Das Wochenende stand ganz im Zeichen der beiden größten Alternativefestivals Deutschlands: Wir waren für euch live dabei.
Scheeßel/Neuhausen o.E. (lau) - Wie gewohnt ziehen Southside im Süden und Hurricane im Norden der Republik das Alternativevolk magisch an.
Sonntags auf dem Hurricane
Nicht am dritten Tag erschuf der Herrgott Meer und Seen - sondern am Sonntag: Den ganzen Tag über schickt er Wasser vom Himmel und verwandelt die Rennbahn in ein Wattenmeer – zum Leidwesen früh aufspielender Acts wie We Are Augustines, Black Box Revelation oder Twin Shadow.
Kaum einer traut sich bei dem Wetter aus dem Zelt. Bei Golden Kanine hingegen dreht man den Spieß dann um und feiert ausgelassene Regentänze.
Flucht ins Feierzelt
Wer noch ein Plätzchen findet, rettet sich am Nachmittag und frühen Abend in das White Stage-Zelt und eskaliert mit Azari & III und Steve Aoki, die dann die Bühne für Fritz Kalkbrenner räumen.
Großer Publikumsmagnet des Abends bleiben aber - klar - Die Ärzte, die sowohl Beirut als auch New Order das Publikum klauen. Letztere scheinen ihre Motivation aber eh irgendwo in den Achtzigern liegen gelassen zu haben.
Wie immer eine Bank
Derweil herrscht auf dem Campingplatz emsige Betriebsamkeit. In den wenigen trockenen Stunden bauen die ersten ihre Zelte ab und machen sich auf den Heimweg – wohlwissend, Acts wie The Kooks, Boy oder The Shins zu verpassen. Andere verlassen erst am Montagmorgen das Gelände und sehen das Ausmaß des ganzen Elends noch mal bei Tageslicht.
Und vielleicht kann man ja einigen der 73.000 Besuchern erklären, dass Dixiklos umschubsen oder Raviolidosen-Weitwurf nicht wirklich lustig sind. Auf dem Green Camping-Gelände hat mans schon besser im Griff. So oder so war das Hurricane auch 2012 mal wieder eine Bank.
Der Samstag auf dem Hurricane
Der eine mag seinen Frühstückskaffee mit Milch, der andere schwarz und wieder ein anderer trinkt gerne Bier zum Brötchen. Gehen andere morgens joggen, spielt man auf dem Hurricane Flunkyball. Grober Sinn ist – na, klar – der möglichst schnelle, äh, Genuss von Bier. 12 Uhr mittags am Samstag, die Laune auf dem Zeltplatz ist bestens.
Da erfreut man sich gern an den Kostümkuriositäten. Von Affen bis hin zum Teletubbie sind sämtliche Spezies vertreten, besonders beliebt sind die so genannten Morphsuits, bunte Ganzkörperkondome aus Spandex. Der Vorteil liegt bei totaler Anonymität, wirft für den Außenstehenden aber die Frage auf, wie man durch das Ding atmen, gucken, essen oder trinken kann – und warum zum Teufel einem das 40 Euro wert ist.
Noel Gallagher jedenfalls quittiert während seines Auftritts am frühen Abend ein lilanes Exemplar mit der Frage, wie man es zu dieser "fucking" Hautbeschaffenheit bringen könne. Kann eben nicht jeder mit scheinbar angewachsener Sonnebrille im Gesicht herumlaufen, wie es der Ex-Oasis-Mann handhabt.
Florence mit Herz, Noel mit Brille
Gerade nach dem Auftritt der grundsympathischen Florence Welch, der elfengleichen Frontdame von Florence & The Machine, wirkt Gallagher wie ein abgebrühter, kaltherziger Stein.
Emotionslos und routiniert nudelt er sein astreines Set aus neuen High Flying Birds-Stücken und alten Oasis-Hits wie "Don't Look Back In Anger" herunter. Wenn sein Herz schon nicht schmilzt, erweicht er wenigstens das des Publikums.
Kakkmaddafakka vs. die Technik
Durch den Samstag führen Band Of Skulls, Eagles Of Death Metal, Thees Uhlmann, Madsen, Bratze, Nneka oder Wolfmother. Während Less Than Jake schon mittags den trockenen Sand aufpusten, erfreuen Little Dragon mit 80s-affinen Popsounds.
Gus Gus bekommen vom Hurricane auf der White Stage einen KussKuss und von der Technik einen astreinen Sound. Die Zuschauer von Kakkmaddafakka hingegen erleben ein leises Konzert, da die großen Boxen der Green Stage zeitweise ausfallen. Bei Thees funktioniert aber alles wieder.
Rotznasen bei Blink-182
Dagegen nicht behoben ist die Krankheit von City And Colour-Kopf und Ex-Alexis On Fire-Gitarristen Dallas Green. Der Songwriter sagt seinen Auftritt kurzfristig ab, M83 verlegen ihre "Midnight City" auf 20 Uhr vor.
Und wer keine Lust auf die Country-Songs von Mumford & Sons hat, der gibt sich eben am späten Abend auf der großen Green Stage Blink-182. Der Sound schallt zwar breiig aus den Boxen, aber angesichts von Tracks wie "All The Small Things" oder "I Miss You" werden auch inzwischen ausgewachsene wieder zu rotznäsigen Teenagern.
Gegen Ende des Abends zelebrieren noch die Garbage-Jungs um Shirley Manson ihre im vergangenen Jahr angekündigte Reunion. Beardyman präsentiert auf der White Stage sein kurioses Konzept aus Beatbox und Loops und kreiert damit ein vollwertiges Konzert.
Und dann knallen einem noch Justice ihre bombastischen Bässe vor LED-Verstärkern und einem riesigen Lichtvorhang bis tief in die Nacht um die Ohren. So kann der letzte Tag kommen.
Freitag auf dem Hurricane
Man erkennt recht schnell, wer bereits den Donnerstag als Anreisetag auserkoren hat. Knackig braun oder krebsrot lachen einem am Freitagmittag bierschwangere Gesichter entgegen. Dazwischen bauen schwitzende Neuankömmlinge ihr Lager auf.
Dosenravioli – und viel gute Musik
Auf den Bühnen haben Indiefans beim sonnigen Festivalstart mit Bombay Bicycle Club und We Invented Paris Spaß, Casper, Jennifer Rostock und die Sportfreunde Stiller verzücken das Goethe Institut, Broilers und Disco Ensemble drücken mit dem Alternativefan aufs Gas.
Ed Sheeran und The XX laden zum Kuscheln, während Supershirt und Sebastian die Bässe durch die Adern pumpen. Jeder ist also versorgt - und am Abend demontiert Deutschland bei der Fußball-EM Griechenland!
Eine verschobene Reunion – und eine echte
Mit rund 80.000 Besuchern ist das Hurricane Festival nach dem Rock am Ring das größte deutsche Open Air. Sowohl die Sause im niedersächsischen Scheeßel als auch das Schwesterfestival Southside im Süden der Republik waren Wochen vorher ausverkauft - Headlinern wie Blink 182 sei Dank.
Letztere sollten ihre Reunion schon 2011 auf der großen Green Stage feiern. Wegen Studioarbeiten fiel der Auftritt aber flach – umso größer also die Vorfreude auf den Festivalsamstag. Doch auch der Freitag hält eine Reunion bereit: Die Stone Roses spielen ihren ersten Deutschland-Gig seit 16 Jahren.
Die Stimme von Sänger Ian Brown wackelt zwar während des späten Konzerts. Für Fans ist das aber das kleinere Problem – Hauptsache, die Stone Roses sind überhaupt da! Der Sound der Band stimmt, die Atmosphäre auch. Glücksgeschwängert gehts entweder auf die Pritsche – oder zur Afterhour ins Partyzelt auf dem Campinggelände.
The Cure kuscheln mit Scheeßel
Zuvor lassen aber andere die guten alten Zeiten aufleben: The Cure bleiben live ein Bank und sorgen mit einem gar nicht alternden Set für kuschelige Stimmung.
Verknittern bei anderen Frontmännern mit zunehmendem Alter die Stimmbänder wie die Haut, singt Smith nach wie vor mit schöner Klarheit. Im Publikum tummelt sich, dem omnipräsenten 80s-Hype folgend, eine bunte Altersmischung. Petrus fügt der romantischen Stimmung funkelnde Sterne am wolkenlosen Nachthimmel hinzu. Manchmal hat der Mann eben doch ein Gespür für die Vibes.
11 Kommentare
Coole Bilder - besser als die Serie vom RIP!
och kommt mir bloß nicht mit K.I.Z, die waren auf taubertal letztes jahr schon so grauenvoll schlecht -.-
och kommt mir bloß nicht mit K.I.Z, die waren auf taubertal letztes jahr schon so grauenvoll schlecht -.-
Ich hatte irgendwie das Gefühl Stone Roses litten zu sehr an dem Parallelauftritt von Blink182. Blink wollte gefühlt das gesamte Festival sehen.
Ersma Offtopic:
Die Hinfahrt mit der Mitfahrgelegenheit war sehr cool, die kamen nett rüber, guter Musikgeschmack usw., aber kaum gings an den Zeltaufbau, haben die uns links liegen gelassen... Einfach in unser Zelt gehen und Bier zu nehmen, ist auch nicht die feine Art...(zwar auch deren Bier, aber trotzdem, fragen kostet nix...) Das fand ich schon was läpsch, wir MUSSTEN nicht zwangsläufig bei denen in der Nähe zelten... Und am SO zu sagen, das wir ja bis MO bleiben können, najaaa, wenn die das können, schön, wir nicht, ich musste heute um 14 Uhr arbeiten! Der Typ hätte sich ja ma früher darum kümmern sollen, das sein Auto ausm Matsch kommt, aber das wär ja Arbeit gewesen... Die wollten ja UNBEDINGT Die Ärzte sehn, kann ich ja verstehen, aber bei DAUERregen über 10 Stunden!? Naja, whatever, mitm Zug gings nach Hause Next Year penn ich inner Pension/Hotel oder so.Auf jeden Fall mit Freunden und nicht mit anderen Deppen!
Die Bands die ich gesehn hab, waren dafür geil! (Sportfreunde Stiller, Band of Skulls, Less than Jake, Eagles of Death Metal und Rise Against)
Für mich haben Hot Water Musik die beste Performance abgeben... dankbares ausrasten im Publikum inklusive. The Cure waren wirklich wunderschön...ein Set aus allen Dekaden und dazu noch mit glasklaren Sound. New Order würde ich 1000000000000000 mal dem den Ärzten vorziehen...sie ham zwar keine Zugabe gespielt aber dafür ein Potpurie an wunderbaren Erinnerungen optisch wie musikalisch geweckt. Lustig war auch dit Schlammpogo bei Lagwagon mit maximal 10 Leuten ... 70000 Leute sind da einfach zu weich für. Heute hab ich die Rüsselseuchenquittung