Das Buch zur großen Ausstellung liefert Interviews, Fotos von Tagebüchern, Instrumenten, Kleidungsstücken und Illustrationen.
Konstanz (giu) - "Time Is On My Side", sangen die Rolling Stones 1964. Ein Titel, der eine nahezu prophetische Qualität besitzt, denn die Zeit hat es mit der Londoner Band tatsächlich gut gemeint. Wie jeder Normalsterbliche mussten die Bandmitglieder im Laufe der Jahrzehnte schlechte Momente und Tragödien ertragen, doch hielten sie stets zueinander. Nach wie vor sind die Stones eine der beliebtesten Rockbands überhaupt - und eine der geschäftstüchtigsten.
Erstaunlich eigentlich, dass "Rolling Stones - Das Musical" noch nicht existiert, Geschichten und Legenden wären ja genügend vorhanden, Hits sowieso. Dafür bietet die Ausstellung "Exhibition" mit Originalartefakten, Multimedia und sogar der Nachbildung ihrer verlausten Wohnung aus Gründungstagen einen Einblick in ihr Schaffen. 2015 war sie erstmals in London zu bewundern, seitdem reist sie um die Welt und zieht alle paar Monate in eine neue Stadt um. "Unzipped" (Edel, gebunden, 288 Seiten, 39,95 Euro) ist so etwas wie der offizielle Katalog, angereichert mit Essays, Interviews, Fotos von Tagebüchern, Instrumenten, Kleidungsstücken und Illustrationen. Alle Mitglieder, die im Jahr 2015 noch dabei waren, kommen zu Wort.
Der Anblick von Charlie Watts' überraschend kompaktem Schlagzeug erzeugt Wehmut, denn er starb im August 2021, kurz vor Veröffentlichung dieses Buches. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass es von den immer dabei gewesenen Mitgliedern ausgerechnet denjenigen zuerst erwischte, der das bürgerlichste Leben von allen führte, ohne bekannte Exzesse und stets mit jener Frau zusammen, die er 1964 geheiratet hatte. Ganz im Gegenteil zu Mick Jagger, der ein Kind hat, das jünger als seine Urenkelin ist, und Keith Richards, dessen Drogen- und Alkoholexzesse Stoff für unzählige Legenden sind.
Davon ist im Buch aber kaum die Rede. Hier geht es es um die Bedeutung des Blues sowie der populären Musik im Allgemeinen und der Rolling Stones im Besonderen, dessen zwei wichtigste Mitglieder Gitarrist Richards und Frontmann Jagger sind. Wie gewohnt überlässt der Erste dem Zweiten nach Intro-Riff und gelegentlichen Soli auch hier die Bühne. Richards' Gitarrensammlung ist beeindruckend, doch ist es Jagger, der den Hauptteil von Buch und Ausstellung mit extravaganten Kleidungsstücken und seiner Liebe für Kunst und Künstler beansprucht. Letztere zeigt sich an der Gestaltung von Tourpostern und vor allem Plattencovern, von denen Andy Warhol zwei verantwortete. Das berühmtere war 1970 das zum Album "Sticky Fingers", das eine Jeans mit Reißverschluss zeigte. Bei der ersten Ausgabe war sogar ein echter Reißverschluss verbaut, der sich öffnen ließ. "Unzipped" ist die kurzweilige Geschichte von dem, was sich hinter ihm verbirgt.
Ausstellungen in Museen sind schmeichelhaft, vermitteln aber auch das Gefühl, zum alten Eisen zu gehören. Die Steine rollen zum Glück nach wie vor. So veröffentlichten sie nach Jahren im April 2020 einen neuen Song mit dem Titel "Living In A Ghost Town", der wunderbar zum gerade stattfindenden ersten Corona-Lockdown passte. Von September bis November 2021 stehen sie in den USA auf der Bühne, um ihre 2017 begonnene "No Filter Tour" zu beenden. The Show must go on, auch ohne Watts. Und, wer weiß, vielleicht fällt ihnen zum 60. Jubiläum 2022 noch etwas ein. Wenn nicht, haben sie sich mit "Unzipped" einen würdigen Grabstein gemeißelt.
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2 Kommentare mit 19 Antworten
#freedrachenlord
Absolut!
#freedrachenloard
#freedorian
Paul McCartney hat ja neuerdings in einer Spitze die Rolling Stones als "Blues Coverband" bezeichnet, was ich witzig fand und was insbesondere zu ihren Anfangszeiten stimmte. Den Weg sind sie ja dann auch in ihren Originalveröffentlichungen gegangen, "The Last Time" ist meines Wissens nach ja auch eine Coverversion eines Gospel Standards, ergänzt um weitere Verse von Mick Jagger.
Die hier angesprochene Sticky Fingers Originalpressung war bereits zu ihrem Erscheinen eher eine Rarität, da die Menschen damals schon das Gimmick des Reißverschlusses so sehr mochten - ich wollte sie damals mit 16 Jahren auch haben, weil ich die Idee so witzig fand. Dabei waren die Rolling Stones niemals wirklich meine Lieblingsband, weil sie immer eine festere Identität und erkennbareren Klang hatten als etwa die Beatles, The Who oder Genesis, die auch mal gerne aus dem üblichen Sound ausbrachen und mal etwas gänzlich experimentelles oder genrefremdes produziert haben. Im Gegensatz zu vielen Fans der ersten Stunde mag ich es, wenn Musiker mal ein wenig aus ihren Anfangstagen ausbrechen und einen komplett überraschen.
Ich habe hier ein kleines Juwel aus der deutschen Sicht herausgeholt - meine Mutter sprach damals kein Englisch und konnte die Texte nicht verstehen, weswegen sie wie viele andere aus der Kriegsgeneration eher Schlager mit seichten, deutschsprachigen Texten gehört hat. Zu der Zeit gab es auch viele Menschen aus den deutschen Nachbarländern, die deswegen Gesang mit deutschen Texten und mit hörbarem Akzent produziert haben, die bekanntesten sind Salvatore Adamo und Karel Gott. Ich mochte Schlager auch ganz gerne, wusste allerdings auch schon als Jugendlicher darum, dass das ganz seichte Musik und eher eine Praline ist, die man später bereut als eine Zartbitterschokolade, die man genießt. Aber um zum Punkt zu kommen - meine Mutter hat den Song "Paint it Black" in der Version von Karel Gott gehört, auf die ich hier auf Youtube mit einem Hyperlink verweise
https://www.youtube.com/watch?v=bwJp_Xh8lP0
Es ist selbstverständlich retrospektiv betrachtet etwas befremdlich, wenn ein Schlagersänger versucht, einen Rocksong inklusive Falsettgesang zu imitieren. Allerdings finde ich das Streicharrangement des Songs sehr schön.
Das Buch hole ich mir vielleicht, es klingt interessant. Ich bin diesen Winter ohnehin pessimistisch, dass es ein halbwegs normales Weihnachtsfest wird, da kann man auch mal in Ruhe zuhause etwas lesen.
Beste Grüße,
Heinz Fischer
"genrefremdes", oha - da hat sich wohl jemand vertippt.
Sehr geehrte/r Vallepupalle,
ich kann keinen Rechtschreibfehler bei dem Wort entdecken. Oder meinst du ein anderes im Text?
Es grüßt,
Heinz Fischer
Sehr geehrter Heinz Fischer,
da es das Wort "genrefremd" nicht im Duden gibt, steht in Frage, auf welchem Wege dieses Wort in Ihren Wortschatz gekommen ist. Ich würde vermuten, dass sie dieses Kleinod laut'scher Kommentarspalten-Lingo entnommen haben, was bei mir Zweifel an Ihrer geradezu demonstrativ zur Schau gestellten Abwesenheit in allen Kommentarspalten außer der ihren aufkommen lässt und dementsprechend die Fassade des älteren hin und wieder seine Memoralien unter ausgewählten Veröffentlichen zu nostalgisch besetzten Veröffentlichungen ausbeitenden Herren bröckeln lässt.
Beste Grüße,
Vall Epup Alle
Lass Heinz Fischer in Ruhe!
Er hat niemandem was getan!
https://www.google.com/search?q=genrefremd…
Bin da schon ein wenig bei Valleboy, der Heinz Fischer Account ist einfach zu schön um wahr zu sein.
Whatever: DANKE für das Cover von Karel Gott, das ist ja pures Gold!
Lass Heinz Fischer in Ruhe!
Er hat niemandem was getan!
Sehr geehrter Vallepupalle,
ich möchte starke Zweifel daran erheben, dass die meisten Menschen vor dem Verfassen ihrer Beiträge Einsicht in den Duden nehmen, um Wörter gemäß der Funktionsweise eines Computers aus einer Datenbank lediglich syntaktisch aneinanderzureihen. Deswegen gibt es Komposita - "aus einem fremden Genre" kann mit dem Begriff "genrefremd" abgekürzt werden, was den selben Sachverhalt verkürzt beschreibt. Gleichermaßen dürfen sie davon ausgehen, dass sich Begriffe ihrem Nutzen im sozialen Kontext nach bilden.
Wenn sie meine Beiträge nicht lesen wollen, empfehle ich das Ignorieren, das sie meinem Schreibverhalten korrekt entnommen haben. Ich habe gestern einen Beitrag kommentiert, in dem ein Mensch den Klimawandel geleugnet hat. Abseits davon kommentiere ich nur Beiträge, die mit meinem persönlichen Musikgeschmack zu tun haben bzw. irgendeine Bewandnis mit einer Geschichte, die ich erzählen könnte. Ich lege ihnen nahe, es mir gleichzutun und werde dieses Gespräch hiermit beenden.
Hochachtungsvoll,
Heinz Fischer
Fischi, Allah. Von meiner Seite aus nur Props, bitte mehr von diesen persönlichen Musik-Geschichten!
lel
Sehr geehrter Heinz Fischer,
ich wünsche weder Sie persönlich anzugreifen noch Ihre Beiträge zu ignorieren - vielmehr stellte ich mein Erstaunen ob dieser einen statistischen Auffälligkeit fest und später klar. Es steht Ihnen und allen anderen, eingeschlossen meiner Wenigkeit, selbstredend frei, diese Website (inklusive Fake-Account-Meta-Game) nach Gutdünken zu nutzen, insofern ebendiese Nutzung im Einklang mit der hiesigen Hausordnung und dem deutschen Recht steht. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gilt meines Erachtens nach auch unter Ihren Beiträgen.
Beste Grüße,
Vall Epup Alle
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Ist ja aber auch nicht so, dass es hier nur die beiden Pole "ist bestens mit dem lautschen Dialekt vertraut" und "hat sich das ganz von alleine ausgedacht" geben kann. Kann ja sein, dass Heinzi hier den Begriff schon das eine oder andere mal gelesen und nur unterbewusst abgespeichert hat und der Begriff ihm dann an relevanter Stelle etwas leichter in den Sinn kam, als es normal der Fall wäre.
Muss sagen mich hat der Begriff auch etwas überrascht, aber ich denke mal Heinzi hat hier seine Aufrichtigkeit und Authentizität schon längst bewiesen.
Auf wen geht "genrefremd" denn jetzt eigentlich genau zurück, wer kriegt die Credits? Sodi? Craze? Wer anderes?
Find Heinz auch dope, echt oder nicht.
Auch noch mal Lob meinerseits fürs Aufspüren der Karel-Gott-Version. Dem Original in jeder Hinsicht überlegen, versteht sich!
Liebe/r Ragism,
ich erkenne natürlich klar den Sarkasmus! Diese Versionen sind allerdings damals recht häufig veröffentlicht worden. Leute aus meiner Generation (Baujahr 1955) haben zumeist schon Englisch als Zweitsprache vermittelt bekommen. Mein Vater konnte Englisch sprechen, meine Mutter hingegen nur Französisch als Zweitsprache. Die Schlagerversionen galten damals selbstverständlich auch schon als altbacken und waren für die Generation meiner Eltern konzipiert.
Ich kann irgendwann vielleicht mal eine Liste von Versionen aufstellen, die ich noch aus meiner Jugendzeit kenne. Eine etwas verspätete Coverversion kam von Holger Thomas, der "The Last Time" gecovert hat. Ging es in der Originalversion um einen Jungen Mann, der seine Freundin verlässt, geht es bei der deutschen Version um einen Mann, der beim Geschlechtsverkehr zu früh ejakuliert. Natürlich maskiert mit etwas spießigem Text, allerdings nicht sehr gut.
https://www.youtube.com/watch?v=_IYyjoSAEhM
Es grüßt,
Heinz Fischer
Lieber Heinz, nein, das war kein Sarkasmus. Karel Gotts jauchzender Schmalz samt Streichern unterhält mich sehr viel besser als der flaumbärtige, damals schon eher gewöhnliche Bluesrock der Stones.
Auch das Cover von "The Last Time" ist herzallerliebst drollig. Danke!
Eine weitere alte deutsche Version eines Stones-Song ist die von Jack White, der Honky Tonk Women coverte
https://www.youtube.com/watch?v=fGe9_Yethvo
Ich durfte ihn auch mal persönlich kennenlernen, weil ich Anfang der 1970er Jahre als passionierter Amateur des TSV Uhlbach in einem Freundschaftsspiel gegen Tennis Borussia Berlin mitgemacht habe. Wir wurden selbstverständlich 5:0 geschlagen, allerdings war es ein schönes Erlebnis, gegen Profis antreten zu dürfen. Der Verein war zu dieser Zeit häufiger in der Ersten und Zweiten Bundesliga vertreten.
Beste Grüße,
Heinz Fischer
Herrlich der Heinz!
Ich beteilige mich mal mit einer Anekdote meiner wirklich frühen musikalischen Sozialisation, Kermit covert die Beatles auf deutsch:
https://www.youtube.com/watch?v=_pUZMjhOehg
Grüße gehen raus an den Morphi!