Selten klang übers Schreiben schreiben so gut.
"Trip" ballert dank des echoartig wiederholten Wortes ordentlich, leitet mit subtiler Kritik aber bereits das zweite Kapitel ein: "Wir reden über Beef, andere kämpfen im Irak." "Wut" und "Hype" gemeinsam mit Bruder Elmo machen deutlich, dass im Rapgame so einiges schiefläuft: "Früher wollte man noch rappen, um die Kids zu motivieren, heute geht es nur darum, ein paar Klicks zu generieren." Aber nicht nur die Produzenten kriegen ihr Fett weg, MoTrip übt auch Kritik an sprunghaften Konsumenten, die nur darauf warten, sich auf das nächste große Ding zu stürzen.
Die eindringlich transportierten Gefühle machen nach vorne peitschende Beats in diesem Fall obsolet. Ohnehin gestalten sich die Hauptproduktionen größtenteils eher sanft, sodass der von Farhot kreierte, trappig-galaktische Beat mit stilsicher platzierten Cuts bei "Hype" sofort positiv auffällt. Eher negativ dagegen wirkt sich Samy Deluxe aus, der mit "Fan" das dritte Kapitel einläutet. Wirklich schlecht klingt sein Part zwar nicht, kratzt aber doch irgendwie am bisher so homogenen Gesamtbild. Doch auch MoTrip sprüht hier nicht gerade vor Ideenreichtum, sondern bedankt sich bloß artig bei den Vorbildern von einst: Samy, Savas, Sido und Azad.
Wie passend, das Letztere gleich auch noch zum Einsatz kommen. Und siehe da, Siggi liefert seit "Eazy" mit B-Tight tatsächlich mal wieder einen unterhaltsamen Part, bei dem er nicht gnadenlos gegen seinen Kollabo-Partner abstinkt. In "Kaltes Wasser" machen er und Mo dem Hörer weiß, dass man in der Schule wahrlich kein Genie sein muss, um sein Glück zu finden. Oder so ähnlich, Sido formuliert das so: "Ich hätte Kanzler werden können, oder auch Pilot / Ist mir egal, wenn ich kiffe, bin ich auf dem Mond".
"Lauf Der Zeit" mit Azad und Manuellsen ist im Grunde nicht weiter erwähnenswert, da wenig originell, und wird von Haftbefehls Einsatz auf dem darauf folgenden Titeltrack regelrecht plattgewalzt. Während MoTrip sich noch an die Flucht aus dem Libanon und Mamas unerschütterlichen Glauben an das Gute erinnert, platzt der Offenbacher mit "Mein Magen knurrt, es ist kalt, ich trag' den Turban um den Hals und kämpf' um unser Brot, ey, Mama" ins Geschehen und erweitert es um seine persönliche Facette: "Du hast ein' kriminellen Sohn, ey, Mama." Hat man den ersten Schock überwunden, kann man das auf den ersten Blick ungewöhnliche Zusammenspiel wirklich nur feiern.
Das finale Kapitel ist nicht nur das längste, sondern bietet auch Anlass für einen kleinen Wermutstropfen. Auch wenn es mit "Malcolm Mittendrin", das sich allen missverstandenen, einsamen, stillen Helden der Gesellschaft widmet, wirklich stark beginnt, schleichen sich hier ein oder zwei Lückenfüller ein: "Selbstlos" mit Akustikgitarre, einem Refrain à la "Wir träum'n von einer besseren Welt, denken an alle und vergessen uns selbst, denn wir sind selbstlos" und zu allem Überfluss einem Kinderchor, der auf grausame Weise an "All 4 One" erinnert, ist dann wirklich zu viel des Guten.
Der Text von "So Wie Du Bist" klingt gelesen zwar auch ein wenig kitschig, stellt sich in der Realität aber schlichtweg als schön heraus. Beziehungstracks begegne ich grundsätzlich eher mit Misstrauen, aber die persönliche Note und allem voran Larys Einsatz, mit dem sie so manche Vorgängerin in den Schatten stellt, machen den Song zu einem Höhepunkt. Die Leichtigkeit des Sounds und die ebenfalls angenehme Singstimme des Rappers beschwören trotz aller Schwertmut immer einen Funken Hoffnung.
"Keiner weiß, ob die Zukunft was bringt." Aus diesem Grund widmet sich MoTrip lieber der "Gegenwart" und inszeniert sich im Finale als verlorener König, der auf seinen Thron zurückgekehrt ist. Und das zu Recht. "Mama" mag kein perfektes Album sein, aber der Protagonist glänzt mit seinem Gespür für die richtigen Worte, Flow, Stimmeinsatz, Beatauswahl sowie Vielseitigkeit und lässt dabei einige Kollegen alt aussehen. Und nach wie vor gilt ohnehin: "Er scheißt auf Old School und New School, er macht Mo School und geht seinen eigenen Trip."
33 Kommentare mit 47 Antworten
Release-Häufigkeit bzw. Dauer zwischen den Releases finde ich völlig ok, sehe eher Künstler zweifelhaft die jährlich oder gar noch öfter releasen..
Singles sind ok, sein Handwerk hat er super drauf, generell hat mein Interesse an Trip aber nacheglassen, Rap über Rap und dann doch eine ziemliche Image-Losigkeit lassen ihn spätestens beim zweiten Album ein wenig fad dastehen, muss ich "eingestehen".
Wer alle zwei Monate ein neues Album will, kann ja weiter Fler hören. Fand MoTrip bisher nie so interessant, die Single gefällt mir aber sehr. Und den Verzicht auf jeglichen Image-Kasper-Maskenquatsch finde ich ziemlich sympathisch. Werde mal ein Ohr rsikieren.
Lautuser, behauptest du nicht immer, dass es dir nur um die Musik geht und dir ein Image nicht wichtig ist?
I smell WENDEHALS!
Dieser Kommentar wurde entfernt.
Naja.. ein Künstler muss schon was "griffiges" haben, ob man das zwingend Image nennt - evtl. habe ich das nicht korrekt ausgedrückt.
Aber MoTrip erscheint mir die jüngsten Tage, die Interviews und Singles später irgendwie etwas "durchsichtig". Vortrag ist geil, Stimme finde ich immernoch herausragend, das ist schon alles sehr solide.. aber so Mathespielchen z.B. - kickt mich nicht.
Morpho: Link ungesehen gelöscht, von Dir kommt ja in Bezug zu mir gar nix vernünftiges mehr, dann lieber schon zumindest was formuliertes a la Craze, aight.
John Frusciante hat 6 Alben in einem Jahr rausgehauen, ohne dass da irgendwas schlecht geraten wäre. Wie passt das jetzt zu deiner Aussage? Oder ist das nur auf Rap bezogen? Und wenn ja, warum?
#schande #lautiistkeinehrenmann
Aha...ich erinnere mich an Zeiten, als MoTrip für dich "der Shit" war, da war er 1zu1 so unterwegs wie heute...Wendige Manöver mal wieder von dir.
Dude: Natürlich, wenn ein Genie getrieben ist und viel Output hat ist das eine Sache und völlig ok.
Aber grad im Deutschrap released ja so mancher Künstler schon inflationär (Fler, Bushido, etc - hauptsache jedes Jahr ein Album, am besten noch ein Kollabo-Album und direkt das nächste ankündigen.) - das war gemeint. Die machen das doch nur für die "eh kaufenden Fanbase", denen geht es doch gar nicht mehr um Qualität in der Kunst, das ist dann Stangenware.
Es gibt immer Genie-Ausnahmen und Stangenware-Releaser - sicher in jedem Genre.
Jetzt besser?
Craze: Jup, embryo habe ich gekauft und MoTrip damals sehr gefeiert - das sich Geschmäcker entwickeln und verändern wirst Du nie verstehen, oder?
sehe das mit den jährlichen releases ein wenig anders...die heutige zeit ist schnellebig, meist wird schon 7tage nach release nicht mehr von den jeweiligen alben gesprochen...es macht daher keinen sinn jahrelang zu warten bis man wieder was veröffentlicht, zumal die qualität ja auch nicht automatisch steigt je länger man sich zeit lässt. heutzutage muss man oft und regelmäßig alben raushaun, weil sonst die karawane weiterzieht...hart aber isso
Die Karawane zieht weiter - der Sodhan hät Durscht!
Joa, was die Karawane macht ist mir ziemlich Wumpe - dahingehend hast Du sicher Recht. Und klar, ne große Zeitspanne macht nicht automatisch ein gutes Release, iz so.
DASS sich ein Geschmack weiterentwickelt, liegt wohl in der Natur der Sache, bei dir geht es aber um das WIE, lauti. Vom talentiertesten Rapper des Landes hin zu nur so mäßig interessant, ohne dass er seinen Stil jemals groß verändert hätte, wunderst du dich da ernsthaft darüber, dass die anderen sich über dich wundern?
Ne, darüber wundere ich mich schon lange nicht mehr.
Es ist halt der klassische Wendehals-Move:
Es gibt einen Hype -> Wendehals-lauti feiert diesen Hype so laut und so offensiv wie möglich, um sich dann später als First-Mover zu brüsten.
Der Hype bestätigt sich nicht -> Wendehals-lauti ändert still und leise seine Meinung, war ja aber auch eigentlich nie so ein richtiger Fan etcpp.
Ganz normale Moves vom Wendehals Numero Uno.
Jetzt muss er halt Xatar Fan sein. "Haha, Mantel! Mein Kardes Giwar!"
Craze, der kleine Provo-Racker wieder..
Und Morph ganz bemüht hinterher. Lob für euch Beide!
Das einzig bemühte ist dein Drang, akzeptiert zu werden. Und das geht am besten, wenn man mithyped.
Schade nur, dass ich keinerlei Drang habe hier (?) von irgendwem (von wem genau?) akzeptiert zu werden.
Mal nicht von sich auf andere schließen, Boi.
Und warum benimmst du dich dann so behindert?
Na, damit sich Bois wie Craze und Morpho dolle aufregen!
Nein Quatsch, icke bin icke - ist halt so. Das mag so superduper Quakies wie den o.g. nicht gefallen, so ein Ärger.
Aber Behindi, Dich find ich dope, nach wie vor!
Dieses HipHop-Geschäft ist heutzutage auch verflucht windig, da ist die adenauerische Grundhaltung irgendwie nachvollziehbar.
Habs jetzt 2x gehört catched mich jetzt aber nicht so richtig. Finde die Beats größtenteils ziemlich austauschbar und das Album insgesamt wenig spannend. Der Sido Track ist wie so oft kacke, das Samy Feature dagegen fand ich eigentlich ganz gut. Wirklich positiv ist der Track mit Haftbefehl, schon alleine weil er ein sehr interessanten auf dem Beat flowt.
Fazit: Ein Album das ich gerne mögen würde, es aber einfach nicht richtig zündet. Trotzdem solide Kost 3/5.
Typisch, die besten Tracks (mit Azad und Samy, der hungrig wie kaum sonst einer klingt und trotzdem perfekt flowt) runtergemacht und mal wieder Hafti aus Prinzip gefeiert.
Stimme azzih zu mit dem was er über die Beats sagt, dennoch ein gutes Album, vor allem weil die Texte im Vergleich mit dem größten Teil vom restlichen Deutschrap wirklich richtig was aussagen und meiner Meinung nach echt klug sind, ohne dabei besserwisserisch oder altklug zu wirken.
Würde 3,5/5 geben
Unglaublich lahmes Album. Habe das Teil gestern aus einer Laune heraus doch einmal komplett durchgehört und muss leider sagen, dass dieser Mangel an Charisma, Humor und Biss wirklich erschreckend ist. Lediglich "Lauf der Zeit" und vor allem der Titeltrack lassen das Album kurzzeitig leben, was selbstredend nicht am Gastgeber liegt. Der hinterlässt durchweg einen zahnlosen, angepassten, bemüht nachdenklichen bis selbstmitleidigen Eindruck, wobei Letzteres auch einfach am fehlenden Druck und Feuer liegen kann. Ich konnte mich beim besten Willen spätestens im letzten Viertel nicht mehr auf die Lyrics konzentrieren. Auch die Beats treffen leider überhaupt nicht meinen Geschmack. Schwer zu sagen, ob ich dieses Album oder "Achter Tag" für überflüssiger halte. Von Herzen 1 Punkt. Ach, MoTrip, wärst du doch Fan geblieben...
Word, richtig egal.
Gute Review.
Aber Selbstlos ein Lückenfüller?? Echt jetzt?
"Du musst endlich all die Ketten sprengen/Wege sind jetzt frei/
Wenn du nicht mehr um die Ecke denkst/Drehst du dich im Kreis/"
"Wenn dein Körper nicht mehr kann und nur dein Geist dich stärkt/ Hast du Angst davor, dass all der Schmerz dein Herz zerreisst, doch gerade in der schwersten Zeit, erschaffen wir ein Meisterwerk/"
Mit das Beste was ich in den letzten Jahren gehört habe, in punkto Aussage und wie die Ryhme gesetzt sind.
Ist natürlich immer Geschmackssache, doch Mama ist für mich eines der besten Alben. Kein Ghettogehabe was eh alles Fake wäre. Er rappt weil er es kann und etwas zu sagen hat. Schon allein Mathematik zerfickt lyrisch die ganzen Rapper. Ohne zu dissen oder drohen nur mit Wortspielen dominieren. Mo Dirty Shit hat so gut wie alles rasiert - Tyson Schnitt!
Ich hab mit ihm weiterhin das Problem, dass der Typ sehr, wie sagte einer oben, ja EGAL ist
Textlich hin und wieder Lichtblicke und auch die Beatstruktur bietet dank starker Produzentenwahl viel Abwechslung, wenn nicht der Hauptinterpret trotz prägnanter Stimme mir immer vorkommt wie ein Schluck Wasser
Mir entweicht beim Thema MoTrip immer ein laues Gähnen, ich habe mir nicht ein Interview angesehen, nicht eine auf Papier gebrachte Darstellung komplett gelesen, nicht eine News verfolgt oder sonstiges Material unterhaltend konsumiert
Ihm fehlt, welch wiederkehrende Floskel, die Persönlichkeit
Ich gebe mir seine Songs, höre manche recht gerne und dennoch bin ich nicht wirklich dabei, sondern nur passiver Zuhörer, der den Worten eines Unbekannten lauscht
Er mag ein netter Mensch sein, der Werte vermitteln kann und muss sicherlich nicht künstlich auf verbrecher machen um einen Status zu erarbeiten aber er ist als person ans ich unspannend und uninteressant
Der Erfolg gibt ihm zwar auf der einen Seite recht und den hat er auch verdient, auf der anderen sind mir Menschen komplett ohne Ecken und Kanten auf Dauer zu langweilig, selbst wenn es dann nur um Musik geht
Habe Mama noch gar nicht gehört. Kenne nur diese Hitsingle mit den 2 naisen Ischen. Bei aller Sympathie für Mo, schätze dabei bleibt es. Bei allem Können bleibt er dennoch irgendwie blass, ja.
Starkes Cover:
https://youtu.be/BHxe9Q2qTrs?t=125