Als einziger aus dem Favoritenkreis setzte sich Tim Bendzko durch. Ansonsten triumphierte musikalischer Einfallsreichtum über Bekanntheitsgrad.

Köln (sla) - Zum siebten Mal stieg gestern Abend der Bundesvision Song Contest. Tim Bendzko holte den Titel zurück nach Berlin. Nach Siegen von Seeed (2006) und Peter Fox (2009) liegt der Stadtstaat in der ewigen Tabelle des Wettbewerbs weiterhin in Führung.

Der Triumph des Newcomers überraschte nicht. Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass der smarte Singer/Songwriter mit passendem Aussehen, ausreichendem Popstar-Image und der erträglichen Single "Wenn Worte Meine Sprache Wären" ein Kandidat fürs Treppchen ist.

Tim Bendzko erreichte mit 141 Zählern die niedrigste Punktzahl, die je für einen Sieg gereicht hat. Mit 30 Punkten erspielte sich der Berliner dennoch einen komfortablen Vorsprung. Während der Punktevergabe stellte sich so bald heraus, dass der sympathische Sänger auf dem Platz an der Sonne landen würde.

Zahlreiche Überraschungen

Das übrige Ranking spickten zahlreiche, meist sogar erfreuliche Überraschungen. Wer hätte das gedacht? Da sind wohl tatsächlich ein paar Musikinteressierte beim Durchzappen auf ProSieben hängen geblieben. Jedenfalls konnte man nicht zwingend damit rechnen, dass die Zuschauer Mut zur Qualität derart belohnen würden.

Bremen schickt die Überraschung des Abends

Als absolute Überraschung des Abends entpuppte sich Flo Mega aus Bremen. Der Four Music-Schützling landete mit verblüffenden 111 Punkten auf Rang zwei. Mit seinem begeisternden Auftritt hatte sich der Soul-Sänger seine Platzierung redlich verdient.

Erfreulicher dritter Platz

Bosse und Silly-Sängerin Anna Loos komplettierten die Mannschaft auf dem Treppchen. Auch hier hätte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass das Duo 102 Punkte und den dritten Platz erreichen werde. Angesichts der soliden Show und der angenehmen Single "Frankfurt Oder" erscheint auch das Abschneiden der Kandidaten aus Niedersachsen sehr erfreulich.

Den showmäßigen Höhepunkt des Abends bescherten Kraftklub mit ihrem Anti-Hipster-Song "Ich Will Nicht Nach Berlin". "Bei der Platzierung wird es bei uns bestimmt ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz 16", prophezeiten die Sachsen im Vorabvideo mit ironischem Unterton. Mit 89 Punkten, davon 10 aus Berlin, erreichten die Raprocker einen überraschenden fünften Platz und hätten sich noch Besseres verdient.

Enttäuschende Favoriten

Die Mitglieder des Favoritenkreises schnitten - abgesehen von Tim Bendzkos Sieg - eher enttäuschend ab, was dem Abend einen angenehmen Beigeschmack verlieh. Die Gastgeber aus Nordrhein-Westfalen, Frida Gold, erreichten nur Platz sechs (76 Punkte). Die ebenfalls als Gewinner-Kandidaten gehandelten Jennifer Rostock belegten Platz acht (66 Punkte).

Juli gehen unter

Bitter straften die abstimmenden Zuschauer Juli ab, die mit ihrer langweiligen Ballade "Du Lügst So Schön" für Hessen antraten. Die Sieger des ersten Bundesvision Song Contests 2005 erreichten mit zwölf Punkten nur Platz 13 und haben den Zenit ihrer Karriere wohl überschritten. Auch hier war die schwache Platzierung aufgrund mangelnder Qualität völlig verdient.

Talentfreie Moderatoren

Showmaster Elton wurde dieses Jahr dazu degradiert, hier und da mit kurzen Interviews ein paar Eindrücke aus dem Publikum einzufangen. An seine Stelle im Green Room rückte Lena Meyer-Landrut. Sie mühte sich damit ab, die Bands über ihre Auftritte auszufragen. Die Grand Prix-Gewinnerin von 2010 wirkte dabei so leider so unbeholfen, dass teilweise selbst die Kandidaten in Gelächter ausbrachen.

Zahlreiche talentfreie Moderatoren gab es auch bei der Punktevergabe zu sehen, die wie gewohnt Radiostationen aus den jeweiligen Bundesländern gestalteten. Anstatt direkt zum Punkt zu kommen, sahen sich die meisten Moderatoren dazu berufen, mit plumpen Sprüchen für ihr Bundesland zu werben. Ein Großteil der Radiosprecher erschien vor der Kamera völlig deplatziert und zog die Entscheidung nur unnötig in die Länge.

Die Moderation von Stefan Raab und Johanna Klum nahm sich teilweise etwas improvisiert aus und geriet auch nicht sonderlich unterhaltsam. Während Raab sich mit seinem Humor weitgehend zurück hielt, glänzte die Ex-Samajona-Sängerin oft mit dümmlichen Witzen. "Nirgendwo sonst kann man sich eine Wurst in den Mund schieben und dran saugen, ohne wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses dran zu kommen."

Einschaltquoten schwach wie nie

Der Sound, der von der Kölner Lanxess-Arena auf die heimischen Fernsehgeräte gelangte, ging im Vergleich zu den letzten Jahren meistens in Ordnung. Große Akzente setzten die üblichen Halb-Playback-Shows jedoch kaum. Quotenmäßig erwies sich Stefan Raabs Show dagegen so schwach wie noch nie. Mit 1,31 Millionen der 14- bis 49-Jährigen und 12,8 Prozent lag der Bundesvision Song Contest deutlich hinter den Ergebnissen aus dem Vorjahr (1,83 Millionen, 17,0 Prozent).

Der unspektakuläre Auftritt Tim Bendzkos stellte sicher nicht den Höhepunkt des Abends dar. Gerade die großen Überraschungen aus Bremen (Flo Mega), Sachsen (Kraftklub) und Niedersachsen (Bosse feat. Anna Loos) hätten den Titel einfach mehr verdient gehabt. Alles in allem gibt das diesjährige Ergebnis des Wettbewerbs dennoch Anlass zur Freude: Die musikalisch besseren und einfallsreicheren Beiträge haben sich gegen die ätzenden Songs der Favoriten durchgesetzt.

Fotos

Tim Bendzko

Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Tim Bendzko,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen)

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36 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    "Mir fehlen die Worte. Ich hab die Worte nicht ..."

    Naja, fast. Hier dann doch mein Kurzfazit:

    Eigentlich war's ja wie bei Star War's "Clone Wars": Delay-Klon Flo (neuerdings nur noch: "The Move") Mega wurde dabei eindeutig vom Naidoo-Klon um den verdienten Erfolg gebracht.

    Schade, hätte es ihm gegönnt, Song war anständig und seine Performance gut. Kraftklub wäre verdienter Zweiter gewesen.

    Ansonsten überrascht (aber auch etwas erfreut) über die Juli-Flaute. Naja, der Sommer ist ja auch vorbei.

    Achja, und dass Frida sich nicht noch mehr nackig gemacht, hat mich doch schon SEHR gestört. Wozu sollte sie denn sonst auch auftreten?

    Naja okay, dafür gibt's zum Trost ja immer noch die Wichsbilder von ihr aus dem Internet.

  • Vor 12 Jahren

    ah, fridaschnalle und nackig. da sprichst du bei mir was an. schlimm, wie die sich bei jedem noch so kleinem auftritt verhurt. wenn es ginge, würde die doch nackig auf die bühne gehen. für zwei zuhörer mehr.
    klar, dass ist heute gang und gebe. aber bei der fällt mir das irgendwie immer noch mal besonders auf. keine ahnung warum.
    seit wann dürfen frauen eigentlich nur noch in unterwäsche auf eine bühne bzw. rumlaufen?

  • Vor 12 Jahren

    ach und zum thema Tim Bedzko
    ...
    ...
    ...
    ...
    wer???