Alexa, Google Home und Apple Homekit erobern die Wohnzimmer. Das Zauberwort heißt Metadaten.
Konstanz (ksc) - Ein wenig schöne neue Welt in die Wohnzimmer bringen, das ist der Anspruch, den Amazon und Google in ihren Werbespots zu ihren Smart-Home-Systemen Alexa beziehungsweise Google Home erheben. Die Telefone sind es schon, die Eigenheime sollen es werden, smart, praktisch, so entworfen, dass sie auch von der technophoben Oma oder einem Dreijährigen auf LSD bedient werden können. Was in diesen Spots nie fehlen darf: "Alexa, spiel doch mal was Fröhliches." Musik ködert auch hier wieder erfolgreich.
Technischer Fortschritt im Bereich der Musik, soweit es den Endkonsumenten betrifft, bedeutete immer, ihm Weg, Gedankengang, Mühsal zu ersparen. Der "Smart Speaker Report" von NPR und Edison Research vom Frühling dieses Jahres nennt ganz generell "to make it easier to do things" bei 69 % der Kaufinteressenten als treibende Motivation. Alle 20-25 Minuten aufstehen, die Nadel herunter nehmen, die Platte wenden, die Nadel wieder darauf tun: Das muss nicht sein. Die CD hat das Problem noch einmal weitere 20-25 Minuten nach hinten verschoben, wenn auch nicht gelöst.
Der verdammte Abstand zwischen Arsch und Anlage
Smart Speaker reduzieren nun erneut die unüberwindbare Distanz zwischen Arsch und Anlage. Ihr aktueller Erfolg – die neue Technik verbreitet sich schneller als jede andere zuvor - ist beachtlich für ein Produkt, das bislang sicherlich noch in den Kinderschuhen steckt. Beschränkt es sich doch bislang darauf, eben einfache Handgriffe daheim überflüssig zu machen. Licht an, Licht aus, Alexa, wie wird das Wetter heute, Alexa, wann fährt die nächste Bahn, oder, die beliebteste Anwendung, Alexa, spiel Musik.
Das hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir Musik konsumieren. Spotify hat das erkannt und genutzt, indem es dieses Konsumverhalten befördert : Mittlerweile sind bekannte, offiziell kuratierte Playlists eine große Chance für Künstler und die Plätze darauf heiß begehrt. Neben Listen, die nach Genre sortieren, werden solche für spezielle Anlässe und Stimmungen immer wichtiger: Fitness, kalte Regentage, warme Regentage, Frühling macht‘s mit blauem Band, Sommer, Herbst, Herbstgefühle (saisonübergreifend), Herbst Chill Out, Winter, Party (Apres-Ski/Kein Apres-Ski) etc.
Das Zauberwort heißt Metadaten
Diese Entwicklung führt dazu, dass Musik in Zukunft anders kategorisiert werden muss als bislang. Die noch aus analogen Plattenladenzeiten stammende Ordnung nach Alphabet oder Genres verliert an Bedeutung. Das Zauberwort heißt Metadaten, da die traditionellen (Rock, Pop, Rap etc.) nicht mehr ausreichen, um die Bedürfnisse der Anwender zu erfüllen. Damit die mit dem Smart Speaker verbundene "KI" den Befehl "Spiel etwas fröhliches/ melancholisches" richtig verarbeiten kann, muss Musik mit entsprechenden Metadaten an (im Fall von Alexa) Amazon Music ausgeliefert werden.
Schon jetzt bietet Spotify Playlists wie "Dein Mix der Woche" an, basierend auf einem komplexen Algorithmus, der erstaunlich präzise musikalische Interessen extrapoliert, indem er eine große Menge an Daten abgleicht. Bei diesem Analyseverfahren berücksichtigt Spotify Texte im Internet über bestimmte Musik genauso wie die Texte der Musik selbst, das Verhältnis von Schnittmengen zwischen Usern zu ihren Unterschieden im Hörverhalten sowie rein musikalische Faktoren wie Tempo, Harmonie, Rhythmus etc.
Das Spiel der Big Player zielt auf Kontrolle
Natürlich ist jedes Label erst einmal bestrebt, die eigenen Künstler so gut es geht im Markt zu positionieren. Deswegen werden sie die Metadaten liefern, die großen Speaker-Hersteller müssen sie noch nicht einmal explizit anfordern, es ist schlicht ökonomisch geboten. Gerade Indie-Labels, die davon leben beziehungsweise damit anwerben, ihren Künstlern Freiheit vom Diktum des Vermarktbaren zu verschaffen, kommen nicht darum herum, ihre Künstler in Schubladen, in "Moods" einzusortieren. Die Logik des Internet-Kapitalismus, die Daten von Nutzern zu verwerten, welche diese ihnen im Austausch gegen Bequemlichkeiten in der Kommunikation freiwillig veräußern, dehnt sich auf den Kulturbereich aus. Wieder geht es um Marktmacht: Amazon, Google, Apple befinden sich in einer Position, in der kein Weg an ihnen vorbeiführt.
Der Smart Speaker ist wie jede Technologie erst einmal unschuldig. Wer die Technologie kontrolliert, ist die große Frage, und die lässt sich, wie oben ausgeführt, leicht beantworten. Das Spiel der Big Player, egal, wie sie das in ihren hippen Werbespots kassieren, zielt auf Kontrolle. Über unsere Daten, unsere Privatsphäre, unseren Musikkonsum. Smart Speaker sind so nur ein Nebenschauplatz in einem Prozess, in dem das radikaldemokratische Medium Internet, und damit alles in ihm, so auch die Musik, immer weiter oligarchisiert wird.
Dieser Text ist eine Kurzfassung des gleichnamigen Beitrags auf blog.laut.fm:
6 Kommentare
Ich komme da echt nicht drauf klar, wie man es für einen guten Deal halten kann, sich eine weitere potenzielle Datenkrake ins Haus zu stellen nur für den wahnsinnigen Komfortgewinn, seinen Arsch nicht mehr von Sofa oder einfach nicht mehr eine konventionelle Fernbedienung bzw. ein Smartphone benutzen zu müssen.
Ich verstehe auch nicht wie man sich so ein Abhörgerät kaufen kann. Früher war das illegal und hieß Wanze. Ich habe auch ein Spotify Abo. Fürs Auto oder wenn Besuch da ist eine tolle Sache. Auch zum mal reinhören in Alben eine nette Sache. Richtig Musik hören, das heißt für mich ein Album von Anfang bis Ende, mache ich mit dem Medium Schallplatte. Dann aber in aller Ruhe. Ich will nicht, dass mich jemand bevormundet und mir irgendeine Musik vorschlägt. Auf die Suche nach neuer Musik begebe ich mich selbst, da brauche ich keine künstliche Intelligenz oder irgendwelche Algorithmen! Vermutlich bin ich da aber eine Ausnahme. Das wird mir klar, wenn ich die heutigen Jugendlichen beobachte. Sie wachsen mit so einem Zeug auf und konsumieren Musik über irgendwelche billig Bluetooth Lautsprecher, muss ja alles immer und überall verfügbar sein. Da tut mir die analoge Entschleunigung richtig gut.
Die perfekte Fremdbestimmung! In meiner Freizeit will ich alleine entscheiden was ich wie höre! Im Radio kommt auch immer das selbe. Da mach ich doch lieber beim Vinylhype mit!
ich bin ein Alexa Abhängiger
Dot -> boos Mini (Rado oder Playlist )
fire tv für Waiputv , Youtube-Konzerte, Musik,....
und dabei hilft mir Alexa ungemein weil durch meine MS kann ich die alte Anlage( entsorgt), TV nicht mehr gut bedienen.
Sprachsteuerun per se lehne ich auch ab, und habe selbiges sogar auf dem Smartphone deaktiviert. Alexa und Co kommt mir vorerst definitiv nicht ins Haus. Das ist Bluetooth für mich bequem genug. Bt Boxen halte ich aber für einen großen Gewinn, und wenn man da ein paar zwei bis dreihundert Euro in die Hand nimmt, bekommt man da auch schon recht gute Geräte. Alternativ tut es auch ein Adapter an der herkömmlichen Anlage.
Die Algorithmen von Spotify und Co. finde ich sehr positiv. Sie ersetzen zwar nicht meine althergebrachte Art nach neuer Musik zu suchen, aber sind dennoch eine super Ergänzung. Auf die meisten Artist wäre ich früher oder später auch ohne Spotify gekommen, von einigen habe ich aber auch Monate bis Jahre später noch kein Wort in der Musikpresse gelesen. Mir werden viele Artist vorgeschlagen, die nur wenige tausend Hörer haben, und auf die ich ohne Algorithmen kaum gekommen wäre.
Der Konsum von Musik hat sich aber dennoch zum negativen verändert, da man aufgrund der Überflutung des Angebots, Alben keine Zeit mehr zum wachsen einräumt. Hat man vor 20 Jahren noch Snippets wochenlang gehört, erwisch ich mich mittlerweile immer wieder dabei, wie ich manchen Alben und Künstler ungefähr 2-3 Minuten einräume um mich zu überzeugen. Das wäre ohne Spotify zwar weniger extrem, ist aber auch allgemein der Digitalisierung geschuldet.
So etwas kommt mir nicht in mein Haus. Hat man doch schon bei Southpark und beim Untermenschen Drachen gesehen, dass das mit Alegsa kein gudes Ende nimmt. Lel