Ihre Ex-Crew fungiert als Ms. Hills Co-Headliner. Wyclef Jean trat beim Tourauftakt in Dublin auf, Pras Michel zerrt seine Kollegin vor Gericht.
Dublin (dani) - Eine Woche vor dem ersten der drei geplanten Deutschland-Termine von Lauryn Hill häufen sich die offenen Fragen: Wird sie auftauchen? Wann wird sie auftauchen? Mit oder ohne die Fugees? Sind das überhaupt noch die Fugees, ohne Pras Michel? Oder ist der dabei? Darf der überhaupt das Land verlassen und, falls ja, wie musiziert es sich wohl so, gemeinsam in einer Konstellation, zwischen deren Mitgliedern Vorwürfe, Gegendarstellungen und Klageschriften hin- und herschwirren? Was stimmt mit denen allen nicht? Was ist da überhaupt los?
Ihr seht mich zwar ebenfalls maximal verwirrt angesichts dieser kolossalen kuddelmuddeligen Selbstdemontage, die eine zweifellos legendäre Crew da vorexerziert. Ich versuch' mich aber trotzdem daran, den Bumms für euch halbwegs nachvollziehbar aufzudröseln. Merket auf:
Mit "The Score" haben die Fugees 1996 einen Klassiker hingelegt. Zwei Jahre später setzte die Frontfrau des Trios mit ihrem Alleingang "The Miseducation Of Lauryn Hill" noch einen drauf. Solides Meilenstein-Material, das. Nur angemessen, dessen 25-jähriges Release-Jubiläum auch amtlich zu zelebrieren. Im Rahmen einer Tour, zum Beispiel, wie es Ms. Lauryn Hill im vergangenen Herbst auch tat. Die wider viele Erwartungen wiedervereinigten Fugees standen als Opening-Act auf dem Plan.
The Celebration Continues. Vielleicht.
Im vergangenen Oktober kündigte Lauryn Hill zehn weitere Shows an, die allerdings verschoben wurden. Infolge von Stimmband-Problemen der MC, hieß es. Okay, über verschobene oder ausgefallene Gigs dürften sich Fans nicht allzu sehr gewundert haben. Die Rapperin und Sängerin hat sich längst einen Ruf als No-show-Artist erarbeitet, sie gilt als ... na, nennen wir es "schwierig". Dann eben 2024? Vielleicht?
Unter dem selbsterklärenden Titel "The Celebration Continues" stehen nun auch wieder die Fugees mit auf dem Plakat. An zweiter Stelle zwar, aber doch irgendwie in gleicher Schriftgröße, Co-Headliner-Style. Am 9. August sollte es in den USA losgehen. Eigentlich. Zwei Tage zuvor gab Ms. Hill jedoch bekannt, der komplette Nordamerika-Teil der Tournee falle aus. Dass zu wenige Tickets verkauft wurden, kreidete sie den Medien an, die ihrer Meinung nach zu reißerisch über ihre jüngsten Konzertabsagen berichtet hätten. Oookay.
Wie auch immer: Die Europa-Dates sollen stattfinden, hieß es, und tatsächlich ging der Tourstart in Dublin gestern wie geplant über die Bühne. Lauryn Hill kam angeblich nur eine halbe Stunde zu spät, für ihre Verhältnisse also überpünktlich. Wyclef Jean war auch zugegen, er verkörperte dann wohl die "Fugees".
Von Pras Michel: keine Spur. Fragt mich bitte nicht, ob überhaupt irgendjemand erwartet hat, dass er mit auf der Bühne steht, ich versteh' ja schon nicht, wieso er, der vor inzwischen über einem Jahr vor Gericht der Veruntreuung und Wahlkampf-Manipulation für schuldig befunden wurde, noch immer nicht ins Gefängnis musste. Dürfte er überhaupt ausreisen? Was zum Teufel versucht er, mit dieser Insta-Story zu sagen?
Ich raffs nicht, ich scheitere aber ja ohnehin schon daran, mir eine gemeinsame Show von Leuten vorzustellen, die sich gegenseitig munter, öffentlich und auch ganz offiziell hart beharken. Vergangene Woche hat Pras Michel Klage gegen Lauryn Hill eingereicht, er wirft ihr unter anderem Betrug und Vertragsbruch vor.
Sie soll ihre letzte Tour schlecht gemanagt und damit ihre beiden (früheren) Crew-Kollegen geschädigt haben. Zudem unterstellt er ihr, den Tour-Etat künstlich aufgeblasen, Gewinne in die eigene Tasche gewirtschaftet und lukrative Angebote für die Fugees eigenmächtig und aus ridikülen Gründen ausgeschlagen zu haben, beispielsweise ein Coachella-Angebot in Höhe von fünf Millionen US-Dollar. Hill sei beleidigt gewesen, dass die Gruppe auf den Plakaten unter No Doubt gelistet worden wäre, zitieren US-Medien aus Michels Klageschrift.
Betrogen und ausgenutzt?
Pras behauptet weiter, Hill habe seine rechtlichen Probleme benutzt, um ihn quasi zu einer Fugees-Reunion zu nötigen, die sie dann wieder für ihre Zwecke ausgeschlachtet haben soll. Er fühlt sich also ... benutzt? Äh, okay. Ich kann mir zwar kaum ausmalen, dass Pras Michel, ganz unabhängig davon, dass er einfach ein verurteilter Verbrecher ist, den, wann auch immer, eine jahrelange Haftstrafe erwartet, außerhalb des Konstrukts "Fugees" iiirgendetwas reißen könnte. Man sollte also meinen, er müsste sich über derlei "Nötigung" freuen. Statt dessen scheint er angepisst.
Genau so, nämlich angepisst, reagierte nun auch Lauryn Hill auf die Klage ihres (Ex-)Bandkollegen: In einem mehrseitigen Instagram-Post stellt sie in sieben Punkten ihre Sicht der Dinge klar. Sie habe ihre "Miseducation"-Jubiläumstour unabhängig von einer eventuellen Beteiligung der Fugees geplant gehabt. Die Wiederbelebung ihrer früheren Crew sei rein aus ihrem guten Willen heraus geschehen, sie habe dem gebeutelten Mitstreiter helfen wollen. Für dessen juristische Probleme sie im übrigen nichts könne.
... läuft ja super, mit dieser Fugees-"Reunion". Wenn einem zwischen einer unzuverlässigen Diva mit Allüren und einem beleidigten Betrüger Wyclef Jean wie die Ausgeburt von Vernunft und Integrität erscheint, sind wir wirklich einen langen Weg gekommen. Dass er, aussortierter haitianischer Präsidentschaftskandidat, auch schon kreativen Umgang mit den Geldern anderer Leute pflegte, vergisst man da fast.
Wer da kommende Woche bei der Show in Köln auf der Bühne steht und ob überhaupt jemand: Wir bleiben gespannt. Sollten es Lauryn Hill und/oder die "Fugees" bis zum 30. Oktober noch geben und sollten wir tatsächlich unsere Fotografin in die Halle bekommen, ja, viele Konjunktive, ich weiß, aber sollte all das klappen: Dann freut euch getrost schon vorsichtig auf tolle Bilder von Désirée Pezzetta.
5 Kommentare mit einer Antwort
Wirklich schade, was aus der legendären Crew geworden ist. Da kann man nur die zwei besagten großartigen Alben hören und den Rest ausblenden...
Neulich zufällig The Score gehört, die Truppe habe ich bisher fleißig ignoriert wegen des furchtbaren Killing Me Softly.
War ganz nett, sehe da aber jetzt nicht den legenden Status.
"As of 2021, due to the charges against him, Michel cannot travel internationally."
Danke, Wikipedia.
Extremst überbewertete "Crew".
Es ist natürlich sehr leicht, extrem erfolgreiche und bekannte Musiker als überbewertet zu bezeichnen. Ich persönlich finde ja Jay-Z extremst überbewertet.
Laurenz Hügel ist so so sensationell durchgekokst, dafür gebührt ihr Respekt. Sie hat zwar nur 5 Jahre ernsthaft Musik gemacht, sich dafür aber 25 Jahre sehr ernsthaft weggeballert. Die letzten Live Versuche war sie nur mit Kennerohr vom Undertaker zu unterscheiden, auch das ein Spektakel. Sollte jede*rm mindestens 100€ Ticket wert sein.