"Wir brauchen Menschen, die sich kümmern. So, wie eigentlich eine Familie funktionieren sollte."

Frankfurt am Main (dill) - Mimi macht Hip Hop aus der Tiefe ihrer Erfahrungen und aus Liebe zur Kultur. Sie rappt auf ihrer kürzlich erschienenen 3-Meter-Strassenlicht-EP: "Ich muss aufarbeiten, um zu leben. Das verstehst du nicht und das wirst du auch nie verstehen - du hattest nicht meine Wege". Bei einem Waldspaziergang erfahren wir die Beweggründe ihrer kryptischen Art des Textens: "Ungefühlte Gefühle, ungeweinte Tränen, nicht transformierte Wut." Was für Überlebensstrategien entwickelt eine Frau, die viel zu früh körperliche und psychische Gewalt erfährt? Wie würde die ideale Familie, eine ausgewogene Gesellschaft funktionieren? Und warum macht man eine Initiationsreise durch Italien mit dreitägigem Fasten?

Laurens Dillmann: Was verstehst du unter Gesundheit?

Mimi: Hmmm ... Dass man sich mit sich selbst im Reinen ist. Ehrlich zu sich selbst sein. Ausgeglichen und ausgelastet sein. Man hat dann ein Bewusstsein und ein Gespür für den eigenen Körper. Für die eigene Intuition. Dann erkennt man, was toxisch ist. Das ist Intuition. Selbstreflektiert kann man die Zusammenhänge in sich verstehen und miteinander verknüpfen.

Wie ist das, über sein Innenleben zu sprechen? Über Probleme, Schwierigkeiten und Ängste?

Die Leute können ja frei entscheiden, ob sie meine Musik hören oder nicht. Ob sie dieses Interview lesen, oder nicht. Publikum ist ja keine wildfremde Person, der ich gegenübersitze und mich ausliefere. Musik ist ein Sprachrohr, das viele Leute erreicht. Ich muss mich darin aber nicht mit jedem Einzelnen auseinandersetzen. Ich kann einfach aufschreiben, was aus mir raus muss. Das gibt mir eine Stimme. Vielleicht können sich Andere sogar damit identifizieren. Das ist ein schöner Aspekt. Menschen, die auch struggeln und sich in meiner Musik wiederfinden, trauen sich dadurch vielleicht auch, den Mund aufzumachen. Wut rauszulassen.

Rap als Therapie?

Bewältigungsstrategie. Die ganz natürlich kommt. Die ungezwungen und ungeplant ist. Um den Menschen eine Stimme zu geben. Um sie aus der Tiefe zu ziehen, oder in die Tiefe hineinzugehen und die Tiefe wirklich zu fühlen. Sich erleben, sich spüren können, sich selbst von außen zu sehen und zu reflektieren. Und das mit Anderen zu teilen und daran zu wachsen.

Fällt es dir leicht, dich vor anderen Leuten in deiner Musik zu zeigen?

Es geht gar nicht nur um die Musik. Wenn ich Kunst nicht gehabt hätte, wäre ich nicht die, die ich heute bin. Es gibt zum Beispiel auch das Malen und Tanzen, den Sport. Ich habe zum Rap gefunden und dadurch einen Zugang, mich wie in keiner anderen Kunstform auszudrücken. Rap war einfacher als ein Instrument lernen oder auf eine krasse Tanzschule zu gehen. Mein Selbstausdruck war schon immer in mir und ich habe kreativ damit gearbeitet. Viele traumatische Erfahrungen haben mich aber dazu gebracht, dass ich mich nicht mehr öffnete. Mich nicht mehr gezeigt und mich nicht mehr gefühlt habe. Vielleicht haben sie mich auch gebrochen. Mein Selbstausdruck war auch immer eine Überlebensstrategie.

Du sagst, ohne die Kunst wärst du nicht die, die du heute bist. Bist du zufrieden mit dir?

Ich mag mich als Person. Weil ich weiß, dass ich fair und ehrlich bin. Das erwarte ich auch von anderen Menschen und generell von der Welt. Ist mir wichtig und ich gebe mir Mühe, das umzusetzen. Selbst wenn ich Fehler gemacht habe und machen werde, formt das meinen Charakter. Es ist auch langweilig, immer nur zu tun, was erwartet wird. Das wichtige ist, dass man ist. Ich habe heute einen alten Song von Kendrick Lamar gehört. Der heißt "Let me be me" und hat mich sehr berührt. Da geht es um Authentizität. Das ist, was ich an Rap und Hip-Hop so liebe. Echt sein.

Das führt zu deiner ersten Frage zurück. Was ist Gesundheit? Gesundheit bedeutet für mich, einen psychischen und physischen Ausgleich zu haben. Offen zu sein. Mensch zu sein. Und Andere das auch sein lassen zu können. Dinge in sich anzunehmen und somit auch andere Menschen annehmen können. Ich sage nicht, dass ich perfekt bin und das immer kann. Aber ich sage, dass ich von Grund auf dahin tendiere, so zu leben und mir Mühe gebe. Aber was ist schon perfekt?

Was ist deine Erfahrung mit mentaler Krankheit?

Ehrlich gesagt hatte ich dafür nie die Worte. Ich habe mein ganzes Leben lang meine traumatischen Erfahrungen größtenteils alleine mit mir aufgearbeitet. Ich habe sehr viel erlebt und bin dadurch geistig flexibel geworden. Dadurch konnte ich vieles mit mir selbst ausmachen und hatte eine gute Intuition. Und so habe ich auch meistens die richtigen Leute gefunden. Aber es gab mal eine Zeit, da war das ganz anders. Da habe ich auf meine Intuition geschissen und mich nur noch mit negativen Menschen und Einflüssen umgeben. Da bin ich allem entglitten. Ich bin auf jeden Fall traumatisiert. Das wird alles nicht so schnell weggehen. Dafür gibt es viele Auslöser. Physische und psychische Gewalt hat sich durch mein Leben gezogen seit ich zwei Jahre alt war. Aber dafür muss ich sagen, habe ich mich gut geschlagen. Letztlich hat mich das auch zu der Persönlichkeit gemacht, die ich heute bin. Auch als Rapperin, mit dem, was ich in der Musik schöpfe.

Bei deinen Texten habe ich manchmal das Gefühl, du tänzelst um das herum, was du eigentlich sagen willst. Verschlagen einem solche Erfahrungen, die du andeutest, die Sprache?

Total. In dem Alter eines Kleinkindes hast du überhaupt nicht die Worte dafür. Das heißt, dass zu späteren Zeiten zwar Emotionen getriggert werden, du aber nicht darüber sprechen kannst. Das musste ich erst lernen. Mich hat ein guter Freund mal darauf angesprochen, dass er mich als oberflächlich empfindet. An den Moment kann ich mich gut erinnern, weil es einer der Knackpunkte war, an dem ein Stück Eis bei mir gebrochen ist. Danach war ich befreitet, nicht mehr so eng. Je mehr Menschen ich getroffen habe, denen ich vertrauen konnte, desto mehr konnte ich mich wieder öffnen. Ich hatte einige Zeit ein sehr krasses Vertrauensproblem. Ich war ganz verschlossen und habe nichts an mich heran gelassen. Alles nur kryptisch benannt, damit ich niemandem etwas von mir erzählen musste.

Verstehst du den Mechanismus, warum darüber reden einerseits so hilft, und wir es manchmal trotzdem nicht können?

Das ist Schutz. Es braucht Zeit, sich zu regenerieren. Wenn du unter sehr toxischen Menschen bist und das Fass irgendwann voll ist, und das dauert lange, dann reagiert man so. Eigentlich ist es gesund, sich zu schützen und etwas nicht mehr an sich heranzulassen, damit es einen nicht mehr kaputt machen kann. Mein Kopf und mein Körper haben sich dieses Verhaltensmuster gemerkt. Ich konnte damit erstmal auch nicht aufhören, als ich unter Leuten war, bei denen mein Hirn wusste: Hey, alles ist gut.

Woran hat das Verschlossensein dich gehindert?

Mich zu zeigen. Offen sein. Den Menschen zeigen, dass ich eigentlich eine sehr nice Person bin (lacht). Ich musste alles in mich hineinfressen. Dabei hätte ich es schön teilen können. Deswegen ist es so geil, Menschen durch die Musik kennenzulernen. Dadurch hatte ich ein Ventil, mich zu öffnen, ohne direkt mit Jemandem zu sprechen. Du hast ja auch meine Musik gehört und darin etwas gesehen, weswegen wir jetzt dieses Gespräch führen. Mitgefühl ist gut. Man muss auch nichts dramatisieren und glauben, es ist schlimm, so handeln zu müssen, weil man nicht anders kann. Wie ich mich verhalten habe, war eine total normale Reaktion auf das, was Unnormal war. Es ging mir schon mal viel, viel schlimmer. Ich war schon richtig am Arsch. Für das, was alles passiert ist, bin ich echt total normal (lacht).

Haben die Leute, die du über die Musik kennenlernst, ähnliche Geschichten zu erzählen?

Diese Menschen haben ein großes Vertrauen in mich und haben das Gefühl, dass sie mir vieles erzählen können. Eigentlich habe ich einen sehr gemischten Bekannten- und Freundeskreis. Ich interagiere mit vielen Menschen auf verschiedenen Ebenen und Kontexten. Ich habe ein Gespür für die, die auch traumatisiert sind. Die brauchen mir nichts erzählen. Ich bemerke und fühle es einfach. Dadurch, dass ich immer sehr wachsam sein musste für das, was um mich herum passierte, habe ich ein sehr intensives Gespür. Klar, ich weiß nicht direkt, was passiert ist, aber ich checke, dass da etwas ist. Es sind die Tonart, die Blicke. Wie sie sich bewegen, sich anschauen, wie sie essen, alles Mögliche (lacht). Ich bewerte das gar nicht analytisch, sondern nehme es einfach hin. Schubladen sind manchmal hilfreich, aber sicher nicht das beste Mittel, um einen Menschen zu verstehen.

Warum sieht man auf den Straßen so wenig fröhliche Menschen?

Einerseits gibt es viel zu viel zu meckern. Für viele Leute gibt so viele Gründe, sich über irgendetwas aufzuregen und sie hängen sich an Kleinigkeiten auf. Dabei merken sie gar nicht, dass viele Kleinigkeiten wirklich nur Kleinigkeiten sind. Natürlich gibt es auch in Deutschland Hungernde und viele, denen es wirklich schlecht geht. Aber im Großen und Ganzen sind wir materiell sehr verwöhnt. Geistig aber überhaupt nicht. Es scheint, als hätten wir alles, was wir brauchen. Wir sind durchgefüttert, aber können nicht freundschaftlich, familiär und solidarisch miteinander teilen. Das ist ja ein Grundgedanke von Hip-Hop, oder auch in feministischen Kreisen. Deswegen haben immer mehr Leute den Drang, in Bruderschaften, Gruppierungen, Komplexen eine heile Welt zu suchen, wo sie endlich angenommen werden. Man darf in unserer Gesellschaft nicht einfach laut auf der Arbeit sagen: „Heute habe ich mal scheiß Laune.“ In meiner Friseurausbildung hat die Chefin mir beigebracht, wie man durch den Salon läuft und dabei ein falsches Lächeln aufsetzt. Und mir ging es einfach so dreckig. Es gibt Seminare, in denen du lernst, dich zu verstellen. ich kann nicht für jedes gesellschaftliche Spektrum sprechen, würde aber schon sagen, dass wir sehr elitär, verwöhnt, frustriert und erdrückt sind. Ich spreche jetzt von der Arbeiterklasse.

Ich hab das mal so gelesen: Materiell aus allen Nähten platzend, aber emotional vor leeren Tellern sitzend.

Oder so: Arm im Kopf und reich in der Tasche. Wir brauchen Menschen, die sich kümmern. So, wie eigentlich eine Familie funktionieren sollte. Dass die Alten die Jüngeren unterstützen und die Jüngeren die Alten. Und beide voneinander profitieren und lernen, ohne Klasseneinteilung und Spaltung.

Wie stehst du zu Fridays for Future und der Kritik von jung Richtung alt: "Ihr habt uns eine kaputte Welt hinterlassen"?

Die ist absolut berechtigt. Jung kritisiert auch jung, weil es auch viele junge Leuten gibt, denen alles einfach scheißegal ist.

Frauen spricht man eine größere Emotionalität als Männern zu. Stimmt das?

Es ist schon komisch, die Welt in männlich und weiblich aufzuteilen, es sind stigmatisierte Begriffe. Wenn man Feminist oder Feministin ist, bezieht man zum Beispiel auch Transgender mit ein. Die Menschen, die für sich selbst entscheiden wollen, was männlich oder weiblich ist. Durch Wortwahl kann man Menschen ausschließen und Klischees erschaffen. Es ist nicht präzise genug. Nur weil ich weiblich bin, bestehe ich nicht automatisch aus den Eigenschaften, die man damit assoziiert. Frauen wollen einfach nicht mehr, dass Männer ihnen Eigenschaften überstülpen.

Ich fahre gut mit der Erkenntnis, wieder bewusster zu fühlen und nicht alles zu analysieren. Wie stellt man Gleichgewicht in sich selbst her?

Indem man sich nicht mehr von Bildern verleiten lässt, man müsse hart und toxisch sein, oder immer nur die Ellenbogen benutzen. Man darf auch weich sein. Das gilt besonders für Männer, die diese Rollenbilder annehmen und sehr rau miteinander umgehen. Ich denke auch, dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Die Prägung von uns Frauen mag durchaus so sein, dass wir mehr über unsere Emotionen sprechen und mehr nach Innen gehen. Dass wir sozialer sind. Dass es da draußen daran mangelt, hat viel mit patriarchalem Kapitalismus zu tun. Es ist alles strikt und klar, alternativlos und hart. Dabei muss man sich doch nicht fürchten, seine Gefühle zu zeigen! Ich kann sie den Menschen sowieso ansehen, aber ich gehe auch in die Tiefe. Es fällt mir gerade schwer, darüber zu reden, weil ich selbst oft einen emotionalen und geistigen Ausgleich bräuchte. Ich kann beide Seiten sehr gut verstehen. Ich kann auch mittlerweile kontrollieren, wann ich emotional reagiere und wann nicht. Eigentlich möchte ich einfach lernen, wie man Kontrolle loslässt. Aber es ist gut zu wissen, wann jemand anderes mich braucht, oder ich mich selbst. Generell entwickelt es sich in eine bessere Richtung. Auch im Hip-Hop wird seit neustem mehr Female Energie zugelassen. Siehe die Tapefabrik. Aber um das richtig umzusetzen, braucht es auch mehr Radikalität. Es hat auch viel Gutes, wenn Menschen kompromissloser werden. Das muss man verstehen lernen.

Ist es nicht auch manchmal notwendig, einseitig zu sein? Hart und abweisend zu sein, zum Beispiel in einer Prüfungssituation?

Klar, es wäre total schlecht, in einer überfüllten U-Bahn die Gefühle aller anderen Menschen mitzufühlen (lacht). Willst du mal hören, was ich dazu zu sagen habe? Das Stichwort ist Grenzen ziehen zwischen sich und anderen Menschen. Zu wissen: Bis hierhin tut es mir gut und wenn es da aufhört gut zu werden, gehe ich nicht weiter. Dieses Grenzensetzen muss man für sich lernen, indem man nicht zulässt, dass die eigenen Grenzen überschritten werden. Dann wird man sie auch sich selbst gegenüber nicht überschreiten.

Was kannst du jetzt gut, was du früher nicht konntest?

Ich kann Dinge benennen. Ich weiß, woher bestimmt Gefühle kommen und bin nicht mehr Opfer meiner eigenen Emotionswelt. Weil ich Wörter dafür gefunden habe und einordnen kann, was passiert ist. Ich bin wieder handlungsfähig. Indem ich zum Beispiel mir selbst etwas Gutes tue. Indem ich mich an mir festhalten kann, wenn ich weiß: Ich mache jetzt Sport. Wenn ich gerade sehr traurig bin, weil ich an etwas Altes erinnert wurde, mache ich irgendwann wieder etwas, das mir gut tut. Das Alte hat meistens mit dem jetzigen Moment gar nicht so viel zu tun.

Was mir hilft, sind andere Leute, die mir das Gefühl geben, das alles gut ist. Denen es selbst gut geht. Leute mit einer guten Energie. Und mir hilft, wenn ich mich annehme in all meinen Facetten, so gut es geht. Ich arbeite damit und lasse es nicht über mich einbrechen – was trotzdem manchmal passiert. Dann gibt es Tage, an denen ich viel weine. Nach so einem Ausbrach bin ich klar im Kopf und lebe mein Leben weiter. Ich bin mir bewusst: Es ist gut, dass das jetzt rauskommt. Später verstehe ich, was los ist. Gerade weiß ich es nicht, aber später. Dann kann ich es wieder besser machen. Um mir meine Handlungsfähigkeit, meine Selbstwirksamkeit zu beweisen. Und sie zu leben. Das Leben soll nicht über mir einbrechen, ich gehe in den Regen und tanze! (lacht).

Wann und wie hast du Heilung erfahren?

Ich war vor kurzem in Italien und habe ein viertausend Jahre altes Ritual gemacht. Alleine im Wald, drei Tage fastend. Das war bei den Urvölkern normal. Man hat es unter anderem in Krisensituationen gemacht, oder auch beim Übergang vom Jungen zum Mann und vom Mädchen zur Frau. Wenn man so eine Extremsituation erlebt, lernt man, wie man mit extremen Gefühlen umgeht, ohne sich mit Drogen oder Alkohol die Kante geben zu müssen. Heutzutage wollen die Menschen damit Erfahrungen herbeiführen, die wir auch draußen in der Natur – natürlich im Einklang – finden würden. Deswegen sind Rituale so wichtig. Auch die Rauhnächte sind eine wichtige Zeit, in der man innere Kräfte konzentriert, um die Winterzeit zu überstehen. Sowas gibt es heutzutage kaum noch. Man geht sich lieber drei Nächte lang wegballern. Auch das ist eine krasse Erfahrung, aber halt nicht so gesund. Und gibt einem auch nicht so viel Kraft.

Im Wald in Italien war ich alleine mit einem Tagebuch und meinen Gedanken. Ich wurde in einer Gruppe eine Woche vorbereitet. Und eine Woche nachbereitet, um alles zu integrieren. Das war eine Initiation. Ich bin an meine Grenzen gekommen und habe vieles nochmal intensiv erlebt. Ungefühlte Gefühle, ungeweinte Tränen, nicht transformierte Wut. Das geht alles nicht weg, nur weil du dein Leben weiterlebst und so tust, als wäre es nicht da. In der Natur habe ich gemerkt, wie stinkwütend ich bin. Dass ich dieser Wut unbedingt Ausdruck verleihen muss, um sie in Lebensenergie umzuwandeln. Wut ist eine sehr krasse Energie. Du kannst sie sehr zerstörerisch verwenden, aber auch ganz klar, gezielt und ruhig. Pro-Life, in dir selbst integriert, damit nach Außen gehend. Wut kann auch sehr lebensfroh machen. Das ist Temperament, Feuer, Leben. Wut ist in unserer Gesellschaft auch sehr unterdrückt. Aber Wut hat eine Daseinsberechtigung und ist etwas Gutes. Nichts, was man permanent verstecken muss. Ich verpacke sie in den Texten genau so, wie ich damit oft frontal in die Welt gehe. Man darf sie raushören. Ich mache das in der Musik für mich und ich gestatte es auch jedem.

Ich erzähle vom Eisbaden. Man steigt ins kalte Wasser und atmet ruhig weiter. Stellt sich der Angst. Man braucht nur den Winter, Wasser, den Atem. Kein Baum hält dich für verrückt, nur die Menschen, die an dir vorbeigehen.

Die Natur urteilt nicht (lacht). Da ist einfach alles normal. Und du merkst, wie normal und vital du bist. Du bist keine minderwertige Anomalie, wie die Werbung es dir weismachen will. Natur hat so viele Formen. Da ist alles richtig und du bist immer richtig. Aber im Supermarkt verkauft man krummes Gemüse nicht, weil es keine Modelmaße hat.

Was würde dich glücklich machen?

Wenn wir uns in all unserer Diversität annehmen könnten. Wenn wir weltoffener wären und nicht jeder in seinem kleinen Tunnel leben würde. Natürlich kann jeder sein Ding machen, aber es wäre auch schön, wenn man das der Anderen akzeptiert. Vielleicht gäbe es dann auch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Damit jeder gedeckt hätte, was es braucht. Eine friedliche Welt würde mich sehr glücklich machen. Und wenn ich endlich ganz viele EPs machen kann (lacht). Mich macht es glücklich, viel zu erschaffen.

Wenn du deinem Ich von Damals einen Rat geben könntest:

Du hast es nicht nötig, mit diesen Personen abzuhängen. Komm mit mir mit.

In seiner Reihe Kunst & Kopfkrieg spricht Laurens Dillmann mit Künstlern und Künstlerinnen über ungerade Lebenswege, Depressionen und Wege aus der Krise. Er bietet Waldbaden auf Spendenbasis an. Kommt mit ihm in den Wald!

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laut.de-Porträt Mimi

Mimi, geborene Frankfurterin, wohnhaft in Mainz, macht Kopfindenwolkenpolitik mit Tiefgang und Substanz auf verspulten Beats. Das Leben war nicht immer …

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