Moderne Zeiten: eine zwölfjährige Singer/Songwriterin wird von der britischen Plattenindustrie aus den Charts verbannt, weil sie sich für Filesharing ausgesprochen hat. Die BPI bestreitet einen Zusammenhang.

London (mmö) - So hatte sich die British Phonographic Industry (BPI) das nicht vorgestellt mit ihren jüngsten Kunden. Die Vereinigung der britischen Phonoindustrie startet im Oktober die "Mymusic Charts" an 1.400 Schulen in ganz Großbritannien, doch schon vor dem Start gibt es Ärger. Allerdings stellt sich jetzt die Frage, ob das Ganze nicht nur ein Publicity Stunt für eine Nachwuchskünstlerin war.

Die erst zwölfjährige Singer/Songwriterin Amy Thomas inszenierte in der vergangenen Woche mit etwa 50 Fans und Freunden einen Protest vor dem Hauptquartier der BPI in London. Der Flashmob kam spontan zusammen, um dagegen zu protestieren, dass Thomas von der BPI von den "MyMusic Charts" ausgeschlossen wurde, nachdem Ansichten der Künstlerin über die Filesharinggewohnheiten ihrer Alterskameraden bekannt wurden.

Die Künstlerin ist beim Flowerburger-Label unter Vertrag, das sich offen und mit einer Petition für das Peer-To-Peer-Filesharing einsetzt. Auf der Homepage der Plattenfirma heißt es: "Flowerburger Records unterstützt absolut eine angemessene Bezahlung von Musikern und Musikschaffenden, aber glaubt, dass es bessere Mittel dafür gibt, als Fans zu verklagen." Flowerburger glaubt, dass es Wege gibt, P2P-Filesharing für die Zwecke der Musikindustrie zu nutzen und unterstützt offensichtlich die Ansicht, dass Filesharing zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades von Musikern beiträgt. Dieser Meinung ist wohl auch Thomas, und die Tatsache, dass sie Mitglied der Flowerburger-Familie ist, könnte sie für die "MyMusic Charts" disqualifiziert haben.

Bei der Spontandemo in London äußerte sich die angehende Teenagerin zum Musiktausch: "Alle meine Freunde tun es. Es ist einfach Normalität geworden." Die BPI hingegen ließ über einen Sprecher verlauten, die junge Dame sei nie als Teilnehmerin an den Charts vorgesehen gewesen. Flowerburger hätte sie zwar vorgeschlagen, sie sei aber nicht in die engere Wahl gekommen. Eine Aussage, die natürlich noch nicht den Vorwurf entkräftet, dass Labels, die sich gegen die offizielle Politik der Plattenindustrie stellen, benachteiligt oder gar vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Im Gegenteil, der Sprecher für die BPI gibt sogar zu, dass die Petition von Flowerburger ein Grund für den Lobbyverband war, die Künstlerin bei der Wahl der Teilnehmer durchfallen zu lassen.

Die BPI betreibt, ganz ähnlich wie die us-amerikanische Recording Industry Association of America (RIAA) oder die Deutschen Phonoverbände, eine streng restriktive Politik gegenüber Filesharern und Song-Tauschbörsen im Netz. Die Tatsache, dass die Positionen der BPI und die von Thomas so weit auseinander stehen, zeigt, wie wenig die Industrieverbände in der Lage sind, auf die Wünsche und Bedürfnisse junger Musikfans einzugehen. Amy Thomas Single "Just Smile" erscheint in der selben Woche wie die ersten Schulcharts. Die Fans von Thomas rufen jetzt dazu auf, die Charts zu boykottieren und stattdessen das Lächeln der Sängerin zu erstehen. Die derzeitige Publicitydusche dürfte ihrer Karriere helfen.

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