"Born In The USA": Der President und der Boss veröffentlichen das Buch zum Podcast. Das passt.
USA (giu) - Als Spotify im April 2021 den Podcast "Renegades: Born in the USA" vorstellte, war die Aufmerksamkeit groß: Was werden sich Barack Obama und Bruce Springsteen wohl zu sagen haben? Wie sich herausstellte, ziemlich viel, und das auch noch unterhaltsam: Acht knapp einstündige Episoden wurden bis Juni 2021 ausgestrahlt, sind vermutlich für alle Ewigkeiten als Stream verfügbar - und jetzt auch als Buch (Barack Obama , Bruce Springsteen, "Renegades - Born in the USA", Penguin, 320 Seiten, 42 EUR).
Der Präsident und der Boss, das passt. Sie lernten sich bei einer Wahlkampfveranstaltung kennen, als Obama zur Präsidentschaftswahl 2008 antrat. Aus gegenseitiger Zuneigung wurde im Laufe der Jahre eine enge Freundschaft. Der musikbegeisterte Obama lud Springsteen mehrmals ins Weiße Haus ein, zum letzten Mal, um sein Team zum Ende der zweiten Amtszeit zu verabschieden. Springsteen erzählte aus seinem Leben und spielte dazu auf seiner Gitarre. Obama legte ihm nahe, daraus eine Show zu machen: "Springsteen On Broadway" war geboren.
Make America great again
Das Hauptthema war jedoch ein anderes: Make America Great Again. Okay, das was der Wahlkampfspruch des Erzfeindes, doch ist es nun einmal ein Merkmal der US-Politik, fast ausschließlich an das Geschehen innerhalb der eigenen Grenzen zu denken. Dass jedem Menschen "Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" zustehen, wie es seit 1776 in der Unabhängigkeitserklärung steht, stellt in den USA kaum jemand in Frage. Was genau dieses "Streben nach Glück ist", bleibt umstritten und sorgt seit jeher für Konflikte.
Obama und Springsteen versuchen, sich einer Antwort aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern. Trump sehen sie nicht als Ursprung des Übels, sondern als Ergebnis einer Entwicklung. In ihrer Jugend in den 1960er und 1970er Jahren (Springsteen kam 1949 zur Welt, Obama 1961) habe Geld nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Nicht, weil sie viel davon hatten, das Gegenteil war der Fall, doch definierte man sich noch nicht über die Dinge, die man besaß. Das änderte sich in den 1980er Jahren, als das Streben nach Glück zum Streben nach Reichtum wurde. Die Gehälter in den oberen Etagen explodierten, während sich die Kaufkraft des Großteils der Bevölkerung stetig verringerte. Selbst schuld, so die Sicht von Trump und Konsorten. Eine Tragödie, so Obama und Springsteen.
Der alltägliche Rassismus
Ein verknüpftes Thema, wenn auch anderen Ursprungs, ist der nach wie vor fest verankerte Rassismus. Am schlimmsten sei nicht der offensichtliche wie der des Ku Klux Klans, sondern der alltägliche. Die Hautfarbe-Karte werde gelegentlich selbst von Menschen gezogen, die man gut kenne, nach dem Motto: Auch wenn es uns beiden beschissen geht, bin ich besser als du, weil ich weiß bin. Eine Diskriminierung, die im Alltag tödlich enden kann, wie stellvertretend der Mord an George Floyd zeigt.
Die Lösungen bleiben wenig greifbar. Wir müssen die politischen und gesellschaftlichen Kategorien überwinden, in denen wir denken, so Springsteen. Wir müssen allen dieselben Chancen geben, angefangen bei der Schulbildung, so Obama. Die Hoffnung haben sie beide nicht verloren. "BARACK OBAMA: 'Ich sage den Leuten immer, ich glaube an eine Aufwärts- und Vorwärtsbewegung der Menschheit. Aber ich glaube nicht, dass sie gerade und kontinuierlich verläuft. BRUCE SPRINGSTEEN: Sie ist sehr krumm und schief. BARACK OBAMA: Wir bewegen uns im Zickzack, mal rückwärts oder in Schleifen."
Die Schleife ist seit einigen Jahren ziemlich lang und steinig, möchte man hinzufügen. Doch gibt es auch viele lichte Momente, etwa, als sie über ihre Erfahrungen mit Autos reden. Sein erstes sei ein Fiat gewesen, "ein furchtbares Auto", so Obama. Er habe erst spät gelernt zu fahren, so Springsteen, dann aber unter dramatischen Umständen, als er mit einem Freund zu einem Auftritt quer durch die USA fuhr und dieser nicht mehr das Steuer halten konnte. Dass Dinge besser werden, zeigt sich daran, dass sie das Thema bei einer Spritztour in Springsteens alter Corvette beginnen, sehr zur Freude des Geheimdienstes, wie Obama zwinkernd meint. Einmal Präsident, immer Präsident, auch in Bezug auf den Personenschutz.
Die besten Protestsongs
Natürlich spielt Musik eine zentrale Rolle. Im Podcast greift Springsteen immer wieder zur Gitarre, was im Buch flach fällt. Dennoch ist das Format nicht verfehlt, denn dafür sind Texte von Reden und Liedern abgedruckt, dazu noch viele Fotos aus den privaten Archiven. Obama veranstaltete im Weißen Haus immer wieder thematische Musikabende. In einem Bild ist Carole King im Abendkleid mit schicken Stöckelschuhen zu sehen. Wenige Seiten später steht dann an selber Stelle Springsteen mit Arbeiterstiefeln und zerknitterten Jeans. Herrlich.
Ein Kapitel befasst sich mit Protestliedern. Welche vier oder fünf die wichtigsten seien, fragt Obama. "Fight The Power" von Public Enemy, erwidert Springsteen. "Anarchy In The UK" oder "God Save The Queen" von den Sex Pistols. "Maggie's Farm" von Bob Dylan, wirft Obama ein. "A Change Is Gonna Come" von Sam Cooke, "Strange Fruit" von Billie Holiday und "Respect" von Aretha Franklin. Doch hauptsächlich reden sie über "American Skin (41 Shots)", in dem Springsteen den absurden Tod des Afroamerikaners Amadou Diallo thematisierte, der von der Polizei in New York erschossen wurde, als er nach seinem Ausweis suchte. Als er das Stück 2001 bei einem Konzert im Madison Square Garden spielte, stürmten erboste Zuschauer die Bühne, während ihm Polizisten den Stinkefinger zeigten.
Entspannte Konversationen
Wie entspannt die Konversationen liefen, die in Springsteens Heimstudio in dessen Anwesen in New Jersey stattfanden, zeigt sich am Foto zu Beginn, in dem Obama in Turnschuhen eines deutschen Herstellers auf einem Stuhl fläzt. Auch nehmen sie sich gegenseitig immer wieder auf die Schippe. "Im Gegensatz zu den Worten eines großen amerikanischen Meisters sind wir nicht zum Rennen geboren. Wir sind dazu gemacht, ein bisschen zu rennen, aber dann nach Hause zu gehen", meint Obama zur Rolle des Mannes - und spielt damit auf Springsteens Lied "Born To Run" an. "Ich weiß, als Präsident hat mans nicht leicht, aber ich will dir erklären, wie schwer es ist, ein Album zu machen", meint Springsteen an anderer Stelle. Obama: "Ein Album zu machen, ist nicht einfach." Springsteen: "Das war nur ein blöder Witz […] Aber du bist drauf reingefallen. Du dachtest kurz, ich meine es ernst!"
Dass sich die zwei selbst in der deutschen Übersetzung duzen (gleich zu Beginn stellt Obama klar, dass er mit "Barack, Mann" angesprochen werden will), zeigt, wie eng sich die beiden verbunden fühlen. Dass sich der ehemalige Präsident der USA, und somit einer der mächtigsten Menschen der Welt, und der größte Rockstar seines Landes, beide zigfache Millionäre, als "Renegades", also "Abtrünnige" bezeichnen, ist natürlich absurd. Dennoch: Auch wenn sie viele interessante Themen - LGBT und Gleichberechtigung im weiteren Sinne, die Klimakrise, der Einfluss von Social Media - nur anschneiden, bleiben viele gute Ansätze, über die es lohnt, nachzudenken. Die größte Erkenntnis ist eine, die bis vor wenigen Jahren eine Selbstverständlichkeit schien: Wenn man etwas erreichen will, muss man sich zusammensetzen und reden. Mit Twitter lassen sich keine Probleme lösen. Höchstens vergrößern.
2 Kommentare
Obama trägt Puma?
Die amerikanischen Medien sind sehr zynisch geworden (bzw. Waren es schon immer), insbesondere bei solchen Hochglanz-Podcasts, wo immer auf Dialog gepocht wird aber man dann doch nur unter sich bleibt, ohne jemanden von der politischen Gegenseite zu Wort kommen zu lassen. Ich bin froh, dass die hiesigen Medien, trotz ihrer Schwächen, nicht so extrem polarisiert sind.