laut.de-Kritik

Das bisher vielseitigste Album des Deep House-Virtuosen.

Review von

Passender als "Yesterday's Tomorrows" könnte ein Name für ein Album des Wahlberliners Moomin kaum ausfallen, zeichnet sich sein Zugang zum überstrapazierten Genre-Monstrum Deep House schließlich seit jeher durch Melancholie, Tiefgang und Kredibilität aus.

Exemplarisch dafür steht der verträumte Opener "Daysdays", der ebenso gut auf den vorherigen beiden Alben "The Story About You" und "A Minor Thought" seinen Platz gefunden hätte: Der altbewährte Mix aus verspielten 808-Beats mit üppig eingesetzten Rimshots, kühlen Fender Rhodes-Akkorden und dezenten Samples offenbart auch nach fast einer Dekade keinerlei Abnutzungserscheinungen.

Gleiches gilt für "In Our Lifetime", das allerdings schon etwas an Tempo und Verve hinzugewinnt. "Shibuya Feelings" hingegen erweckt vor dem geistigen Auge den gleichnamigen Tokioter Bezirk mit einem vertrackten Beatschema und ausufernden Flächen zum Leben, ganz egal, ob man bereits dort war.

Schon nach drei Tracks ist klar, dass Sebastian Genz hier sein bislang vielseitigstes Album vorlegt. "Maybe Tomorrow" beispielsweise setzt reduzierte Lo-Fi-Breaks ein, die der Melodie Raum zur Entfaltung gewähren und damit Pate für einen potenziellen Sommerhit stehen.

Einen Aufbruch zu bislang ungehörten Ufern deutet anschließend "Move On" an. Der hektische D'n'B-Rhythmus mit hypnotischen Synthesizern kontrastiert ein schwermütiges Mélanie De Biasio-Sample, woraus sich das ungemein fesselnde Kernstück des Albums ergibt.

Allgemein nimmt "Yesterday's Tomorrows" vorsichtig Abstand von weitestgehend gleichmäßigen 4/4-Beat-Patterns, wie sie Moomin vormals in stärkerem Maße auszeichneten. Diese Experimente gelingen auch deswegen, weil Genz längst niemandem mehr etwas beweisen muss, sie deswegen nicht zu gewollt wirken und mit einer fast spielerischen Leichtigkeit ins Ohr gehen. Das jammige "Into The Woods" mit weiteren D'n'B-Anleihen dient hier als weiteres Musterbeispiel.

Ohne Vorgeplänkel läuft danach das finale "Fruits" an, das sich trotz Bläsersamples und lebhaftem Beat demonstrativ zurücklehnt, auf diese Weise alte und neue Vorzüge vereint und das Album nach einer knappen Dreiviertelstunde beschließt.

Vor allem die gesamte Konzeption der Spielzeit verdient ein Lob: Moomin wagt sich von bekannten und längst gemeisterten Gefilden nach und nach in eine experimentellere Umgebung aus Breaks, Hip Hop-Beats und Uptempo-Anleihen, die eine zuvor nicht gekannte Genre-Fluidität des gebürtigen Kielers zum Vorschein bringt.

Trackliste

  1. 1. Daysdays
  2. 2. In Our Lifetime
  3. 3. Shibuya Feelings
  4. 4. Maybe Tomorrow
  5. 5. Move On
  6. 6. 949494
  7. 7. Into The Woods
  8. 8. Fruits

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