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Nicht behindert, sondern scheiße

Aber noch einmal zurück zur Flintenuschi: Glaube zwar nicht, dass "gendergerechte Titel" die Bundeswehr in meinen Augen sehr viel besser dastehen lassen, aber seine Sprache und Ausdrucksweise unter die Lupe zu nehmen und kritisch zu hinterfragen, das kann im Grunde ja nirgendwo schaden. Deswegen lohnt sich auch, die Gedanken von Leon zur Verwendung bestimmter Beleidigungen im Deutschrap zu lesen, die er bei Supernova veröffentlicht hat.

Der Autor ist in der linken Szene aktiv, Hip Hop-Fan und fühlt sich von Worten wie "Spast" oder "behindert" aus nachvollziehbaren Gründen angesprochen. "Als Fan will ich nicht nur Musik aus der Bubble, ich will Hip Hop feiern können, ohne dabei ständig beleidigt zu werden!" Keine übertriebene Forderung, eigentlich.

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„Ich kann wenn ich in den Spiegel schaue, Gott erkennen. Dis is wie N****r: Nur ich darf mich Fotze nennen.“ Coole, empowernde Line von Juju denken sich jetzt bestimmt viele, darunter auch ich. Leider ist Juju oder die jetzt aufgelöste Band SXTN für mich ein Triggerthema. Warum? Weil ich ein Spasti bin, der seit seiner Kindheit Hiphop-Fan ist. Und SXTN hat diese eigentlich gute Line ad absurdum geführt, denn die beiden treten auch nach unten - auf Behinderte, die sie gerne mal als Spast bezeichnen: „Vodka-Energy, Weed und Schweiß Jeder Spast hier im Club weiß, wie ich heiß“ (Von Party zu Party) Ich mache SXTN keinen Vorwurf. Sie stellen sich bewusst in keine politische Ecke, das äußern sie sehr oft in Interviews. Sie sind Rapperinnen. Und Rapperinnen leben von einer großen Klappe und Provokationen. Vielmehr mache ich den Leuten einen Vorwurf, die dazu auf linken oder queeren Soliparties abgehen. Ich mache den Leuten einen Vorwurf, die sagen, Nura würde sich in der queeren Szene engagieren. Ich höre diese empowernden Zeilen und dann „Spast“ oder „behindert“ und ich denke mir: Warum treten marginalisierte Gruppen immer wieder aufeinander ein? Hiphop war mal ein Zeichen des Widerstands gegen das System. Warum kämpfen marginalisierte Gruppen nicht miteinander statt gegeneinander? Den ganzen text findest Du supernovamag.de #ableism #rap #deutschrap #zeckenrap #hiphop #inklusion

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11 Kommentare mit 47 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Ich hab als Jugendlicher gestottert und war in einem Bildungswerk. Darf ich also behindert sagen, schwul aber nicht, weil ich hetero bin? Pseudodiskussion. Der Gedanke ist das Gift, nicht der Ausdruck. Niemand, der im Hip-Hop Kontext diese Begriffe nutzt, meint echte Randgruppen damit. Cyphers gehör(t)en zum Rap dazu und dort hat sich eben etabliert, was als Schwäche im Männlichkeitsgebaren galt. Irgendwie hat es dann etymologisch seine eigentliche Bedeutung komplett verloren. Höre ich einen Wack MC, denke ich "behindert". Sehe ich einen Spastiker, denke ich "Armer Kerl, Hochachtung vor seinem Lebensmut!"

    Im Gegensatz zu aktuellen Diskussion zb um Negerkuss und Zigeunerschnitzel waren "schwul, behindert, Spastiker" etc in ihrer ursprünglichen Form deskriptiv und sind nicht aus Xenophobie oder Repression heraus entstanden.

    Ich hab oft den Eindruck, in der Öffentlichkeit und sozialen Medien sind alle heute toleranter und kosmopolitischer als je zuvor, im stillen Kämmerlein hingegen so reaktionär, dass Björn Höcke die Buchse platzt. Holt das Gift aus den Köpfen, dann sind Worte sowas von egal...

    • Vor 3 Jahren

      Sehe ich einen spastiker/Mongo/behindi, denke ich:" sucht laut.de noch Praktikanten? Wer schreibt in Zukunft den Metalsplitter?"

    • Vor 3 Jahren

      Der Shitstorm, der Serdar Somuncu in den "sozialen Netzwerken" in den letzten entgegen geschlagen ist, weil er genau auf das hingewiesen hat. Ich finde ein Hauptproblem der (vor allem Internet-) Aktiven in diesem Kontext ist, dass es extrem heuchlerisch wirkt. Sehr Privilegierte diskutieren darüber, was gesagt werden darf/kann und was nicht. Meist mit einer extremen sozialen Distanz zu denen, denen sie meinen damit einen Gefallen zu tun. Und ohne, dass relevante Kriterien mit einbezogen werden, oder die Diskussion auf wirklichen wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt wird. Dementsprechend hatte es fast etwas Prezident-eskes, dass genau die Twitter-Weltverbesserer, die er mit seinen Aussagen beschrieben (und provoziert) hat, sich dann in diesen sozialen Netzwerken über ihn echauffieren.

      Als Linker finde ich das äußert schade, da a) relevante soziale Kämpfe kaum noch eine Rolle spielen und b) dieses emotionale aufgebracht sein keinerlei Ziel und wirkliche Agenda hat, sondern peinlich wirkt. Während sich also die rechte Bubble auf Facebook über Merkel echauffiert, echauffieren sich Linke auf Twitter. (in diesem Fall über andere Linke)

    • Vor 3 Jahren

      "Niemand, der im Hip-Hop Kontext diese Begriffe nutzt, meint echte Randgruppen damit."

      Ändert das denn irgendetwas? Deswegen sind es ja trotzdem Begriffe, die synonym mit einer bestimmten Bevölkerungsgruppe sind, die abwertend/beleidigend benutzt werden. Ist halt irgendwie immernoch beschissen oder nicht?

    • Vor 3 Jahren

      Hihi, "Hip-hop-Kontext"...

    • Vor 3 Jahren

      Und irgendwie muss sich die Verwendung ja auch einmal etabliert haben. Man hätte sich auch fünftausend andere Worte dafür ausdenken können, hatte aber kein Problem damit dann die Assoziation von etwas Negativem zu "behindert" herzustellen. Ist halt für mich ein Fall, wo das Gift tatsächlich schon in der Verwendung an sich liegt.

    • Vor 3 Jahren

      Ich finde die Diskussion ist total retrospektiv. Man kann sich natürlich darüber unterhalten, WIESO damals Begriffe wie "Schwuchtel" und "behindert" genutzt wurden. Und daraus schließen, dass vermutlich die Menschen, die dies zu einer Zeit etabliert haben, damit negative Dinge assoziiert haben, speziell Männlichkeit damit negieren wollten.

      Das ändert aber nichts daran, dass es mittlerweile einen Sprachwandel gab. Und dieser dazu geführt hat, dass beispielsweise behindert entkoppelt wurde von dem eigentlich gehandicapten Mensch. Und dass man grundsätzlich nicht jedem, der diesen Begriff nutzt, eine (in diesem Fall) behindertenfeindliche Einstellung unterstellen muss. Ist ja ein klassischer Kategorienfehler. Ich setze in diesem Fall, wie es der Autor tut, Begriff und Denkmuster gleich. Etwas, dass ich 1. nicht nachweisen kann und 2. niemals ganzen Gruppen und einer Vielzahl an Personen sollte.

      Denn prinzipiell sind die Denkmuster und Handlungsmuster von Personen relevant. Und nicht, wie sie sprechen.

      Außerhalb der Diskussion bleibt ja auch immer, dass die, die sich über dieses Thema "Sprache" zu aufregen, selten die in diese Diskussion mit einbeziehen, die wirklich so sprechen. Es ist ja schön unter Intellektuellen darüber zu diskutieren, aber die wenigsten Twitter-Rambos haben die Eier sich mal an ne Hauptschule zu hocken und dort die Jugendlichen zu fragen, wieso die mit solchen Wörtern um sich werfen und was diese wirklich über die entsprechenden Themen denken. Dadurch wird die ganze Diskussion scheinheilig.

    • Vor 3 Jahren

      "Und dass man grundsätzlich nicht jedem, der diesen Begriff nutzt, eine (in diesem Fall) behindertenfeindliche Einstellung unterstellen muss."

      Ne, darum geht es ja (zumindest mir) auch gar nicht. Deswegen ist die Begriffssetzung an sich aber halt trotzdem ziemlich scheiße und es gibt mMn auch keinen guten Grund, warum man die Verwendung unbedingt beibehalten müsste.
      Selbst wenn man jetzt einmal davon ausgeht, dass es bei dem Begriff überhaupt keine Grauzonennutzung gibt und niemand da bewusst oder unbewusst assoziative Brücken schlägt, hast du halt immernoch ein Problem, wenn du einem Behinderten erklären musst, was er jetzt mit einem wack MC gemein hat oder wo da die Verbindung besteht. Und du lieferst Vollidioten immernoch eine perfekte Waffe in die Hand, frei diskriminieren zu können und sich dann billig mit "war ja ganz anders gemeint" herausreden zu können. Die Begriffsverwendung hat schon an sich eine gewisse Grundproblematik und die wird man auch nie ganz wegreden können. Von daher kann man sie halt auch einfach mal begraben.

    • Vor 3 Jahren

      Ich ergänze mal, daß es auch nicht mehr ganz so üblich ist, Menschen mit Behinderungen einfach "behindert" zu nennen. Dadurch ist der Begriff auch eher als Übertreibung verwendbar als das mal der Fall war, was ihn natürlich für nicht ganz so ernstgemeinte Beleidigungen akzeptabler macht.

    • Vor 3 Jahren

      Welcher ist denn nun üblich? Ragindert? :D

    • Vor 3 Jahren

      Komm schon. Nenn mich gern behindert, aber dieser Fail schmerzt auch ohne Badumm-Ts...

    • Vor 3 Jahren

      Nix gegen Mongos hier!

  • Vor 3 Jahren

    man sollte als behinderter halt auch einfach keinen hiphop hören. sondern lieber (black)metal. das ist ein komplettes (sub)genre von/für menschen mit schwerer Beeinträchtigung

  • Vor 3 Jahren

    Wenn der Kollege sich durch so eine Line in seiner Existenz und Behinderung diskriminiert fühlt, dann hat er eine ganz einfache Lösung. Er kann es sich nicht anhören. Eine Alternative wäre drüber stehen, was heute leider vielen schwer fällt. Dass diese Alternative nicht funktioniert wundert mich immer sehr. Fehlt den entsprechenden Personen, die sich verletzt fühlen, das Ego? Ich wurde auch häufig Kanacke genannt und konnte damit umgehen. Ich konnte abschätzen, ob wie es jemand meint, ob er es eben sagt oder auch denkt. Wenn er es nur sagt, kann es dafür viele Gründe geben, zum Beispiel Humor oder Dummheit. Wenn er es meint, kann ich es ignorieren, oder ihm als Einzelperson eine reinhauen. Aber ich brauche nicht darüber in sozialen Netzwerken weinen und versuchen die ganze Welt zu ändern durch affigen Internet-Aktionismus.

    Wenn der Kollege sich also als in der "linken Szene" aktiv nennt, sollte er bessere Mittel kennen, um zu kämpfen, als darüber zu twittern.

    • Vor 3 Jahren

      dir ist schon klar, dass der dude körperlich behindert ist? und sich, je nach schweregrad seiner spastik, im schlimmsten fall nicht mal n brot selber schmieren kann? der kann "kämpfen" wenn du ihm den atombombenknopf in die hand drückst. sonst bleiben ihm nur die sozialen medien und "internet-aktionismus". was okay ist. er hat eine gute ausrede dafür. deine anderen linken freunde nicht.

    • Vor 3 Jahren

      Mir ist schon klar, dass eine Spastik sehr vielseitig sein kann. Da ich keine Informationen über "Leon" finden kann, kann ich das also nicht bewerten. Wenn er dazu fähig ist, eine Tastatur zu bedienen, wird er auch dazu fähig sein, sich zu bewegen und raus zu gehen. Wenn nicht, ist das seine Sache. So oder so ändert es nichts daran, dass ihn keiner dazu zwingt die Musik zu hören, die Wörter und Themen beinhaltet, die ihm nicht passen.

      Ich frage ich, was sein Ziel ist. Genauso wie bei allen anderen, die die Sprache der Rapper/Musiker kritisieren? Verbote? Ein Umdenken der Akteure? Ich glaube 1. ist nicht wünschenswert und für 2. das das falsche Vehikel.

    • Vor 3 Jahren

      "Wenn er dazu fähig ist, eine Tastatur zu bedienen, wird er auch dazu fähig sein, sich zu bewegen und raus zu gehen."

      Ähh... Nein. Erstmal gibt es für Schwerstbehinderte auch andere Eingabemöglichkeiten und die Folgerung (kamn Tastatur bedienen) => (kann rausgehen) ist lächerlich.

    • Vor 3 Jahren

      "The|SquaLL Vor 12 Stunden

      Mir ist schon klar, dass eine Spastik sehr vielseitig sein kann."

      :lol:

    • Vor 3 Jahren

      Ich bin da schon bei dir, Squall. Man sollte sich vielleicht einfach ein dickeres Fell zulegen, statt sich über jeden Mist aufzuregen. Das spart Kraft und Zeit, auch für die Betroffenen. Also in Bezug auf Kunst.

    • Vor 3 Jahren

      ich denke JEDER hier weiß, dass es DEUTLICH EINFACHER ist eine tastatur zu bedienen statt "rauszugehen".
      ich bin da bei capsi. ich habe während meiner ausbildung einen dude betreut, der schwere ataxie hat. der sah von der körperform aus wie ein menschlicher shrimp und ist gerade so in der lage einen e-rollstuhl zu steuern. der macht auch irgendwas an der tastatur. der kann auch tippen nur braucht er halt länger. darüber hinaus, gibt es, wie caps sahgt, auch andere eingabeformen als die standardtastatur

    • Vor 3 Jahren

      Naja, so wie sich der verlinkte Artikel liest, ist dieser Leon in der Lage, Konzerte und Demos zu besuchen - auch als Behinderter. Ich will das nicht runterspielen, aber ich denke, er ist "nur" Rollstuhlfahrer und hat keine schweren Formen.

    • Vor 3 Jahren

      NIEDECKENS bapsi

  • Vor 3 Jahren

    naja, wenn manuellsen sagt, er haut jedem (auch mit araber-"rücken") eine machete in den kopf, der n-wort sagt, jubeln alle. auch wenn es dann nur auf sehr wütende und enttäuschende instagramstories hinausläuft. andere marginalisierte randgruppen machen das ähnlich. der dude hier kann halt wahrscheinlich keinem eine machete in den kopf hauen. das wäre dann wohl medialdarwinismus. tatsächlich finde ich seinen punkt sogar nachvollziehbar. wenn die verwendung anderer abfälliger/diskriminierender Bezeichnungen im Sprachgebrauch hinterfragt/geächtet wird, würde ich mich als (körper)behinderter auch angeschissen fühlen, wenn alle die "empowerment"welle surfen und nur meine randgruppe darf weiter verächtlich gemacht werden, nur weil ich keinem eine machete in den kopf hauen kann.

  • Vor 3 Jahren

    "Deutscher Rap ist behindertenfeindlich und behindert"

  • Vor 3 Jahren

    Ich finde das obige Zitat sehr treffend, auch mit der Fortsetzung von torque. Ich finde, dass die Kunst hier ihren Zweck, wegen dessen sie auch besondere Freiheit genießt und von Unterdrückern zensiert und verboten wird, erfüllt. Und zwar das Spiegeln gesellschaftlicher Realitäten und mittelbar auch das Verhandeln unserer Regeln. Es ist wahrscheinlich für jeden gut nachvollziehbar, dass sich Behinderte von der Nutzung von "behindert" diskriminiert fühlen (dürfen). Sollte so eher nicht genutzt werden. Wird es aber. Und die Kunstschaffenden, die das dann bewusst oder unbewusst thematisieren, leisten einen Beitrag dazu, dass sich das langfristig auch ändert, entweder in dem sie ein Bewusstsein dafür schaffen wie hier Nmzs, oder in dem Sie einfach nur etwas Benennbares für den Typen aus dem Beitrag schaffen, womit dieser eine weitaus gesprächigere Grundlage für eine Diskussion schafft, als er es jemals schaffen würde, wenn er sich aufregt, dass seine Arbeitskollegen oder irgendwelche Kids in der Bahn "behindert" pejorativ nutzen.

    Deswegen hat der Typ natürlich recht, was aber dann nicht automatisch heißt, das "behindert" aus dem Rapvokabular gestrichen werden müsste, im Gegenteil, Diskriminierung ist behindert, Spast zu sagen ist schwul (Grüße gehen raus). Kunst darf und soll sogar an der Grenze des Sagbaren, Zeigbaren, Denkbaren herumschleichen, mit dieser spielen und sie überqueren. Denn dann ist Kunst ein Motor gesellschaftlicher Entwicklung und es Wert geschützt zu werden. Selbst wenn das bedeutet, dass gewaltverherrlichende, menschenverachtende und/oder frauenfeindliche (Aufzählung beliebig fortführbar) Werke existieren dürfen.

    • Vor 3 Jahren

      Wenn sich langfristig die Regeln unseres Sprachgebrauchs ändern, dann wird "behindert" automatisch auch weniger in Tracks vorkommen, weil es weniger in der Gesellschaft vorkommen wird und zwar dank dieses Typen und Dank der Rapper die das Wort so genutzt haben.