Cocktail Nation
Was ist das? Als 1997 geborener Mensch kann ich unmöglich einschätzen, ob Cocktail Nation in den Neunzigern eine große Sache oder ein obskures Nischenphänomen waren. Aber allein die Idee, dass es einen konservativ-eskapistischen Unterzweig des Swing-Revivals unter der Oberfläche der Cherry Poppin Daddies gab, die sich mit versnobbter Meta-Ironie Swing- und Lounge-Ästhetik angeeignet haben, ist aberwitzig. Dabei hat ausgerechnet das Nirvana beheimatende Label Sub Pop Records 1994 das definitäre Cocktail Nation-Album "I, Swinger" von Combustible Edison mitsamt Manifest (siehe unten) veröffentlicht. Die Squirrel Nut Zippers haben sogar einen MTV-Hit gelandet. Die Post-Ironie, der undurchdringbar tagesaktuelle Referenz-Quark, ein bisschen fühlt sich Cocktail Nation wie das PC Music seiner Zeit an. "Hilfe, ich halte den Pöbel nicht mehr aus" als Musikgenre.
Wie war das Album? Die Inspirationen aus dem Space Age-Jazz und Pop der selben Ära sind wohl der Hauptgrund, das "I, Swinger" ein gar nicht so übles Album geworden ist. Der Outro "Theme From The Tiki Wonder Hour" hat einen fesselnden psychedelischen Flair, der die wahre musikalische Breite der Band zeigt, der zwischendurch wahllos deutsche Song "Surabaya Johnny" macht Lust auf mehr Schlager im amerikanischen Pop. Aber trotzdem schließe ich mich der generellen Kritik an: Ein bisschen hat das alles zu sehr den ironischen Hipster-Stock im Arsch, um wirklich zu grooven, aber ein bisschen finden sie auch den eigenen Eskapismus zu geil, um wirklich etwas über die Gesellschaft zu sagen.
Genre-Rating: Ich zitiere aus dem Manifest: "We, the Citizens of the Cocktail Nation, do hereby declare our independence from the desiccated horde of mummified uniformity - our freedom from an existence of abject swinglessness. We pledge to revolt against the void of dictated sobriety and to cultivate not riches but richness, swankness, suaveness and strangeness, with pleasure and boldness for all. Be fabolous!"
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