Paul Christoph Gäbler schreibt über "die Kultband aus L.A." Lest ihr lieber direkt die Bücher, die ihm als Quellen dienten.
München (dani) - Nach "40 Jahre Punk" nun "40 Jahre Rockgeschichte": Vier Dekaden Musikhistorie im Schweinsgalopp abzureißen, scheint Paul Christoph Gäbler zu seinem neuen Lieblingssport erkoren zu haben. Bloß ist er, wie es aussieht, nicht besonders gut darin. Sein Buch über Die Ärzte fand ich zwar noch recht unterhaltsam. Dort allerdings trug der Autor sein Fanboytum und die eigentlich ja lächerliche Tatsache, dass er da gerade versucht, über eine Band zu schreiben, mit deren Mitgliedern er nie auch nur ein einziges Wort gewechselt hat, noch offensiv vor sich her. Das verlieh seinem im Grunde zu Scheitern verurteilten Projekt einen gewissen Charme.
Natürlich hatte Gäbler auch mit den Red Hot Chili Peppers keinerlei direkten Kontakt, er erwähnt es diesmal aber nicht extra. Also fehlt "Red Hot Chili Peppers - 40 Jahre Rockgeschichte" (riva Verlag, 128 Seiten, gebunden, 10 Euro) die augenzwinkernde, selbstironische Ebene, und entsprechend krachend geht das Unterfangen in die Hose. Es bleiben gut hundert einigermaßen ungelenk formulierte Seiten, die Gäbler ganz offensichtlich zum größten Teil aus der Red Hot Chili Peppers-Story "Fornication" von Jeff Apter und den Biografien von Anthony Kiedis ("Scar Tissue") und Flea ("Acid For The Children") kompiliert hat.
Ernsthaft, wenn ihr etwas über die Peppers erfahren wollt: Lest doch lieber direkt diese Bücher. Erstens kriegt ihr die Informationen dort aus erster Hand. Zweitens haben deren Verlage nicht, wie es hier geschehen sein muss, das Budget fürs Lektorat gestrichen.
Lektorat? Schon mal gehört?
Jesusmaria. Ich habe schon echt lange kein Buch mehr gelesen, das mir so unentwegt das Bedürfnis beschert hat, den Korrekturstift anzusetzen. Haben sie bei riva wirklich niemanden, der auf Texte einen professionellen Blick wirft, bevor sie in Druck gehen? Schwache Verben, Wortwiederholungen, unnötige Füllwörter, Wortwiederholungen, sinnlose Floskeln, falsch geschriebene Namen (Beasty Boys!!), Grammatikfehler, logische Ungereimtheiten, Wortwiederholungen, Wortwiederholungen ... habe ich Wortwiederholungen erwähnt?
Ohne Scheiß, ich hatte das eigentlich nicht vor, habe irgendwann aber fast zwanghaft anfangen, zu zählen: fünf- bis zehnmal "Band" auf jeder verdammten Seite, garniert mit x-mal "Platte" ... Kollege Gäbler, wenn du das liest: Melde dich! Ich kauf' dir ein Synonymwörterbuch, ich schwöre.
Drama to go
"Mehr als Drogen, Exzesse und Skandale - die Kultband aus L.A. und ihre Geschichte", verspricht der Untertitel. Nun, ja. Zieht man die Ausführungen über Drogen und Exzesse ab, birgt der ohnehin dürre Text nicht mehr sehr viel, das über die Auflistung der ständig wechselnden Gitarristen hinausgeht. Die Erwähnung der Skandale hätte sich Gäbler dagegen wirklich besser schenken sollen, wenn schon keinerlei kritische Einordnung erfolgt.
Mit Blick auf die Opfer fühlt es sich schlicht unangemessen an, erst kapitelweise über die Großartigkeit der (Obacht!) BAND abzukulten, dann irgendwie pflichtschuldig die sexuellen Übergriffe zu erwähnen, derer die Mitglieder beschuldigt (und für die sie zum Teil verurteilt) wurden, und nach zweieinhalb Seiten wieder lustig zum Aufnahme- und Tour-Alltag zurückzukehren, als wäre nichts gewesen. Alltagssexismus, hm, ja, schlimm, ja, hm ... aber, hey, schon gehört? In Rick Rubins Studio spukt es!
Ungemein gefühl- und pietätlos erscheint auch die Beiläufigkeit, mit der Gäbler homophobe Entgleisungen oder tragische Ereignisse in Nebensätzen abhakt. Den Mord an Dave Navarros Mutter etwa, den selbiger als Teenager mit ansehen musste, oder die Tode von River Phoenix oder Kurt Cobain.
Wer soll das lesen?
Welche Zielgruppe haben Autor und Verlag für so ein Buch nur im Blick? Mir versagt über der Frage, wer sich davon angesprochen fühlen soll, echt die Fantasie. Wer wirklich etwas erfahren, tiefer in die (ja durchaus interessante) Materie eintauchen möchte, als es für die Recherche für ein Referat auf Achtklässlerniveau nötig wäre, dürfte von der Oberflächlichkeit der Darstellung schnell enttäuscht sein.
Fans der Red Hot Chili Peppers wissen, was sie hier erzählt bekommen, längst. Sie haben schon vor Jahren die gleichen drei Bücher gelesen, die auch Gäbler als Quellen anführt, und sich dabei wahrscheinlich nicht (wie der Autor im Nachwort) über deren Umfang beklagt. Leute, denen die Formation am Arsch vorbei geht, schmerzt die Lieblosigkeit dieser Publikation wahrscheinlich weniger, allerdings: Warum sollten die überhaupt ein Buch über die Peppers lesen wollen?
Dem Hinweis "Wir produzieren nachhaltig" auf dem Einband möchte ich nach dieser Lektüre widersprechen. Wirklich nachhaltig wäre gewesen, sich diese Publikation zu sparen.
Trotzdem kaufen?
Paul Christoph Gäbler - "Red Hot Chili Peppers - 40 Jahre ..."*
Nicht lieber die?
Jeff Apter - "Fornication"*
Anthony Kiedis - "Scar Tissue"*
Flea - "Acid For The Children"*
Wenn du über diesen Link etwas bei amazon.de bestellst, unterstützt du laut.de mit ein paar Cent. Dankeschön!
Noch keine Kommentare