Die Dauerparty mit System Of A Down, Coldplay, Hurts, Mando Diao, White Lies, Kings Of Leon und den Beatsteaks ist überstanden.
Nürnberg (rnz) - 16 Jahre Rock im Park. Die Festivalisten glaubten dieses Mal ganz stark an den Wettergott. Und er behandelte seine Jünger im Großen und Ganzen sanft – erst nach den Kings Of Leon spülte er das Gelände richtig durch.
In Biergartenstimmung begannen The Naked And Famous ihren Synthiespaß auf der Centerstage. Sänger Thom Powers war es zu heiß: "I think the sun melted all my pills". Auch Ash ließen das Unterhaltungsniveau nicht sinken: "Burn Baby Burn" und "Girl From Mars" machten den Nachmittag gefällig.
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Warum um diese Zeit allerdings Hurts spielen mussten, stand in den Sternen geschrieben. Das um zehn Mann erweiterte Duo schien auf die Sonnenfinsternis zu warten und wirkte so etwas derangiert. Ihr Konzert glich einer Inszenierung, bei der eine jeweils rechts und links flankierte und zunächst bedeckte Tänzerinnen aus ihren Mänteln hüpfte und die Videobewegungen von "Wonderful Life" mimte.
Die Kooks, etwas älter und erfahrener, waren darauf geeicht, den Publikumsnerv zu treffen. Kein Bein auf dem Areal, dass sich nicht zu "Oh La" etwas lockerte. Außer die Sitzengebliebenen vielleicht, die lieber ihr Sitzfleisch mit Woknudeln fütterten. Hernach wollten die Söhne Mannheims wohl etwas schmeicheln, als sie "Killing In The Name" anstimmten. Phasenweise präsentierten sie entspannten 60's Soul und weniger Klagelieder als üblich.
Das kam gut an – wohl auch, weil gerade Coldplay den ersten Tag auf der Hauptbühne beendeten. Vor der Anreise stellte sich die Frage: Erster Auftritt seit fast einem halben Jahr, würde es ein Best-Of-Abspulprogramm und eine Viva La Vida-Showfortsetzung? Die Antwort waren sieben völlig neue Songs, darunter auch "Every Teardrop Is A Waterfall" und weitere Songtitel wie "Charlie Brown", "Major Minus" und "Hurts Like Heaven". Sie bewegen sich wieder zurück in die Nähe von "X&Y", sind mehr an "A Rush Of Blood To The Head" als an "Viva La Vida" dran.
Natürlich fehlten die Gassenhauer trotzdem nicht. So viel Waghalsigkeit, sich mit über einer Handvoll unbekannten Liedern in ein Festival zu stürzen, wollten weder Band noch Zuschauer auf sich nehmen. Da grölte man gemeinsam zu "Viva La Vida" während Schlagzeuger Will Champion, der nebenher ein phantastischer Sänger ist, auf die Pauke haute.
Am Samstag zierte sich Deutschlands amtliche Gute-Laune-Band, die Beatsteaks aus Berlin, nicht, die Reunion des Jahres vorzubereiten. Sie können das ja gut, mit der Audienz umgehen und mit ihren Einflüssen spielen. Depeche Modes "Just Can't Get Enough" leitete ihr Set ein. Bei "Big Attack" wackelten, wirbelten und sprangen dann alle wie junge Hüpfer. Arnim Teutoburg-Weiß war das etwas zu wenig. "Ihr seht mir zu gemütlich aus", rief er und spielte später "Hate To Say I Told You So" von den Hives. Wer die Beatsteaks bucht, rettet alle inländischen Festivals.
Inzwischen hatten sich die treuesten Anhänger vorne versammelt, um auf das Comeback der wiedervereinten System Of A Down zu warten. Fast andächtig wurde vor Beginn die Musik aus der Konserve ausgeschaltet und ein Banner vor der Bühne aufgezogen, um die Spannung noch zu erhöhen. Als Einstieg gab "Prison Song" kurz die Möglichkeit, sich auf die nächsten 25 Songs vorzubereiten.
Immer wieder aufs Neue bauschte sich ein Panorama im Hintergrund auf. Berge, das hauseigene Logo, mal nur Lichter. Am Ende zollte gar das Banner mit dem Emblem der ersten LP der Anfangszeit Tribut. Vorbei die Exzesse anno 2002 im Frankenstadion, hier traf und präsentierte sich eine Gruppe, die zusammen noch nie so gut war – und das nach einer so langen Verschnaufpause von sechs Jahren.
Serj Tankian sang ohne Makel, Daron Malakians Fehlerquelle im Gitarrenspiel hatte sich annähernd gegen Null genähert und John Dolmayan blieb wohl in dieser Nacht das menschliche Äquivalent einer Drum-Maschine. Es blieb ein hartes Wiedersehen, für das besonders ihr selbstbetiteltes Album und "Toxicity" Pate standen.
Nach dieser Gala zog es einen kleinen Strom gen Clubstage, wo sich Dredg zum vierten Mal in der Park-Historie ankündigten (mit einer Alterna-Ausnahme). Abermals zeigte Schlagzeuger Dino Campanella, dass bei ihm rechte und linke Gehirnhälfte bestens verknüpft sind. Er bediente bei "Not That Simple" und "Bug Eyes" sowohl Keyboard als auch Schlagwerk wie gewohnt gleichzeitig. Sänger Gavin Hayes sah zwar mit jedem Ton verbissener aus, aber sang klar durch die Arena.
Am letzten Tag erwärmten Social Distortion nach ein paar Himmelstropfen die Gemüter und die White Lies sangen "Bigger Than Us" zu einem muffigen Geruch von Drei-Tagen-Allerlei. WolfmothersBühnen- und Bandheld Andrew Stockdale brauchte etwas Anlauf, nach einem zähem Beginn mit ausgedehnter "New Moon Rising"-Performance. "Woman" und "White Unicorn" brachten aber alles wieder ins Lot und man konnte sich sogar einer kurzen Interpretation von Bachs bekannter Orgelfuge hingeben, die Bassist und Hammond-/Rhodes-Spieler Ian Peres im Jon Lord-Stil präsentierte.
Anders gings bei Mando Diaos angeblichem Akustikkonzert zu. Sie haben ihrer R'n'R-Attitüde mittlerweile so viel abgewonnen, dass Gustav Norén aussieht wie George Harrison in der Beatles-Frühphase. Alles in allem standen der Band "Long Before Rock'n'Roll" oder "Dance With Somebody" in dieser halbunplugged-Montur gut.
Die Kings Of Leon versuchten mit Videobildern und Bühnenlichtern zu kompensieren, was ihnen auf der Bühne oft nicht gelang. Zu sehr behände waren die Klänge von vorne, einzig "Sex On Fire" brachte das Publikum zu einer bemerkbaren Auferstehung. Und doch gelang ihnen mit "Closer" ein Festival-Highlight.
Laser schossen in die Nacht und Caleb Followills eigentümliche Stimme waren zu diesem Zeitpunkt eine unübertroffene Kombination. Leider blieb des Sängers Reibeisen nicht immer rostfrei, und er vergriff sich hin und wieder. Wie gut, dass die Kings da noch ein 3-Day-Off vor sich hatten.
16 Jahre Rock im Park: Ein Gemischtwarenladen, der den Ballast der Vergangenheit abgeworfen hat. Die Verjüngungskur hat genau dort angesetzt, wo früher Depeche Mode, R.E.M., Lenny Kravitz oder Neil Young auf der Bühne standen. Einer von ihnen würde mal wieder gut tun. Nächstes Jahr sind bereits die Toten Hosen bestätigt. The Times They Are A-Changing.
6 Kommentare
Wie wars eigentlich mit der Akustik auf der Center? War ja die letzten Jahre nicht mehr so berauschend.
Edith hat bemerkt, dass auf der Center wieder pünktlich um 23:00 Uhr Schicht im Schacht war. Irgendwie Kacke...
Also ... die Biergartenstimmung muss noch anhalten in der laut-Redaktion! Das Jubiläum war schon letztes Jahr, was man auf gefühlten 10.000 t-Shirts am Wochenende erfahren konnte. Das den Artikel zierende Foto ist am Ring entstanden, nicht im Park, von einer ganze 7 Fotos umfassenden Galerie ganz zu schweigen ... !
Hat jemand ein Video gefunden, auf dem die Beatsteaks "Hate To Say I Told You So" spielen? Würds gern mal sehen
Coldplay war sicher nett, aber ich würd gern noch das zeitgleiche und recht epochale 20-minütige Abschluss-Medley von Korn auf der Alterna hervorheben.
Ich dachte, mir platzt der Kopf =)
@Nebolous (« Edith hat bemerkt, dass auf der Center wieder pünktlich um 23:00 Uhr Schicht im Schacht war. Irgendwie Kacke... »):
Jap, so war's auch. Gefühlte Zehntelsekunden nach SOADs letzem Song wurde schon wieder Kinowerbung eingeblendet und Radio-Gewäsch gespielt.
Sozusagen ein riesiger, dampfender Kackhaufen, der da auf die Stimmung gesetzt wurde.
Es war nicht mal Zeit, um "Zugabe" zu rufen -.-
Die Fotos sind wirklich nicht berauschend.