Das schwedische Elektronik-Duo Audio Objekt hat den Ärger der Düsseldorfer Genre-Pioniere Kraftwerk auf sich gezogen. Grund: Zwei Coverversionen mit verändertem schwedischem Text.
Stockholm (mis) - Man kann es fahrlässig nennen oder einfach nur herzerfrischend mutig: Das schwedische Elektro-Duo Audio Objekt nahm sich die Kraftwerk-Songs "Computerwelt" und "Das Model" zu Brust, um sie textlich und musikalisch ordentlich zu pimpen.
Heißt: Den Songs wurden neue Melodien untergejubelt und der Originaltext in freier Bearbeitung ins Schwedische übersetzt ("Vår Nya Värld", "Modellen").
Ein klarer Eingriff in die Urheberrechte also, weshalb die Coverversionen von den Komponisten freigegeben werden müssen.
Sony ATV, die für Kraftwerks Verwertungsrechte zuständige deutsche Verlagsgesellschaft, erteilte den Schweden nach Einsicht der Texte ein Publikationsverbot. Folglich müssen die in Blogs als YouTube celebrities gefeierten Musiker den physischen und digitalen Vertrieb stoppen, Files von ihrer MySpace-Seite und Youtube nehmen sowie ihren Facebook-Account schließen.
Zwar wussten die langjährigen Kraftwerk-Fans Håkan Lidbo und Patrik Persson um die rigide Genehmigungshaltung ihrer Idole. Die positiven Reaktionen der schwedischen Sony-Vertreter auf die Songs verliehen ihren Hoffnungen indes Flügel.
Für den 42-jährigen Lidbo, die bekanntere Hälfte des Duos mit langjähriger Labelerfahrung (u.a. Pokerflat, Lasergun, Force Tracks), kommen die schlechten Nachrichten nicht unerwartet: "Wenn du eine Genehmigung für eine Coverversion anforderst, die wenig kommerzielle Aussichten hat, erhältst du fast immer eine Absage. Außer deine Plattenfirma bezahlt dafür."
So weit, so plausibel, erhielten doch in der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel Rammstein, Fatboy Slim und Hot Chip (Remix) eine ausdrückliche Verwertungserlaubnis der Kraftwerk-Verantwortlichen.
Vielleicht brachte aber gerade eine amüsante Randnotiz das Düsseldorfer Fass zum Überlaufen: Als Bonustrack neben drei Remixes der Kraftwerk-Songs komplettierte der Song "Artificial Personality" die entsprechende Maxi-CD. Hierfür verwendeten Audio Objekt Ralf Hütters Stimme aus einem Interview, das Persson vor ein paar Jahren führte, und betteten diese in einen Song ein.
"Das glaube ich kaum", so Lidbo gegenüber laut.de, "ein offiziell geführtes Presse-Interview hat nicht dasselbe künstlerische Level wie ein Songtext. Uns war klar, dass unsere freie Übersetzung anecken könnte, aber wenn du es nicht versuchst, findest du es nie heraus. Wir wollten ganz bewusst Grenzen austesten."
In "Vår Nya Värld" ("Computerwelt") etwa singt eine Computerstimme "Blog, internet, globalisation, piracy copy" und "MP3 Mobile, ringtone, anorexia, docu soap", in den gesprochenen Strophen kommen die Konzerne IKEA, H&M, Vodafone und Erikson vor.
Dass die mühevolle Studioarbeit nach dem Veröffentlichungsstopp umsonst war, sieht Lidbo überhaupt nicht. Ein paar Scheiben hätten ja bereits Abnehmer gefunden und wer sich ein bisschen mit dem Internet auskenne, finde die Songs immer noch. "Die Auflage der Platte war so gering, dass ich uns aus rechtlicher Sicht nicht als Mörder, sondern eher als Bei-Rot-über-die-Ampel-Gänger sehe", ergänzt der Schwede.
Vielmehr mache das Verbot den Unterschied zwischen großen und kleinen Labels deutlich: "Die Majorfirmen haben große Ausgaben und müssen sehen, wie sie die wieder reinkriegen. Wir von den Kleinen haben wenig Ausgaben, wenig Einkommen, dafür aber die Freiheit, tun und lassen zu dürfen, was wir wollen. Daher bevorzuge ich es, Teil der kleinen Gruppe zu sein."
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