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Picopop

Was ist das? Es gibt ein paar japanische Pop-Genres, die hierfür in Frage gekommen wären - und so gerne ich auch über City-Pop und Shibuya-K spreche, ist Picopop doch vermutlich das obskurste von allen. Entwickelt hat es sich in den späten 90ern aus dem Shibuya-K, das man ganz grob erklärend als die japanische NDW mit mehr Electro bezeichnen könnte, mit dem 1997 erschienen Cornelius-Album "Fantasma". Was da an elektronischer Quirligkeit vorgelegt wurde, haben japanische Pop-Nerds unter dem Begriff des "Future Pops" mit noch mehr Bliepen und Blupen ausgefüllt. Bliepen und Blupen ist übrigens auch die wortwörtliche Übersetzung für die Onomatopoesie "Pico". Zusammen mit einer Affinität für Chiptune und westliche Cartoons entstand so das Gegenteil von typischer Weeb-Music wie Nightcore oder Future Funk - Picopop ist musikalischer Zuckerguss, meistens dank Samples sehr lebendig und farbenfroh und von vorn bis hinten voll mit hochoktavigen J-Pop-Vocals und eingängigen Electro-Beats. Auch, wenn Picopop nie den Durchbruch in den japanischen Mainstream geschafft haben, war ihr Einfluss doch später in Gruppen wie HalCali Bacon oder Idol-Pop wie von Kyary Pamyu Pamyu und Perfume spürbar.

Wie war das Album? Hier habe ich mir gleich zwei Alben vom selben Artist herausgesucht: Plus-Tech Squeeze Box ist eine enigmatische Gruppe, die nur zwei Platten und ein unerklärliches Cameo im Spongebob Schwammkopf-Film auf dem Kerbholz haben. Aber diese beiden Alben haben es in sich: "Fakevox" ist das Tape mit klassischeren Songstrukturen und von oben bis unten voll mit Bangern wie dem hyper-energetischen "Early Riser", dem sicken Gitarrensolo auf "Milk Tea" und dem zuckersüß melancholischen "Star". Diese Gruppe hat Refrains ohne Ende, aber der richtige Burner ist "Cartoom!", auf dem sie in einem absurden, fiebertraumhaften Konzeptalbum für eine halbe Stunde Openings für fiktive Cartoons komponieren. Außerdem: Der fantastische Soundtrack für "Katamari Demacy: Reroll" ist sehr vom Genre inspiriert.

Genre-Rating: Heilige Scheiße, diese Musik ist so bunt, fantasievoll und überwältigend. Als der amtierende K-Pop-Trottel der Website muss man mein Urteil über derartige Musik natürlich ein bisschen in Frage stellen, aber ich liebe, was ich heute gehört habe. Wer sich einem kleinen Zuckerschock stellen kann, der gebe diesem Genre eine Chance.

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