Die US-Hardcore-Band beschert ihren Fans am Mittwochabend ein denkwürdiges Konzert.
Berlin (laut) - Hardcore erlebt derzeit ein Comeback auf den großen Bühnen. Verschwunden war der Sound natürlich nie, vor allem in den USA florierte die Szene auch nach der kommerziellen Übersättigung rund um Blink 182 und Co. in den 00er-Jahren.
Textsicher wie bei Oasis
Mit Turnstile hat nun wieder eine Band den internationalen Durchbruch geschafft, der es gelingt, die Intimität und anarchische Energie aus abgerockten Clubs und Turnhallen in die großen Konzertlocations zu transportieren. Wie gut dieser Transfer gelingt, können nun 4.000 restlos durchgeschwitzte Fans in der Berliner Verti Music Hall bezeugen.
Über gut eine Stunde liefern Turnstile die perfekte Symbiose aus brachialer Härte, Tempowechseln und Vocalmelodien für ein Publikum, das von der ersten bis zur letzten Reihe durcheinandergewirbelt wird. Phasenweise zeigt es sich so textsicher wie bei einem Oasis-Konzert.
Körper fliegen durch die Luft
Schon nach dem Opener "Mystery" findet sich in der Halle wohl niemand mehr am gleichen Ort wieder: Menschen werden über die Menge getragen, Refrains mitgebrüllt, Körper fliegen durch die Luft. Die ersten verlorenen Schuhe werden von solidarischen Finder:innen in die Höhe gereckt.
Dieser Anblick bleibt das gesamte Konzert lang bestehen, kurz unterbrochen von ein paar wenigen wohlplatzierten Songs zum Durchschnaufen ("Underwater Boi" oder "Alien Love Call") sowie einem mehrminütigen Solo von Drummer Daniel Fang in der Mitte des Gigs. Die technisch wie dramaturgisch perfekte Überleitung in "Big Smile" versetzt die Halle jedoch schlagartig zurück in den Ausnahmezustand, der an diesem Abend Normalzustand ist.
Respekt - vor und auf der Bühne
Schön zu beobachten in all dem Wahnsinn: Gleichgültig, wie hart es auf und vor der Bühne zugeht - Band und Fans haben stets ein Auge aufeinander. Verlorene Schuhe, Handys und Kopfbedeckungen werden sofort zurückgereicht, die Band wirft Wasserflaschen ins Publikum und erkundigt sich regelmäßig nach dem Wohlergehen der tobenden Masse.
Nichts davon wirkt geheuchelt, Fans und Musiker stecken hier gemeinsam drin. Obwohl der Bühnengraben mittlerweile größer ist als in den Anfangsjahren der Band, haben Turnstile sich eine ehrliche Verbindung zum Publikum bewahrt.
Kollektive Ekstase und technische Perfektion
Es ist sicherlich auch diese Qualität, die zur kollektiven Ekstase in der Halle beiträgt. Doch Turnstile stellen auch ein beachtliches musikalisches Niveau zur Schau. Egal, wie schnell und hart es zugeht, bei Klarheit und Arrangement sind keinerlei Abstriche bemerkbar. Frontmann Brendan Yates springt meterweit und hoch über die Bühne, ohne jemals einen Ton zu verpassen oder an Stimmumfang einzubüßen.
Mit "Holiday" und "Blackout" findet ein denkwürdiger Auftritt schließlich seinen Höhe- und zugleich Schlusspunkt. Es gibt keine Zugabe, keine Verabschiedungsrituale. Es ist alles gesagt und alles erlebt. Mehr geht nicht.
Text: Ruben Drückler.
Setlist, Berlin:
- Mystery
- T.L.C. (Turnstile Love Connection)
- Endless
- Underwater Boi
- 7
- Keep It Moving
- Don't Play
- Fly Again
- New Heart Design
- Real Thing
- Big Smile
- Gravity
- Drop
- Blue By You
- Alien Love Call
- Holiday
- Blackout
6 Kommentare mit 7 Antworten
Fand auch den Auftritt bei RaR ziemlich gelungen, obwohl ich bis dahin nichts von der Band genannte. Und für den relativ frühen Slot - immerhin Main Stage - ging es da schon gut ab.
Wurde denen nicht genau hier vor paar Jahren massiv gehuldigt schon?
https://www.laut.de/Turnstile/Alben/Glow-O…
Ist mir damals absolut durchgegangen. Fand sie live allerdings besser als auf Platte.
Ich kann der besprochenen Platte auch nur in Auszügen was abgewinnen (dann aber wiederum sehr viel).
Dass die beim Konzert aber alles abreißen können, habe ich mir schon gedacht
Wirklich ein großartiger Abend.
Die Vorband war auch OK und Turnstile haben dann auf ganzer Linie überzeugt.
Auch erwähnenswert, das die Ordner das Konzert über Wasser gereicht haben.
Phantom Bay aus Bremen. Ma sagen.
Bierpreise in der Halle sind heftig, aber ansonsten gab es echt nichts zu meckern. Ein Brett nach dem anderen, Brandons Körper nicht mitgezählt.
Im Astra letztes Jahr war besser.
Das trifft ja auf jedes Konzert zu. Je größer die Nummer am ende wird…
Vermutlich war im Astra noch richtig Abriss mit Stage Diven.
Wurden die nicht schon von ein paar Schmocks zu canceln versucht, weil sie die meisten Gigs in Israel ablehnen?
oy vey! vos a shlamassl vayl fun di furshlugginer mentshn
Da bleibt natürlich die Frage Boden, Ringe oder Geräte aber da hat ja jeder seine persönlichen Vorlieben.
Wäre ja schön, wenn HC auf laut.de auch mal zur Kenntnis genommen würde. Und vielleicht dann auch mal nicht nur Hipster-Konsens-Bands wie eben Turnstile oder Touché Amoré. Da passiert mit Bands wie End It!, Zulu, Savageheads oder Restraining Order schon viel interessantes gerade.