laut.de-Kritik
So schön kann Denkmalpflege sein.
Review von Alex Klug"Ich kotz vüür Sympathie / Et jeht öm Arbeitsplatzerhaltung enn der Rüstungsindustrie / Dat zo 'ner Zick, wo dä Planet he längs ahn alle Ecke brennt / Un all sechs Sekund e' Kind verhungert irjendwo op der Welt."
Entschuldigung, aber was hauen BAP, Verzeihung Niedeckens BAP, denn da für einen brillanten Opener raus? "Drei Wünsch Frei" heißt der verdammt bissige Track, mit dem die Gruppe ihren Gig im Münchener Circus Krone eröffnet. Eine Hymne aus dem Kalten Krieg, von 1984 ins Heute gerettet. Mit einem Inferno aus Bläsersätzen bringt der Song ebenjenen aneckenden, wütenden Niedecken zurück, den viele in den letzten Jahrzehnten vermisst haben. "Et ess unfassbar, wie freiwillig sich der Minsch selvs ussradiert." Jaja, die Welt steht mal wieder am Abgrund.
Dennoch: Es ist eine gute Zeit für BAP-Fans. Mit Blick auf die Setlist natürlich insbesondere für jene, für die sich die Band mit dem Weggang Major Heusers längst erledigt hatte. Aber eben nicht nur. Schon seit der 2016er-Jubiläumstour bringt die um manchen Berufsmusiker erweiterte Besetzung viele Nummern erstmals seit Jahrzehnten im Original-Arrangement (oder überhaupt!) auf die Bühne. Diesmal steht vieles im Zeichen des omnipräsenten Bläsertrios. Das kommt Nummern wie "Frau, Ich Freu Mich", "Diss Naach Ess Alles Drin" und dem Reggae-Exkurs "Aff Un Zo" wahrlich zugute. Nicht zuletzt, da damit der eine oder andere unzeitgemäße MIDI-Sound übertüncht wird.
Ein nostalgisch getriebener Reifeprozess, der sich auch in der Songauswahl widerspiegelt. Zu den längst durchroutinierten Polit-Standards "Kristallnaach" und "Arsch huh, Zäng Ussenander" gesellen sich mit Stücken wie "Drei Wünsch Frei", "Bahnhofskino" und "Wie Schön Dat Wöhr" wieder einige dystopischere Songs – und zeigen im direkten Vergleich zu neueren Tracks ähnlich lyrischem Kalibers ("Noh Gulu", "Absurdistan") Niedeckens Entwicklung als Texter auf. Vom beißenden Zynismus zur nüchtern beobachtenden, teils nostalgischen Sachlichkeit. Ob neu denn auch immer besser ist, das muss wohl jeder selbst beurteilen.
Klar ist: Live ist die mittlerweile vierte BAP-Inkarnation definitiv im Kapitel der musikalischen Erbverwaltung angekommen. Mit dem Ausstieg des Langzeit-Mitglieds Helmut Krumminga hat die Band nicht nur ihren Hauptkomponisten, sondern zugleich den besten Gitarristen ihrer gesamten Karriere verloren. Das muss schon mal so gesagt werden. Aber: Niedeckens BAP pulsieren, vielleicht wie nie zuvor.
"Live & Deutlich" zeigt eine wandelbare Profi-Band, die Abstand nimmt von Egoshows und allzu hoher Gitarrensolo-Dichte. Stattdessen nähert sich die rundum erneuerte Besetzung dem 18 Langspielplatten umfassenden Katalog auf andächtige, behutsame Weise. Die Instrumentalisten schälen die Essenz der zeitlosen Heuser-Kompositionen heraus, leben Akustikparts aus, gestehen sich gegenseitig Luft und Raum zu, wie es in der über vierzigjährigen Karriere wohl noch nie zu hören war.
Und wenn all das dann sogar noch zugunsten der bei Niedecken oft bemäkelten Textverständlichkeit geht, kann sich daraus nur ergeben, dass es sich bei "Live & Deutlich" um die beste BAP-Liveplatte seit dem 1983er "Bess Demnähx" handelt – selbst wenn das Release um 95 Prozent der Ansagen gekürzt werden musste, um die Äonen einer Niedecken-Show auf vier Platten abzubilden.
Umso besser, sollten die 28 Tracks doch mehr als eine vorweihnachtliche Zielgruppe bedienen: Die Kenner, die sich nach der Best-Of-Tour mal wieder mehr B-Saiten wünschen. Die Zuhörer, die Niedecken als Geschichtenerzähler mit Akustikgitarre schätzen. Die mitgeschleppten Feuerzeugschwenker, die Partnerin oder Partner zuliebe eigentlich nur auf "Do Kanns Zaubere" warten. Die Nostalgiker, die "Verdamp Lang Her" mit genau jenem Billo-E-Piano-Sound eröffnet hören wollen, den sie so von ihrer gänzlich zerkratzten 1981er-Platte kennen. Die werden alle bedient. So schön kann Denkmalpflege sein.
5 Kommentare mit 3 Antworten
Nicht schlecht, aber klingt professionell runtergespielt und damit eher beliebig. Krumminga war damals die ideal Besetzung nach dem Austieg des unersetzbaren Major. Live immer einne ticken zu laut und zu verzerrt, aber damit auch wieder erdig und direkt. Nun, im Endeffekt klingt es nicht mehr wie BAP. Eher wie eine Coverband, und zwar eine gute, 3/5
1/5 weil Kölsch
was anderes haben die nie gesungen
Schon klar....was anderes hab ich nie gegeben
5/5 weil Kölsch.
Gibts nen Kölsch für Umme dabei? Dann las ich mir Bap ja auch gefallen, nur wenn ich erstmal nen Kölschduden zum übersetzen brauche, dann spar ich mir das doch besser. Schon vor 30 Jahren gedacht und eingeordnet bei den Bläck Fööss. Also harmlose Kneipenbeschallung in einer mittel großen Stadt. Immerhin Stadt!
1/5 weil dröge.
Geiles Ding !!