Zum ersten Mal in der Comet-Geschichte ermittelte ein Publikums-Voting die Gewinner. Mit erwartbaren und zum Teil erschreckenden Folgen. Nur Gentleman und die Toten Hosen lockerten die gepflegte Langeweile auf.
Oberhausen (alc) - Jedes Jahr das gleiche Spiel. Die Preisverleihung des Cometen steht an und man stellt sich unweigerlich die Frage, wer um alles in der Welt das eigentlich sehen möchte. Und doch sitzt man dann selbst debil glotzend vor der Kiste. Da die deutsche Musikindustrie nach wie vor keine Ahnung hat, wie sie die Preisverleihung am besten in Szene setzen soll, wundert es nicht, dass es auch 2005 wieder ganz dolle Neuerungen gab. Die diesjährigen Gewinner ermittelte das Publikum, nachdem zuvor die Charts und die "fachkundige" VIVA/MTV-Redaktion die Nominierung übernahmen. Ist doch auch praktisch. Alle Macht dem Volk. Das nennt man dann Basisdemokratie. Das Volk hat verstanden und votete sich im Internet die Finger blutig.
Das Rahmenprogramm übernahm diesmal Pro 7, und damit das ja alle auch mitbekommen, traten als Laudatoren fast ausnahmslos die hauseigenen Lachnummern auf. Einzig Oliver Pocher mogelte sich gerade noch so durch den Abend. Leider konnte er sich seine Backstreet Boys-Standardnummer nicht verkneifen. Sinnlos, denn wer im Publikum weiß denn heute noch, wer die Backstreet Boys sind? Ingo Appelt scheiterte gnadenlos mit peinlichen politischen Witz-Banalitäten, bis er irgendwann doch erkannte: "lacht schon wieder keiner." Tja, das ist des Komödianten trocken Brot.
Die hormongeschwängerte Fraktion der hysterischen Mädels hielt ihr Dauergekreische bis zum bitteren Ende hin durch, da war selbst ein Stefan Raab hilflos. "Ich bin gespannt, wie lange ihr das durchhaltet" - die Antwort kam prompt und laut. Abseits dieser peinlichen Umstände wurde ab und an sogar ganz ordentlich musiziert. Wir Sind Helden hatten unter einem Mischer zu leiden, der wohl vor ihrem Auftritt zu viel am Gratis-Champagner genuckelt hatte, Fettes Brot boten mit Finkenhauer eine schöne und pathetische Performance. Schön, dass ausgerechnet die Hamburger zwei Trophäen mit nach Hause nehmen durften (Bester Song, Beste Band). Eine richtig große Überraschung der Preis für den Besten Künstler, der doch tatsächlich an Gentleman ging. Er bedankte sich mit ganz großem Live-Sport im Verbund mit den Toten Hosen. Zusammen intonierten sie den Clash-Knaller "Guns of Brixton". Ein denkwürdiger Moment.
Als dann endlich die besten Newcomer an die Reihe kamen, erreichte das Gequieke eine weitere phonetische Steigerung. Tokio Hotel glänzten mit einem Playback-Auftritt, wie auch vorher schon die Hupfdohlen von US 5. Lustig auch DJ Tomekk und F.L.E.R., die eine neue deutsche Welle nach der anderen ins Publikum schwappen ließen. Der sogenannte Super-Comet ging als Extra-Kugel wie auch der Newcomer-Preis an die asiatische Unterkunft: "Wir sind total überwältigt". Um das auch zu zeigen, durften sie noch einmal routiniert zu Klängen vom Band zucken.
Die deutsche Musikszene hat zwar mehr zu bieten als den ewig gleichen Julimond, aber diese Vielschichtigkeit können und wollen die beteiligten Sender nicht abbilden. Egal, wir freuen uns aufs nächste Jahr. Auch 2006 sitzen wir wieder mit einem Bier in der Hand vor dem Fernseher und begutachten die Selbstinszenierung der Corporates. Wie meint Peter Lustig immer wieder zutreffend? "Ihr könnt jetzt ausschalten".
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