Live-Marathon im Stadtpark bei Dauerregen: Stoner, Normals und Metaller huldigen den Aussies.

Hamburg (rnk) - Ein banger Blick auf die Wetterprognosen. Ein paar Tage vor dem Open Air-Konzert von King Gizzard & The Lizard Wizard im Stadtpark Hamburg deutet alles auf Gewitter und Starkregen: unschöne Vorzeichen für ein drei Stunden langes Konzert. Und nein, das ist kein Tippfehler, die Australier bringen tatsächlich einen mehrstündigen Marathon auf die Bühne. Man schöpft schließlich aus einem reichhaltigen Fundus: Mittlerweile stehen 24 Alben zu Buche.

Einen ähnlichen Event bestritt die Band bereits im Hollywood Bowl, Los Angeles. Seit der Bandgründung 2010 plagen King Gizzard & The Lizard Wizard offenbar ähnliche Schlafprobleme wie Omar Rodriguez-Lopez, der mittlerweile eine ähnlich hohe Zahl an Alben veröffentlicht hat. Der schier übermenschliche Arbeitseifer löst jedenfalls bei allen Prokrastinierer dieser Welt ungläubiges Staunen oder Skepsis aus. King Gizzard bauen so ein Drei-Stunden-Set einfach mal eben in ihre Tour ein. Man spielt ohne nennenswerte Pause, zudem verändert sich die Setlist jedes Mal.

"Der beste Trainer, den wir je hatten"

Das prognostizierte Gewitter zieht schließlich zum Glück vorbei, dafür schüttet es leider nonstop. Besonders angenehm für eher klein gewachsene Menschen bleibt im Stadtpark das leichte Gefälle zur Hauptbühne hin, ansonsten umgibt eine pittoreske Waldlandschaft die Location. So nervenaufreibend der Blick auf die Wetter-App auch ist, trotzdem besser als eine düstere Mehrzweckhalle. Ein bisschen Zeit für Small-Talk bleibt auch. So tauscht man sich kurz über das Euro League-Finale aus, der englische Fotograf jammert tatsächlich immer noch Thomas Tuchel hinterher: "Der beste Trainer, den wir je hatten", seufzt der Chelsea-Fan und wischt noch einmal die Regentropfen von der Linse.

Was Virtuosität angeht, könnten King Gizzard mit Prog-Rockern mithalten, aber das Schöne an dieser Band bleibt, dass sie dabei eher die Attitüde von verkifften Surfer-Boys im Proberaum ausstrahlt. Ein Konzert der Band gleicht trotz Adelstitel keiner Audienz für elitäre Zirkel. Es geht kein Raunen durchs Publikum, sollte der Schlagzeuger mal nicht auf die Sekunde genau den Taktwechsel hinkriegen. Die Fans präsentieren sich derweil wie ein Mix aus Stonern, Normalos und angetrunkenen Metal-Heads. Einer brüllt: "Mach lauter". Zu Recht, der im Sportpark traditionell eher dürftige Sound fällt heute besonders leise aus.

Ein Hauptfeind namens Vorhersehbarkeit

Stu Mackenzie, Sänger, Gitarrist und auch der Querflöte mächtig, wirkt heute etwas weniger agil als sonst. Dafür zieht es den Keyboarder nach vorne auf den Laufsteg: Wenn der Boss 'nur' auf 120 statt 110 Prozent performt, springen eben die Kollegen ein. Vorhersehbarkeit, wie sie gerade das deutsche Durchschnitt-Publikum schätzt, ist der Hauptfeind dieser Band: Drei Stunden lang einfach zuschauen und genießen. Das Konzert in Hamburg ist Erfahrung, etwas Survival und große musikalische Unterhaltung zugleich. Ein mitreißender Kinofilm langweilt auch nicht bei Überlänge - und genauso verhält es sich bei diesem Konzert.

Daran ändern auch der Regen nichts. Immer wieder tauchen Crowdsurfer auf, einer treibt die Security fast in den Wahnsinn, weil er kurz vor dem Graben den etwas angefressenen Sicherheitsleuten immer wieder entwischt. Alles im abendlichen Sonnenlicht zu erleben, wäre fein gewesen. Gerade bei "Supercell" entstehen kleinere Pits, und Fans der rockigen Alben "Nonagon Infinity" und "PetroDragonic Apocalypse" kommen auf ihre Kosten. Schade, dass die Band die Euphorie nicht ganz mitnimmt und nur via routiniert genuschelten "Wie gehts?" kommuniziert.

Denn die Fans folgen den Australiern teils über Kontinente - doch das Publikum macht so oder so Party und bejubelt sich zwischen den Songs auch einfach mal selbst. Und das absolut zu Recht: Bei solchen Bedingungen die Texte mitsingen und abgehen, ist Champions League. Wer den King Gizzard heute zum ersten Mal gesehen hat, wird sicherlich auch das nächste Mal seine Bequemlichkeit überwinden: Eine solche Fanbase würde wohl bis nach Mordor folgen. So tauscht man nach dem Konzert Handynummern aus und plant spontan das nächste Konzert in Amsterdam. Da sieht die Wetterprognose übrigens nicht viel besser aus, findet dann aber indoor statt.

Text: Rinko Heidrich.

Fotos

Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 Die Australier performten drei Stunden lang live.

Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Australier performten drei Stunden lang live., Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne, 2024 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich)

Weiterlesen

3 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 23 Tagen

    War zuletzt in Köln bei denen. Ist sicherlich top performt gewesen - und gleichzeitig hats mich extrem kalt gelassen. War auch bei dem Gig so, daß keiner der Band wirklich Lust auf Interaktion hatte. Die hatten mehr oder weniger für sich selbst gespielt, und das Publikum durfte zugucken. Für ne Band, die sehr für ihre Gigs gefeiert wird, finde ich das sehr enttäuschend. Man muß ja nicht liebenswerter Showman, darf gerne nervös, schüchtern, sogar arrogant sein. Aber man sollte bei nem Gig präsent sein, sich zeigen - nicht 90 Minuten lang nur die Instrumente anstarren und das Publikum quasi aussperren.

    • Vor 23 Tagen

      Gestern beim Drei-Stunden-Gig in Hamburg waren sie gut aufgelegt und es gab immer mal wieder Interaktion mit dem Publikum. Der eine Keyboarder kam mit dem Mikro auch immer mal wieder an den Rand des Pits und hat dort gesungen. Rein spielerisch liefern sie aber immer ab. Auch gestern hätten sie meinetwegen jeden Song noch gern fünf Minuten länger zergniedeln können.

    • Vor 21 Tagen

      In Köln gabs zwischendurch mal nen Satz, zu dem sich jemand aber offensichtlich zwingen musste. Die waren ratzfatz wieder bei sich, und haben gar nicht versucht, irgendeine Art von Show zu machen. War nicht mal ein "schön, daß ihr hier seid!" dabei.

      Vielleicht liegts daran, wie gerne ich selbst musiziere, gelegentlich jamme. Aber diese komplette Zurückgezogenheit auf der Bühne passt für mich null zu dieser Art Musik. Das ist Rock, und da gehts auch um Vibes. Ich schalte schnell ab, wenn mir der Gig vorkommt als bin ich irgendwie auf Umwegen bei einer Jam-Session gelandet, und die Musiker sind nur mit sich selbst beschäftigt.

    • Vor 21 Tagen

      Ich persönlich weiß es zu schätzen, wenn nicht zwischen den Songs gelabert wird. Shut up and play yer guitar! Schätze ich sehr bei King Gizzard

    • Vor 21 Tagen

      Ne, labern sollen sie nicht. Bei ner Shoegaze-Band passt das, wenn die Musiker nur auf ihre Instrumente gucken. Oder bei extrem anspruchsvollen Performances. Bei den launigen Tracks zwischen kindischem Spaß über Rock bis zu brutalem Thrashgewitter will ich aber irgendwie ne Show bekommen.

      Ist ne perönliche Sache. Ich sehe einen Act immer verpflichtet, dem Publikum etwas zu bieten, was über die Musik hinausgeht. Es einzuladen, dabei zu sein, die Vibes zu teilen, es vielleicht sogar zu konfrontieren. So ne Nummer wie: "Hallo, wir sind X", dann wegdrehen und die Zuschauer ghosten stört mich zuverlässig. Werde die Band immer noch sehr abfeiern, aber vorläufig nur noch auf in LP-Form.

  • Vor 23 Tagen

    Selten so nass geworden bei einem Konzert...

    War ein feiner Gig. Sound war ziemlich gut, stand aber auch wohl ziemlich gut.
    Man hätte im Text durchaus den 27 Minuten Synth Part erwähnen können. Nicht jede Band würde sich dies trauen. War fantastisch.

    • Vor 23 Tagen

      Arthur Mitchell lässt Grüßen...

    • Vor 23 Tagen

      Bei dem Silver Chord-Part habe ich tatsächlich mal das Bier weg gebracht, Equipment getrocknet und mich auch noch draußen etwas verquatscht. ;) Sound war vor der Bühne okay, aber da haben die Leute schon "Lauter!" gerufen, einer hat es sogar auf sein Smartphone getippt und der Band entgegen gestreckt. Oben fand ich es deutlich zu leise, aber ings fand ich es auch sehr schön, was aber eher am positiv-bekloppten Publikum lag.

  • Vor 22 Tagen

    Herausragende Band, der Gig in Köln war mein Konzerthighlight des letzten Jahres, aber ich hoffe sie ziehen es nicht ewig durch, jeden Song live auf ne halbe Stunde zu strecken.