Vom Trainingsanzug zum Jazz-Rap: Polnischer Hip Hop hat sich vom Plattenbau- zum Mainstream-Phänomen entwickelt und stellt eine der lebendigsten Subkulturen Polens dar.

Polen (hf) - Wie fast alle polnischen Subkulturen, schwappt auch Hip Hop aus den USA, zum Teil über den Umweg des grenznahen Berlin, nach Polen über. Die Anfänge finden sich, wie in Deutschland, in den späten 80ern. Richtig Fahrt nimmt die Bewegung aber erst Mitte der 90er auf. Im Gegensatz zu Deutschland wird die Öffentlichkeit erst in den 2000ern wirklich auf die gar nicht mehr so neue Subkultur aufmerksam.

Dann aber so richtig: Auf den eben erst gestarteten polnischen Dependancen von VIVA und MTV laufen zeitweise kaum noch andere Musikrichtungen. Daraufhin, da macht Polen keine Ausnahme, kommt es zur Kommerzialisierung. Die polnische Presse münzt den Begriff "HipHoPolo", der womöglich nicht nur im Deutschen etwas blöde klingt.

Hip Hop stellt nach wie vor eine der größten und lebendigsten Subkulturen Polens dar. Wir haben für euch einige der bekanntesten polnischen Hip Hop-Acts zusammengetragen.

Polnische Hip Hop-Acts

Entwickelt hat sich der polnische Hip Hop tatsächlich in den Plattenbausiedlungen aus der Zeit des Sozialismus, die längst soziale Brennpunkte waren. Das Klischee vom "dresiarze", dem glatzköpfigen Trainingsanzugträger, den niedriger Bildungsgrad, schlechter Musikgeschmack und ein Hang zu Kriminalität und Gewalt kennzeichnen, trifft allerdings nur bedingt zu. Mittlerweile sind Rapper nicht mehr ausschließlich "blokersi" ("Blockmenschen"), sondern kommen auch aus bürgerlichen Eigenheimsiedlungen. Es liegt auf der Hand, dass die polnischen Plattenbaukids sich mit den amerikanischen (Gangsta-)Rappern aus den Projects identifizierten. Inzwischen gibt es aber auch im Feuilleton besprochene Acts wie Fisz oder O.S.T.R, die sich dem Jazz-Rap verschrieben haben.

Wie in den USA und Deutschland haben auch in Polen alle vier klassischen Elemente des Hip Hop - Rap, DJing, Graffiti und Breakdance - Verbreitung gefunden. Und wie in den USA und Deutschland sind Statusspielereien weit verbreitet. Der Stettiner Rapper Lona klärt in seinem Song "Hiphop Non Stop" von 2002 darüber auf, was heute bei polnischen Rappern zählt:

"Jeder nennt in einem Atemzug brav die vier Elemente / und so tu ichs auch / Ich werde hier nicht lange stottern / es sind: Kohle, Knete, Kies und – logisch – Schotter." Teure Klamotten, Marihuana, Alkohol: Hip Hop ist oft keine billige Angelegenheit - angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit ein ernstzunehmendes Problem.

Und wie steht es mit dem polnischen Nationalstolz? Die meisten Rapper geben sich patriotisch. Das hört aber da auf, wo die Staatsgewalt anfängt: Die Polizei betrachten fast alle Subkulturen Polens als gemeinsamen Feind.

2 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Danke für dieses tolle Special. Längst überfällig, dass Polen als musikalisches Land entdeckt wird. Leider sind Produkte aus den englischdprachigen Ländern hier übermäßig häufig vertreten. Die Welt ist dann aber doch etwas größer...

  • Vor 12 Jahren

    Es fehlen mindestens L.U.C, Rahim, Fokus, Vienio, Abradab und einige andere Vertreter des polnischen conscious hip-hop. Gerade Abradab, Rahim und Fokus gehören zu den Urgrößen des polnischen Hip-Hop (als Mitglieder der Bands Kaliber 44 und Paktofonika).