Matthias Manthe über die Berliner Spaßjugend, Mount Kimbie, N.E.R.D., Crystal Castles und die Modefarbe des Sommers.

Berlin (mma) - Was war diese Woche außer Hitze los in Berlin? 38kommairgendwas auf dem Quecksilber zum Trotz ging die mehr oder minder politisierte Spaßjugend auf die Straße. Die letzte Megaspree-Demo datiert schließlich schon von Anfang Juni, da war es höchste Eisenbahn für die Umzugswagen der hiesigen Clublandschaft.

Vollbepackt mit Techno-Equipment und -DJs, startete also am Samstag der Sternmarsch in fünf Bezirken Richtung Kundgebung am Roten Rathaus. Unter der Devise "RETTE DEINE STADT!" wollten/sollten die 5000 Demonstranten laut Aufruf für mehr Mitbestimmung in der Stadtgestaltung eintreten.

Hinterher entfachten sich wie immer Diskussionen unter Teilnehmern und Beobachtern, ob zur Schau gestelltes Feiern ohne radikalen Gestus überhaupt als eine eigene Protestform mit Wirkungsmacht durchgeht, oder auch, ob sich unter den Unterstützern der Initiative nicht eigentlich viel zu viele Clubbesitzer-Yuppies mit kommerziellen Selbsterhaltungsinteressen befänden.

Festzustellen bleibt: In einer Stadt, deren Senat eigens einen Club-Beauftragten abstellt, um das Wirtschaftsgut der Feierkultur zu unterstützen, kann den Megaspree-Aktionen der Sinn nicht ganz abgesprochen werden. Berlin folgt weiterhin der Bassdrum - das wissen nicht nur die Scissor Sisters.

Auf zum Mount Kimbie

Die zwei Londoner Jungmänner Kai Campos und Dominic Maker (beide 24) alias Mount Kimbie schicken sich an, der alten Tante Dubstep schnell noch den nötigen Tritt Richtung Zukunft zu verpassen, bevor Altmeister Burial mit Album Nr. 3 um die Ecke lugt. Nach zwei EPs namens "Sketch On Glass" und "Maybes" in 2009 drückt bald das Debütalbum "Crooks & Lovers" in die Regale. Darauf plackern und pluckern die beiden sehr frei zwischen Club und Intellekt, den rechten Fuß immer knapp überm Basspedal, aber nur selten voll durchgetreten. Und wenn, kommt mit dem nächsten Track auch schnell das Rückzugskommando.

Wie unlängst bei den Warp-Konstrukteuren Hudson Mohwake und Rustie ist die Rede vom Genre-aus-den-Angeln-heben, von "experimentiertfreudiger Neugierde quer über die Ränder verschiedenster Stile" (De:Bug) und von "Ambi-Tech-Step", wie Spex-Online-Redakteur Walter Wacht meint. Ihr Whatever-Step findet zurück zu einem Genre-Minimalismus, der am vergangenen Wochenende livegemixt im Berghain vielleicht schon fast eine Spur zu Ambient ausfiel. Aber bitte erstmal selber hören, mehr demnächst in der zugehörigen Kritik.

Stream zum Album "Crooks & Lovers" (Hotflush Recordings)

Mädchen werden eine gute Zeit haben!

Neulich im Sharp Aquos-Hochhaus, Alexanderplatz, Gespräch mit N.E.R.D.: Nach einem kurzen thematischen Exkurs in die Ära Bush die Frage, ob es politische Inhalte auf dem im September erscheinenden Album geben wird. Pharrell Williams dazu: "No, not at all. Auf diesem Album geht es um nichts anderes als Freiheit. Freiheit Freiheit Freiheit. Eine Menge Mädchen werden eine gute Zeit haben ... That's what we want!" Respekt vor so viel argumentativer Stringenz.

Video-Interview demnächst an vergleichbarer Stelle.

Castles zicken

Auch intro.de führte diese Woche Interviews, unter anderem mit den durch MySpace bekannt gewordenen Elektropunks Crystal Castles. Die Kanadier fanden am Ende jedoch auf einmal das Internet nicht mehr so cool. Das Interview wollte deren Ethan Kath jedenfalls plötzlich ausschließlich auf dem Printweg veröffentlicht wissen. Sehr fragwürdiges Gebaren, klar. intro.de wiederum brachte als Reaktion auf die Zickerei lediglich die Fragen vom Q&A-Spiel im Netz.

Es darf nun also gemutmaßt werden: Könnte der Grund für die Online-Sperre möglicherweise nicht ausschließlich in einer spontanen Webphobie gelegen haben, sondern an den relativ vorlauten Fragen ("Was macht euch so besonders?" et al.)? Wie auch immer, letztlich ist auch kein (Online-)Interview noch newswürdig genug, das wissen wir bei laut.de nicht erst seit DJ Shadow.

Addendum intro

Dort wie auch beim Springer-Verlag ist augenscheinlich der pastellige "Nude-Look", angesagte Modefarbe des Sommers 2010, endlich auf den aktuellen Printmagazincovers angekommen. Siehe ebenda, am Melt! Programmheft und bei Musikexpress. Toll toll toll, dieser Romantic Look. Da greif ich beim Blättern quasi automatisch zur Yogurette!

Berlin-Korrespondent Matthias Manthe berichtet in seiner wöchentlichen Kolumne über Themen, die wir gegen seinen ausdrücklichen Wunsch "indie" nennen. Feedback und Anregungen gerne direkt an matthias@laut.de.

Fotos

Scissor Sisters

Scissor Sisters,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Scissor Sisters,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Scissor Sisters,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Scissor Sisters,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

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